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Thomas Hartmann und Corinna Metz trugen die Sonate in g-Moll vor. (Foto: E. Kaiser)

Empfindsamkeit und »Sturm und Drang«

Wohlüberlegte Themenkonzerte zu interessanten und bedeutenden Anlässen, verbunden mit einer charmant-informativen Moderation, sind seit langem das Markenzeichen vom ensemble Amphion München-Wien. Es wurde 1995 von Alexander Krins ins Leben gerufen und hat seit 2010 eine feste Heimat im Studio des Traunreuter k1, hat sich dort ein treues Stammpublikum gewonnen.


Das erste Konzert der diesjährigen Veranstaltungsreihe widmete das Ensemble dem zweitältesten Sohn des Thomaskantors Johann Sebastian Bach, dem musikalischen Leitstern zwischen dem Barock und der Wiener Klassik, Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788). Dieser berühmteste und einflussreichste der Bach-Söhne galt Haydn, Mozart und Beethoven als Vorbild und war zu seiner Zeit viel bekannter als sein Vater, der da schon als »altmodisch« galt. Acht Tage nach dem 300. Geburtstag des Meisters bot das ensemble Amphion im k1 einen aufschlussreichen Überblick über dessen Erfindungsreichtum, wobei der erste Konzertteil Werke anbot, die für die Öffentlichkeit gedacht waren. Nach der Pause ging es um »private« Stücke, die Carl Philipp Emanuel »für sich selbst« geschrieben hat.

Am Anfang stand die publikumswirksame Sonate g-Moll Wq 88 für Viola da gamba und konzertierendes Cembalo (1759). Corinna Metz (Gambe) und Thomas Hartmann widmeten sich hingegeben der sehr artifiziellen Verarbeitung der Themen im 1. Satz, dem Larghetto in ruhig-elegischer Grundhaltung und den atemberaubenden Läufen und Figuren des Schlusssatzes (Allegro assai) zu einem drängend-pochenden Grundmotiv – mit überlegener Übersicht faszinierend gemeistert. Beim Rondo D-Dur Wq 56,3 für Clavier aus der Sammlung »für Kenner und Liebhaber« (1780) spielte Thomas Hartmann sein selbst zusammengebautes Clavichord, ein transportables Tasteninstrument, wie es auch Mozart auf seinen weiten Fahrten mit sich führte, auch ein Instrument für intime Hausmusik der damaligen Zeit. Man kann zu Recht sagen, es sei »zart besaitet«; seine rührend emsigen Arpeggien waren auf jeden Fall ein neues Hörerlebnis.

Die Sonata c-Moll Wq 161,1 (1751) charakterisierte mit zwei Violinen (Felicia Graf und Alexander Krins) und Basso continuo (Thomas Hartmann, Cembalo, und Corinna Metz, Violoncello) auf köstliche Weise die Temperamentgegensätze »Sanguineus und Melancholicus«. Im 1. Satz stellten sich die Charaktere vor, irritierten sich dabei auf witzige Art. Der Melancholicus versuchte gar, sich anzupassen und mitzumachen vergeblich. Im Adagio spielte er dann seine Stimmung in einer wundervollen Kantilene aus; der Sanguineus umrahmte diese auf seine eigene oberflächliche Art. Im Schluss-Allegro passten sich die Charaktere allmählich an: der Melancholicus verlor etwas von seiner Eigenbrötelei, der Sanguineus wurde etwas ernsthafter. So kamen sie schließlich ganz gut miteinander aus – die Musik zeigte es deutlich in Terzen, Sexten und Imitationen.

»Merkwürdig« im strikten Wortsinn, fast wie »für Klavier und begleitenden Violine« komponiert, erklang die Fantasie fis-Moll Wq 80 (1787), die ein Selbstbekenntnis des Komponisten unter dem Titel »C. Ph. E. Bachs Empfindungen« vermittelte. In drei ineinander gehenden Sätzen stellten Alexander Krins und Thomas Hartmann (diesmal am Flügel) das Motto des Abends »Empfindsamkeit und Sturm und Drang« frappierend dar, legten Gefühle von neckischer Fröhlichkeit bis zu trotziger Entschlossenheit bloß, bis sich zum Ende doch ein mildes Sich-Fügen ergab.

Wie diese Fantasie hat der Komponist auch das Konzert d-Moll Wq 23 (1748) für Clavier und Streicher (zum Ensemble gesellten sich noch Anna-Lena Mayer, Violine; Johanna Wallner, Viola; Tanja Erler, Kontrabass) nie veröffentlicht. Dieses Werk in der magischen Tonart, der dann auch Mozart und Beethoven verfallen waren, wurde durch einen unaufgeregt-engagierten Solisten, der allen Feinheiten und Nuancen des Notentextes intelligent und begeistert nachging, und ein begeisternd aufspielendes Streicherensemble zu einem starken Erlebnis.

Eine der ganz großen Fähigkeiten des Alexander Krins ist es eben, junge Musiker zu einer Einheit zu verschmelzen, die mitreißt. So wurden das selbstbewusste Allegro, das nachdenklich-eingefühlte poco Andante und das Allegro assai, das sich fordernd und zupackend aus einem lapidaren Grundmotiv heraus entwickelte, zu einem großen Gesamterlebnis. Engelbert Kaiser

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