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Musikalische Höhenflüge präsentierte das »Christian Elsässer Jazz Orchestra« mit Veronika Zunhammer. (Foto: Benekam)

Experimentell, originell, sensationell

Das war schon eine echte Belastungsprobe für das fast zu klein wirkende k1-Studio in Traunreut: Bei den mitreißenden Jazz-Kompositionen des »Christian Elsässer Jazz Orchestras« bebten nicht nur die Trommelfelle der Big-Band-Jazz-Fans, da vibrierte gleich das gesamte Studio. Stühle samt Zuhörern, der Holzboden der Podeste, auf denen die Stühle standen, bis hin zu den Wänden, deren Putz wohl an Festigkeit verloren haben dürfte – so sehr brachte die 19-köpfige Big Band den Raum zum Kochen.


Wenn auch der Sound förmlich nach einem größeren Raum schrie, so hatte die Intimität des kleinen, voll besetzten Studios doch einen besonderen Reiz. Das »Christian Elsässer Orchestra« mit der gebürtigen Traunreuter Gesangs-Solistin Veronika Zunhammer – das hat sich offenbar herumgesprochen – ist Garant für umwerfende Klangkraft mit federnder Dynamik.

Gelungene Co-Produktionen mit Veronika Zunhammer

Das »Christian Elsässer Jazz Orchestra« zeichnen neben den virtuosen Solisten an Schlagzeug, E-Gitarre, Piano, Kontrabass, Trompeten, Posaunen, Klarinetten und Saxofonen sicherlich die variationsreichen und an rhythmischer Vielfalt kaum zu toppenden Eigenkompositionen des jungen Christian Elsässer aus. Ganz besonders gelungen sind auch die sich gegenseitig beflügelnden Co-Produktionen mit Veronika Zunhammer. Die in München lebende, studierte Jazz-Sängerin liefert zu Elsässers Kompositionen gleich zweierlei: Die perfekt dazu passende oktavenreiche Jazz-Singstimme – unbestritten eine der schönsten Klangfarben im Gesamtklang des Orchesters – und die zum musikalischen Thema passenden Texte.

Wie gut diese Zusammenarbeit fruchtet und blüht, war in »Serena's Journey« und in »Just the Stars« zu hören. Beide Nummern gefielen mit romantisch-melancholischen Ausflügen sowie kontrast- und energiereichen Passagen: ein Auf und Ab, mal harmonisch und mal schräg aber vor allem immer spannungsgeladen.

Mit der Nummer »After the Rain«, so erklärte Elsässer, führte er vor Ort zu Ende, was er vor einem Jahr im k1 begonnen hatte. Wer vor einem Jahr dabei war, erkannte den Anfang der Komposition, die damals noch nicht fertig war: Regentropfen in musikalischen Gesten nachempfunden. Kleine Tröpfchen, große Tropfen, schnell fallend und dann langsam und nur vereinzelt mit hörbarer Verzögerung. Sprühregen. Regenpause. Da war akustisch alles dabei, was Regen ausmacht und was man stimmlich und am Blech klanglich nachzeichnen kann: experimentell, originell, sensationell.

Genial gelang der Big Band auch die aktuelle Komposition Elsässers: »Mirror« – eine Art »Suite in 7 Parts« –, so erklärte Elsässer, sei der Versuch einer Rückführung zur Tanzmusik, die ursprünglich auch Ausrichtung der Musik der Big Bands war. Lediglich der Platzmangel im k1-Studio stand dem von ihr in den Zuhörern ausgelösten Bewegungsdrang im Weg. Die wilden, afrikanisch inspirierten Groove-Rhythmen hatten es in sich: Atemberaubende Posaunen- und Saxofonsoli wurden im finalen Teil der Komposition schließlich von Zunhammers samtweicher Singstimme runtergedimmt und klangen beruhigend in einer Art Hymne (Part 7) melodisch aus.

Im zweiten Konzertteil bekamen die vom Groove infizierten Zuhörer dann auch noch den Part 4 von »Mirror« zu hören, in dem zwei Soli an Trompete und Basssaxofon herausragende Klangfeuerwerke darstellten. Immer wieder bedankten sich die k1-Gäste mit überschwänglichem Zwischenapplaus für den pulsierenden Klang und die ansteckende Spielfreude.

Regenerative Rhythmen beruhigen den Hörnerv

Zwischen den wilden Ritten durch den temporeichen und fetzigen Big-Band-Jazz gönnte das »Elsässer Jazz Orchestra«, wie sich bei »Close Enough For Love« zeigte, seinen Zuhörern immer wieder regenerative, den Hörnerv beruhigende Rhythmen. Ebenso beruhigend und zum Dahinschmachten schön verwöhnte Zunhammers Stimme in dem Arrangement »A Liab brennt oft heaßa«: Besonders charmant klang ihre honig-sanfte Stimmfarbe, die über den jazzigen Instrumentalstimmen zu schweben schien, im bayerischen Dialekt.

Einer der Höhepunkte im k1-Studio war die Komposition »Rise & Arrive«. Elsässer holte sich seine Inspiration aus dem Thema Fliegen und lotete in genialer Weise alle Qualitäten des luftigen, entfesselten Zustandes aus: Leise Klavierakkorde vermittelten dem Zuhörer schwebende Leichtigkeit und erzählten von der Freiheit über den Wolken. Das einsetzende Schlagzeug schien mit seinen Rhythmen den Segelflug zu stützen, gab dann schwunghaftes Tempo und Höhe. Das Einsetzen der Bläser schien den Flug auf Kurs zu halten, Zunhammers Stimme geschmeidig mitzugleiten.

Wenn Musik in den Zuhörern solche Bilder auslösen kann, dann muss sie gut sein. Die k1-Gäste bekamen nach stürmischem Applaus noch einen verjazzten Höhenflug, »With a Song«, mit auf den Heimweg. Kirsten Benekam

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