Der Klavierabend des berühmten türkischen Pianisten stand am Ende einer (ereignis)reichen, kammermusikalischen Woche – und nach zwei Kinofilmen und sieben Konzerten manifestierte sich der Eindruck: Diese 33. Ausgabe der Konzertreihe war musikalisch abwechslungsreich, spannend und wertvoll.
Dass die Konzerte versprachen, alles andere als langweilig zu werden, dafür sorgte nicht nur der gewohnt hohe Standard der international agierenden Künstler, sondern auch die Wahl des diesjährigen Porträtkomponisten: Wolfgang Rihm (*1952), derzeit wohl bekanntester deutscher Komponist Neuer Musik, wurde dem Traunsteiner Publikum in Werken verschiedenster Gattung und Besetzung vorgestellt. Ob Klaviertrio oder Streichquartett, Klarinettenquintett oder Lied: In jedem einzelnen seiner Werke verfolgt Rihm den Anspruch, Neues und Einzigartiges, Unverwechselbares zu schaffen.
Eine besondere Attraktion bot sich dem Publikum in der Anwesenheit des Komponisten bei den Konzerten V und VI – und allein bei seiner Präsenz beließ er es nicht: Leutselig, charmant und prächtig gelaunt gab er in einführenden Worten gut nachvollziehbare Einblicke in seine Schaffensweise. Gekonnt wusste er die aufmerksam lauschende Hörerschaft auf seine Seite zu ziehen, indem er ihr eine »Könnerschaft und Fachkenntnis« unterstellte, die ihm »hier gleich aufgefallen« sei. Erklären aber wolle er seine Werke nicht, denn, so Rihm, die Musik spreche aus sich selbst und rufe in jedem ganz individuelle Impressionen hervor.
Den Anwesenden nahm er damit im Nu Berührungsängste mit seiner Musik, die, gleichwohl das Traunsteiner Publikum der Neuen Musik – auch dank der »Aufklärungsarbeit« der Sommerkonzerte – zumindest neugierig gegenüber steht, dennoch herausfordert und verstanden werden will. Und so fielen auch die Meinungen der Hörer so bunt wie die Werke selbst aus: Von einer faszinierenden Energie, die etwa sein frühes Streichquartett (1976, Konzert VI) entfalte, sprachen die einen, von wahllos zusammengewürfelten Tonkonstrukten in den »Fremden Szenen III« für Klaviertrio (1983, Konzert III) die anderen. Ob begeisterter Jubel oder scharfe Kritik – Rihms Schaffen, das viel mehr will als einfach nur schön sein, erzeugt lebendigen Diskurs und lädt ein zum Reden über Musik.
Neben der intensiven Organisation und einem klug zusammengestellten Programm waren es – als ein dauerhaftes Charakteristikum dieser Konzertreihe – die hervorragenden Künstler, welche die Musik zu einem Erlebnis werden ließen. Neben jenen, die Traunstein schon seit Jahren, Jahrzehnten immer wieder die Ehre geben, rückten auch unbekanntere Gesichter in den Blick der Zuhörer: Die jungen Musiker Maximilian Hornung (Vc), der vor sechs Jahren schon einmal in Traunstein auf der Bühne stand, und Nicholas Rimmer (Kl) eröffneten die Konzertreihe mit einem Programm, das die Zuhörer mit Beethovens Cellosonate op. 69 aus der Welt der Wiener Klassik bis hin zu Wolfgang Rihms kaleidoskopisch schimmernder Komposition »Von weit« (1993) ins Hier und Jetzt entführte.
Unter den Traunsteiner Newcomern konnte besonders das »Signum Saxophone Quartet« begeistern. Während sein Auftritt bei dem einen oder anderen im Vorfeld Bedenken hervorgerufen haben mag, faszinierte es letztendlich durch eine schier unerschöpfliche Klangvielfalt, die jeden der Anwesenden in ihren Bannkreis zog.
Auf der anderen Seite waren es die »alten Bekannten«, das »Quatuor Danel«, das »Auryn Quartett« sowie das »Morgenstern-Trio«, deren Namen für erstklassige Interpretationen stehen und die die hohen Erwartungen auch in diesem Jahr mehr als erfüllten. Zum »Quatour Danel« gesellte sich Pascal Moragùes an der Klarinette – kurzfristig für Jörg Widmann eingesprungen, präsentierte sich dieser Künstler keinesfalls nur als ein bloßer Ersatz, sondern überzeugte als feinsinniger Gestalter und Kammermusikpartner.
Als Solisten traten unter anderem die langjährigen Gäste Wenn-Sin Yang (Vc) und Fazil Say (Kl) auf. Der Vortrag von vier Mozart-Sonaten des Letztgenannten polarisierte das Publikum; einig waren sich allerdings alle Seiten darin, noch nie eine so eigenwillige wie energetische Interpretation dieser Musik gehört zu haben. Gerade solche künstlerisch unangepassten Darbietungen sind es, welche die Klosterkirche jedes Jahr aufs Neue zu einem Forum für lebendigen Dialog über Musik werden lassen.
Nicht zuletzt den zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern ist es auch in diesem Jahr gelungen, einen professionellen und reibungslosen Ablauf zu koordinieren und den Traunsteiner Sommerkonzerten 2014 ein unverwechselbares Profil zu verleihen. Johanna Steiner