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Immer höher hinauf: La Bartoli als Raketenreiterin

Begab sich im Jahr 48 vor unserer Zeitrechnung doch seine Exzellenz, Roms Kaiser Julius Caesar, auf Dienstreise nach Ägypten. Die wurde bekanntlich zur Liebesromanze mit Cleopatra, der Schwester des Kronprinzen Tolomeo am Nil, die selbst gern über Ägypten herrschen wollte. Dieser hatte Pompeo, Caesars Gegner, verraten und ihn um einen Kopf kürzer machen lassen. Worüber Gattin Cornelia in tiefe Trauer fiel und sich an ihren Filius Sesto klammerte, der fürderhin nur mehr auf Rache sann. Verständlich.


Verständlich auch fürs Publikum? Die Verwicklungen in G. F. Händels großer Oper »Giulio Cesare in Egitto« sind ganz schön haarig. Bis zur Lösung dauern sie fünf Stunden, abzüglich zweier 20-minütiger Pausen. Das Pensum ist durchzustehen. Im heißen Festspielsommer von Salzburg, der die Produktion vom Pfingstfestival übernahm und an den Schluss des ganzen fünfwöchigen Opern-Reigens setzte. So wollten es Neuintendant Alexander Pereiera und seine Pfingstfestspiel-Kointendantin Cecilia Bartoli. Die auch glatt in die Rolle der verführerischen Cleopatra geschlüpft war und – wie konnte es anders kommen? – schon an Pfingsten und jetzt wieder im Sommer absahnte – für eine haushohe künstlerische Leistung, die sie sowohl gesanglich als auch darstellerisch im Haus für Mozart hinlegte. Das Festspielpublikum war hingerissen. Es applaudierte mit Händen und Füßen. Die Bravo-Rufe wollten nicht enden – auch wenn sie aus Kehlen kamen, die längst eine kühle Labung nötig hatten und Bartoli-Fans gehörten, die zum Dinner drängten.

Schließlich musste ein Szenario verdaut werden, das keineswegs nach jedermanns Geschmack war. Die Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier ließen sich von Christian Fenauillat (Bühne) und Agostino Cavalca (Kostüme) ein ramschiges Sammelsurium an Ägypto-manischem »Glumperts« auf die Bretter stapeln. Dazu ballerte und tanzte choreographisch gestylt eine wilde Soldateska, bleckte ein Gummi-Krokodil die Zähne, sonnte sich eine goldene Eidechse unter Ägyptens blutrünstigem Himmel.

Dabei zeigten sich die Figuren von Händels Best-of-Barocktheater so heutig wie nur möglich – der Titelheld im schicken blauen Anzug, der mit 3-D-Brille den Start seiner Perücken-berückenden Geliebten auf einer Cruise Missile durchs Wattegewölk in himmlische Höhen verfolgte und ansonsten recht unkaiserlich gerierte. Immer höher hinauf – nicht nur in den (insgesamt acht) Da-Capo-Arien der Cleopatra, sondern auch in den butterweich ansetzenden und herrlich sich verschnörkelnden Gesangs-Nummern des Gaius Julius alias Andreas Scholl wollte man mit dieser seltsam ironisierenden Produktion. Musikalisch gelang das Vorhaben. Szenisch war es zum Teil eine Katastrophe.

Musikalischer Glanzpunkt? Es gab deren etliche. Vielleicht war es nicht einmal die erste Wehklage der wunderbaren Anne Sofie von Otter als Cornelia, sondern ihr Duett mit »Sohn« Philippe Jaroussky. Vielleicht war es aber auch die Todessehnsucht verströmende Cleopatra-Arie im 3. Akt. Da passten aber auch der bärbeißige Bass des Ruben Drole als Achilla ins ausgeklügelte Barockopern-Konzept, die neckische Nirena des endzeitlichen Starcounters Jochen Kowalski, der spitzfindige Curio des Peter Kálmán und, ganz vorzüglich und wüst zugleich, Christophe Dumaux als stets rasender, schlaksiger Haudegen Tolomeo. Ein blendendes Team. Und ein optimales Orchester, das es, unter der feinnervigen, die Tempi ebenso wie die irre Atmosphäre der 2000 Jahre jungen Nil-Romanze trefflich herbeizaubernden Stabführung von Giovanni Antonini, schaffte, dass doch nicht alle Festspielgäste frühzeitig ihre Plätze räumten.

La Bartoli bleibt gottlob den Salzburger Festspielen erhalten. Auf drei Jahre zumindest. 2013 tischt sie zu Pfingsten Bellinis »Norma« auf – als Vorreiter einer Reihe von »Opfer«-Stücken, die alle Schattierungen dieses Generalthemas enthalten und musikalische wie mediale Überraschungen der Sonderklasse bereithält. Unter anderem die: Cecilia Bartoli als Partnerin von René Pape unter Barenboim beim »Deutschen Requiem« von Brahms. Pfingstmontag 2013 im Großen Festspielhaus. Hans Gärtner

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