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In den »Elegien des Wassers« setzt sich Sophia Kirst künstlerisch mit verschiedenen Schöpfungsprozessen des Lebenselements Wasser auseinander. (Foto: Effner)

Geheimnisvolle Schöpfungsprozesse des Wassers

In mehreren gutbesuchten Ausstellungen im Südosten Bayerns hat sich die gebürtige Münchnerin Sophia Kirst im letzten Jahr mit den schöpferischen und existentiellen Fragen des Elements Wasser auseinandergesetzt. Welche zentrale Bedeutung dieser sowohl lebensspendende wie zerstörerische Stoff hat, machen Berichte über Starkregen und Flutkatastrophen, aber auch Dürren, Waldbrände und versiegende Brunnen deutlich.

Unter dem Titel »Salzach Elegien« erforschte Kirst im vergangenen Jahr Ursprung und innere Dynamik des Flusses Salzach als »Lebensader des salzburgisch-südostbayerischen Raums«. Die in Siegsdorf gezeigten »Elegien des Wassers« erweiterten als Werkzyklus zusammen mit der Installation »Audhumbla« in Bernau den thematischen Kreis um grundsätzliche Fragen schöpferischer und mythologischer Prozesse im Zusammenhang mit dem Quell des Lebens. Frühere und aktuelle »Elegien des Wassers« stehen auch im Mittelpunkt von Kirsts aktueller Ausstellung »Kybametrum« in der Galerie Marah ART in Bernau. Sie ist noch bis 27. Juli zu sehen.

Sophia Kirst erweitert hier ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Element Wasser und dessen unterschiedlichen Zustandsformen nochmals um Fragen des sozialen und geistigen Wirkungsspektrums. Ganz im Sinne von Wassily Kandinskys Aufsatz »Über das Geistige in der Kunst«. In der Galerie kann man die inspirierende Gestaltwerdung ihrer Kunst auf Papier studieren. Mit Tusche und Pigmenten versetzt, entwickelt der Grundstoff allen Lebens auf dem Bildträger ein prozesshaftes Eigenleben, dessen Farben- und Formenreichtum faszinieren.

Auf eine ganz neue Ebene der Kunst begibt sich die 36-Jährige Wahl-Chiemgauerin, die inzwischen in den Niederlanden lebt, mit ihrer Installation im alten Wasserturm von Bernau. Wie ein Wach- oder Aussichtsturm ragt das Bauwerk von 1954 auf einer Anhöhe über dem Ort auf. Ein erhebender Panoramaweitblick auf den Chiemsee und die Chiemgauer Alpenkette öffnet Herz und Seele. Derart vorbereitet erwartet den Besucher ein ungewöhnlicher Kunstgenuss.

Über eine Treppe und einen kleinen Vorraum gelangt der Besucher in ein Reich der Dunkelheit, das von zwei gewaltigen leeren unterirdischen Wasserspeichern gebildet wird. Echos der Stimme verstärken den Eindruck, dass die Realität sich hier mehr und mehr aufzulösen scheint. Gebannt zieht ein flirrendes, unwirkliches Gebilde in der Finsternis die Aufmerksamkeit auf sich. Man erkennt Farbformen in Bewegung, die im Rhythmus pulsieren, sich drehen und immer wieder neue Formen bilden. Sie erscheinen greifbar und doch nicht »be-greifbar«. Dazu ertönt eine Musik wie aus einer überirdischen Sphäre. Man könnte den Eindruck gewinnen, hier wie in einem Inkubator den Entstehungsprozessen des Lebens selbst beizuwohnen.

Sophia Kirst sieht in dieser Art von »Kybametrum« ein Sinnbild für Übergangsformen des Wassers in den gasförmigen Zustand. Als Assoziation diente ihr dabei das der Geheimwissenschaft zugeschriebene Werk »Kybalion« von 1908. Es setzt sich mit den hermetischen Gesetzen von Geistigkeit, Analogie, Schwingung, Polarität, Rhythmus, Ursache und Wirkung sowie Geschlecht auseinander.

Bis das Werk so präsentiert werden konnte, waren allerdings eine Vielzahl von Hindernissen aus dem Weg zu räumen und Gespräche zu führen. In intensiver Auseinandersetzung mit Softwareprogrammen und der Kooperation mit befreundeten Künstlern gelang es Kirst, eine Arbeit aus den »Elegien des Wassers« als digitale 3-D-Skulptur mit der Möglichkeit zur Projektion umzusetzen. Die tatkräftige Unterstützung von Bernaus Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber, zahlreichen Helfern aus der Gemeinde sowie Kletter-Know-how ermöglichten schließlich die Realisierung im Wasserturm.

Die starke Einbindung der Gemeinde, von Gästeführungen und Schulklassen im Zusammenhang mit dem Kunstprojekt und der Thematisierung der Bedeutung von Wasser greift dabei Elemente der »sozialen Plastik« im Sinne von Joseph Beuys auf. Dessen Projekt »7000 Eichen« stand immerhin Pate für die 2021 in Bernau gepflanzte »Beuys-Eiche«.

Die Ausstellung ist Dienstag, Donnerstag und Freitag von 14 bis 18 Uhr sowie am Donnerstag von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Am 22. Juli gibt es um 16.30 Uhr eine Führung durch die Ausstellung mit anschließender Wanderung zum Wasserturm mit Besichtigung der Installation. Am 23. Juli ist für 11 Uhr eine Matinee mit der Künstlerin vorgesehen.

Axel Effner

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