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Der Autor Volker Kutscher im Gespräch mit Evi Dettl im Postsaal-Gewölbe. (Foto: Marietta Heel)

Hetzjagd in Berlin, Gefahr in New York

Literaturfestival »Leseglück«: Lesung mit dem erfolgreichen Krimiautor Volker Kutscher im Trostberger Postsaal


Mit seinen Kriminalromanen um Kommissar Gereon Rath hat der 1962 in Lindlar im Bergischen Land geborene Autor und studierte Historiker Volker Kutscher eine der erfolgreichsten deutschen Krimireihen geschaffen.

Der erste Band »Der nasse Fisch« spielte 1929 in Berlin, es folgten bis heute acht weitere Bände, die neben einer spannenden Krimihandlung auch die schleichende Machtergreifung der Nazis zum Inhalt hatten. Richtig berühmt wurde Kutscher dann 2017, als die auch international erfolgreiche TV-Serie »Babylon Berlin« an den Start ging, für die »Der nasse Fisch« die literarische Grundlage gebildet hatte.

Bei der ersten Veranstaltung im Rahmen des Literaturfestivals »Leseglück« war Kutscher jetzt im vollbesetzten Gewölbe des Trostberger Postsaals zu Gast, wo er mit »Transatlantik« den neunten Band der Reihe vorstellte, sachkundig und lebendig moderiert von Evi Dettl, die als Hörfunkredakteurin bei Radio BUH in Grassau tätig ist.

Das Buch knüpft unmittelbar an die Ereignisse des Vorgängerromans »Olympia« an, dessen Ende schockierend war: Auf der Flucht aus Deutschland befand sich Gereon Rath an Bord des Zeppelins »Hindenburg«. Ob er den Absturz überlebt hat, blieb offen. Für Raths Ehefrau Charly in Berlin brechen im neunten Band jedenfalls schwere Zeiten an: Von den Nazis aus dem Polizeidienst entfernt, arbeitet sie nun als Privatdetektivin und bemüht sich nebenbei vor Gericht, ihren früheren Pflegesohn Fritz aus der geschlossenen Anstalt zu befreien. Rath hingegen hat den Absturz überlebt und arbeitet nun unter falscher Identität als Postbote in New York – wo er aber schnell feststellen muss, dass er selbst in Amerika seiner Vergangenheit nicht entkommen kann.

Die vier Passagen, die Kutscher dabei aus dem Roman vorlas, machten jedenfalls sehr neugierig. Zumal er vorher immer die Zusammenhänge klarmachte und anschließend im Gespräch mit Evi Dettl einzelne Punkte erläuterte. So erfuhr man zum Beispiel anhand eines Mordfalls, dass seinerzeit das Parken am Straßenrand verboten war und deshalb an vielen Orten sogenannte Parkgaragen entstanden.

Auf die Frage, wieso er sich ausgerechnet diese Zeit, also den Zerfall der Weimarer Republik und die Machtübernahme durch die Nazis, zum Thema genommen habe, meinte er, dass er der wissenschaftlichen Herangehensweise an diese düstere Epoche eine fiktive gegenüberstellen wollte, belebt von empathisch agierenden Protagonisten. Weswegen er mit »Babylon Berlin« auch durchaus zufrieden sei, auch wenn man Charly unnötigerweise als Prostituierte eingeführt habe. Was seine Recherchen betrifft, etwa zum New York der 1930er Jahre, gab er an, sich dabei an Fotos, Fachliteratur und (Tages)Zeitungen orientiert zu haben. Wobei gerade Letztere einen besonders guten Einblick in die jeweilige Zeit verschaffen würden, wie er betonte, auch durch die dort abgedruckten Anzeigen. Auf seine Pläne angesprochen, sagte er, dass es noch einen letzten richtigen Rath-Roman geben werde. Dieser werde 1938 spielen und die Ereignisse der November-Pogrome zum Inhalt haben. »Mal sehen, wer überlebt«. An einer Fortsetzung sei er schon deswegen nicht interessiert, weil ab dann die Katastrophe perfekt sei, totaler Ausnahmezustand herrsche und ihm Kriegsromane »zu pervers« erscheinen.

Abschließend verwies er noch auf Erich Kästner, der ihn sehr inspiriert habe, und legte den Zuhörern den TV-Film »Kästner und der kleine Dienstag« ans Herz. Ende einer rundum gelungenen, sehr aufschlussreichen Lesung, die ihre Wirkung auch darin zeigte, dass die Zuhörer danach Schlange standen, um sich ein im Foyer erworbenes Exemplar von dem sehr sympathischen Autor signieren zu lassen.

Wolfgang Schweiger

Volker Kutscher: »Transatlantik«. Piper Verlag, München. 592 Seiten

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