Sich von alten Gewohnheiten zu verabschieden, ist oft schwierig. Auf die Frage, wie denn nun Kunst unter den neuen »coronalen Gegebenheiten« gelebt werden kann (maskierte Zuhörer ebenso im Mindestabstand wie die Musiker auf der Bühne) darauf gab es beim ersten Konzert seit Corona im Kultur- und Bildungszentrum Kloster Seeon eine deutliche Antwort: Riesenapplaus. Applaus für die jungen Instrumentalisten – die »Munich Classical Players«, Applaus für die 60 Besucher (mehr durften nicht in den Saal) und Applaus für den Veranstalter, der in enger Kooperation mit dem »musica-forum München« unter immer noch widrigen Umständen dieses erste Konzert nach der langen Pause organisiert hatte.
Es war wahrlich kein Pappenstiel, was da alle Beteiligten auf sich nahmen, aber aller Mühen wert. Die anfängliche »Beklemmung« im Festsaal, die noch zu Beginn des Konzerts mit den Munich Classical Players zu spüren war, kehrte sich schnell ins Gegenteil. Mit dem erlaubten Herunternehmen der Masken auf Sitzplätzen und Bühne, schien sich jegliche Verkrampfung zu lösen.
Das Erklingen der ersten Takte von Mozarts Kompositionen ließ auch innerlich die letzten Barrieren schwinden: Da war es wieder, dieses Gefühl, dass gelebte Musik und lebendige Kunst verbinden. Gerade in diesen Zeiten. Nach langen Wochen der Stille wirkte Musik wie eine Befreiung oder eine friedlich-virtuose Klang-Revolution. Drei ausgewählte Werke von Mozart – Das Klarinettenquintett in A-Dur KV 581, das Divertimento KV 136 und die Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur (»Eine kleine Nachtmusik«) als hoch effiziente Anti-Corona-Pillen.
Verabreicht wurde die musikalische Medizin von einem Kammerorchester, bestehend aus neun angehenden Profimusikern bayerischer Musikhochschulen und ihrem Dirigenten Maximilian Leinekugel. Anfang 2016 von Leinekugel gegründet, haben es sich die aus unterschiedlichen Nationen dreier Kontinente stammenden Musiker zum Ziel gesetzt, junge Menschen für klassische Musik zu begeistern. Dass im Festsaal aber eher die ältere Generation ihre Lust nach Klassik befriedigte, tangierte in keinem Moment: Denn es funkte, es passte und es begeisterte – das Alter wird oft überbewertet.
Es wehten Begeisterungsstürme durch den Saal – Musizierfreude traf auf entwöhnte Ohren, erzielte dort entsprechend euphorische Reaktionen, die als kraftvoller Return zur Bühne zurückgespielt wurden. Manchmal fiel es gar nicht leicht, die Ruhe zwischen den Sätzen zu bewahren, nicht zu klatschen, was schließlich dazu führte, dass die hingerissenen Zuhörer gar den verdienten Applaus nach dem Divertimento verpennten.
Doch die »Kleine Nachtmusik« kennt der Klassikfreund durch und durch, sodass der jubelnde Applaus fast mit dem letzten Takt losbrach. Es war kaum zu glauben, dass bei diesem kräftigen Schlussapplaus der Saal »halb leer« war. Deshalb kredenzten die Munich Classical Players als Zugabe noch einmal den ersten Satz der Serenade Nr. 13 und machten mit hoher Virtuosität und dem großartigen Dirigat von Maximilian Leinekugel die Kleine zur »Großen Nachtmusik«. Kirsten Benekam