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Mit Geschichten und viel Musik zeigte Miroslav Nemec im Traunreuter k1 auch die anderen Seiten des bekannten TV-Kommissars. (Foto: Heel)

Ein vielseitiger Künstler in Bestform

Einen ungemein kurzweiligen Abend haben die zahlreichen Besucher erlebt, die zur Lesung des Schauspielers Miroslav Nemec in den Saal des Traunreuter k1 gekommen waren. Doch bevor der beliebte TV-Kommissar die Bühne übernahm, ergriff Anke Hellmann, die Leiterin des k1, das Wort und stellte das neue Literaturfest »Leseglück« vor, dessen Ziel es sei, anhand von 30 Veranstaltungen »Literatur in die Fläche zu bringen«, grenzenlos und genreübergreifend.


Letzteres stellte Nemec sogleich unter Beweis, als er zum Auftakt seines Programms »Miroslav Jugoslav – Der Nemec hinter dem Batic« das Publikum mit einer Vertonung des Erich-Kästner-Gedichts »Sachliche Romanze« überraschte. Ähnlich spannend ging es weiter, wobei der 1954 in Zagreb geborene Schauspieler eine Schwäche für Sprüche, Witze und Anekdoten offenbarte, die er lebhaft und gut gelaunt zum Besten gab – vielleicht zwangsläufig: aufgewachsen im autoritär geführten Jugoslawien unter Staatspräsident Marschall Tito, wo vieles nur mit (Galgen)Humor zu ertragen war und der politische Witz Hochkonjunktur hatte. Wie zum Beispiel die Frage eines Parteigenossen an einen Zigeuner, warum er bei der letzten Sitzung nicht dabei gewesen sei? »Ach«, erwidert der Mann, »wenn ich gewusst hätte, dass es die letzte ist, wäre ich bestimmt gekommen.«

Zu seinen eindringlichsten Schilderungen aus dieser Zeit zählten dabei die Wohnverhältnisse in Zagreb, wo die Familie in einer Garconnière untergebracht war. Ein Begriff für Einzimmerwohnung, der aus dem Französischen stammt und vor allem in Österreich noch gebräuchlich ist. Eine Küche gab es nicht, dafür ein Badezimmer, das als Allzweckraum diente, mit einem Brett auf der Badewanne als Küchenzeile. Gegenüber stand der Esstisch, sodass »ich als Kind auf dem Klo saß, während mein Vater aß«, erinnert sich Nemec. »Das Fenster blieb zum Lüften offen – auch im Winter. Es war arschkalt.« Zum Duschen ging es samstags in eine öffentliche Badeanstalt.

Insofern war es ein Glücksfall, dass ihn seine Eltern im Alter von zwölf Jahren zu Verwandten nach Freilassing schickten, »damit er's mal besser habe«. Hier bekam Nemec auch den Spitznamen »Miroslav Jugoslav« und zitterte später am Traunsteiner Gymnasium, wenn eine bestimmte Lehrerin die Schüler mit zackiger Stimme aufforderte: »nehmet's Platz« oder »nehmet's die Hefte raus.«

Wenn er nicht erzählte, rezitierte oder Passagen aus seiner Biografie vorlas, griff Miroslav Nemec zur Gitarre oder setzte sich ans Klavier. Denn was weniger bekannt ist: Seine erste Liebe galt der Musik. Ein Faktor, der ihn bereits mit 15 Jahren eine Rockband gründen ließ, in der er noch heute aktiv ist und die ihn schließlich ans Salzburger Mozarteum führte, wo er einen Abschluss als Fachlehrer für Musik machte.

Dass er Schauspieler geworden ist, verdankt Miroslav Nemec hingegen einer Freundin, die in Zürich ein Engagement hatte und ihn dazu brachte, sich »aus einer Laune heraus« für die Aufnahmeprüfung an der dortigen Schauspielakademie anzumelden. Mit Erfolg und dem Segen seiner Mutter: »Ja, Miro, mach das. Dein Vater hat auch immer wenig Geld verdient.«

Die Musik spielt auch heute noch eine große Rolle in seinem Leben: Miroslav Nemec begeisterte die Zuschauer zwischendurch mit Vertonungen von H. C. Artmann oder Ernst Jandl, entführte sie mit kroatischen Volksweisen mal deftig und mal romantisch in die Seele seiner Vorfahren, oder hämmerte den Rockklassiker »Locomotive Breath« virtuos in die Tasten.

Ein Genuss, dem er als Zugabe noch das herrlich schräge »Schnucki, ach Schnucki« von André Heller draufsetzte. Kurzum, ein rundum gelungener Abend, der den TV-Kommissar von seinen vielen Seiten zeigte.

Wolfgang Schweiger

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