Weder wollen sie sich verabschieden noch ihre Heimat verleugnen. Aber »Servus, i steh zu meine bayerischen Wurzeln« klingt halt lang net so knackig und reimt sich auch nicht so schön. Und der Programmtitel ist selbstverständlich als Frontalangriff und Kampfansage an die Schein-Heile-Welt zu verstehen, in der eine Riesenmaschinerie die bereitwillig aufgeklappten Geldbörsen mit allem möglichen sinnfreien Gedudel ausräumt.
Stilistisch kennen die erfahrenen Berufsmusiker Erich Kogler (Kontrabass, Steirische Harmonika, Gesang & Trompete – auch im Einsatz bei Roland Hefters Isarrider, Saitentanz, dem Stimmungsbüro Kreitmeier und Ensemble-Mitglied bei den Münchner Symphonikern) und Wolfgang Hierl (Gitarren, Flöte & Gesang – ebenfalls Isarrider und Stimmungsbüro Kreitmeier-Mitglied) und ihr kabarettistisch erfahrener Leadsänger und -erzähler Tobias Öller (der seine herrlich hinterkünftigen Texte nicht nur für sich selber, sondern auch für Christine Eixenberger und Franziska Wanninger die Feder schwingt) keine Scheu.
Der klassische Tango muss ebenso dran glauben wie Jazz, Rock- und Popmusik und auch vor dem Bauchtanz-Rodeo macht das Trio nicht halt. Musikalisch nichts unbedingt weltbewegend Neues, aber der eigentlich geniale Pfeffer in der Feinschmecker-Sauce ist in dem Fall nicht der Ton, sondern das übermächtige Wort, das bisweilen scharf wie ein Fleischermesser brandaktuelle kritische Themen und Sachverhalte seziert.
Die allgegenwärtige Geiz-ist-geil-Mentalität, die nicht nur zu Schlachten im Bekleidungs- und Lebensmittelbereich, sondern auch das älteste Gewerbe der Welt in den allgemeinen Konkurrenzkampf stürzt. »Rheingold« ist eine bitterböse Sage über ein Steuerflüchtlingslager in ein (Steuer)Paradies unter wohlgeordneter Betreuung sozialer Einrichtungen. Der »Bluad-Wurscht-Tango« sticht das Metzgermesser in die Wunde der Überheblichkeit und Intoleranz. Da mutet das Ayurveda-Bier aus dem Aura-Bräu und die Anleitung zum ganzheitlichen Herzinfarkt fast schon harmlos an. Hänsel und Gretel bringen die arme alte Hexe beinahe um den Verstand, als sie sie über die baurechtlichen Mängel ihres Hexenhäuschens aufklären und das beschauliche Pappenzell wird zum Objekt eines multikulturellen, sozialpolitischen Forschungsauftrages. Unter anderem in Sachen kulturübergreifender Alltags- und Freizeitgestaltung mit orientalischem Hintergrund.
Selbstverständlich muss, um dem Motto gerecht zu werden, auch über Liebe und andere Beziehungsprobleme »a weng was ge-sing-sagt« werden. Die Sache mit der Aufklärung – Blümchen und Bienchen auf der einen und »50 Shades Of Grey« auf der anderen Seite – sollte halt auch mal geklärt werden. Und die Moral von der Geschichte des armen schüchternen Lenzi, der alles für seine jeweils große Liebe tut und trotzdem immer leer ausgeht. Aber auch der Fensterlkönig müht sich redlich ab und die tragische Liebesgeschichte der Ballkönigin ist eines echten Tangos würdig. Die Krönung des Herz-Geschichten-Reigens jedoch ist der »Groupie-Opus«, in dem Tobi Öller alle Politikerinnen pseudo-verehrerisch sauber durch den Kakao schleift und Wolfi Hierl und Erich Kogler sämtliche Register ihres instrumentaltechnischen Könnens ziehen und die Sache vom anfänglichen Schmachfetzen in einen sauberen, fetten Rocksong mit elektro-gitarristischer Breitseite und mächtigem Background-Chor verwandeln.
»Ciao Weiß-Blau« sind ebenso lustig, fröhlich und unbeschwert wie ungeniert direkt, frech, und gelegentlich auch bitterböse und herrlich politisch unkorrekt mit allem was sie sagen und singen. Querdenker, Berufsnörgler und Fehlerzustandsaufdecker wie Gerhard Polt und die Biermösl Blosn hätten sicherlich ihre helle Freude an der Fortführung ihrer Tradition der satirisch-kritischen Weltbetrachtung. Maria Ortner