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Michael Felsenstein und Judith Pfistner bedanken sich für den stürmischen Applaus. (Foto: Heel)

Ein poetischer Blick auf die Stationen des Lebens

Ein ungemein stimmungsvolles Bühnenprogramm präsentierten Michael Felsenstein (Klavier/Gesang), unter anderem bekannt als langjähriger Leiter des Chiemgau Chors, und die renommierte Schauspielerin Judith Pfistner (Moderation/Rezitation) bei ihrem Matinee-Auftritt in der vollbesetzten Traunsteiner Kulturfabrik NUTS. Geboten wurde eine Liederreise, mit von Felsenstein brillant vertonten Texten von Hermann Hesse, Wolfgang Borchert, Erich Fried, Birgit Jäger, Ralf Hoppe und Rainer Lempke, von Judith Pfistner moderiert und ergänzt mit Gedichten, Parabeln und Gedanken.


Den Auftakt bildeten die Lieder »Am Morgen«, »Drei Monde« und »In meinem Kinderwald« (Texte: Ralf Hoppe), von Felsenstein derart packend interpretiert, dass man sich vertrauensvoll auf diese Reise begab. Drei Lieder, die zum Ausdruck brachten, dass Kinder unser Glück, unsere Zukunft und ein Stück Unsterblichkeit bedeuten. Von Pfistner einfühlsam verknüpft mit der Parabel »Auferstehung«, einem so vergnüglichen wie tiefsinnigen Blick in den Mutterleib, wo Zwillinge darüber debattieren, was sie wohl erwartet. Müssen sie für immer hierbleiben? Ist die Geburt ihr Ende? Oder gibt es doch ein Leben außerhalb? Ein Leben, in dem wir versuchen sollten, ein Freund von Freiheit und Unsicherheit zu sein, wie Pfistner anhand der Parabel »How to be an artist« (nicht von Beuys) weiter ausführte, ergänzt von Felsenstein mit dem Lied »Versuche es« (gut zu sein), nach einem Text von Wolfgang Borchert

Es folgten Gedanken über das Essen, von der Not, die unsere Vorfahren diesbezüglich erleiden mussten, von Pfistner mit dem »Hungergedicht« von Georg Werth (1821 bis1856) illustriert und mit dem Lied »Kleiner Gesang für den Reis« (Text: Ralf Hoppe) von Felsenstein treffend weitergesponnen. Denn Lust auf Leben empfindet nur, wer satt ist.

Mit ihren Anmerkungen zum Glück der großen Liebe, bei der Zweifel nur von außen kommen, verschränkt mit den Gedichten »Die Lieb« (Johann Wolfgang von Goethe) und »Was es ist« (Erich Fried) nahm Pfistner anschließend vorweg, was Felsenstein dann mit dem Lied »Ich bin die Liebe« (Text: Birgit Jäger) mit emotionaler Wucht auf den Punkt brachte. Nach Gedanken über Gott, die Liebe und die Frauen, ausgeschmückt mit dem Gedicht »Lass uns ineinander sinken« von Jeanette Sena Mühlmann, ging es über zu dem Lied »Willst du?« (mich heiraten; Text: Birgit Jäger) und einer Liebeserklärung an den Inbegriff von Liebe, »An meine Mutter« (Text: Ralf Hoppe).

Nach Hermann Hesse war der Text des Liedes »Leben« gestaltet, mit dem Felsenstein dazu aufrief, im Leben alles mit Bedacht, Hingabe und Gelassenheit anzugehen, »denn die Wege sind weit ...«, von Pfistner mit einer Parabel über das Leben als gefährdete Insel der Gefühle komplettiert.

Mit »Nur ein Lied« (Text: Rainer Lempke), eingeleitet von Pfistner mit Überlegungen zur Flut schlechter Nachrichten, die uns den Blick auf die Schönheiten der Welt trüben, ging es nach der Pause dann weiter. Gefolgt von einem von Christine Felsenstein getexteten Lied über den Wert von Heimat bzw. das Recht eines jeden Menschen auf Heimat, von Felsenstein auf Hebräisch gesungen.

Als vorletztes Lied, wieder nach einem Text von Hermann Hesse, trug Felsenstein »Welkes Blatt« vor, ein Stück über die Vergänglichkeit allen Seins, von Pfistner bekräftigt mit »Letzte Hoffnung«, einem Gedicht aus dem Zyklus »Winterreise« von Wilhelm Müller, und Weisheiten von Häuptling Seattle 1855. Abschließend beschäftigten sich Felsenstein und Pfistner noch mit der Frage: Was tun, wenn heute der letzte Tag deines Lebens wäre? Vielleicht nochmal baden gehen, so wie in dem Lied »Der letzte Badetag« (Text: Ralf Hoppe)?

Mit einem Dank an Mutter Erde beschloss Pfistner dieses einzigartige Programm, diesen mit stürmischem Applaus bedachten poetischen Blick auf die Stationen des Lebens. Zum Abschied wurde das Publikum gebeten, das Lied »Leben« gemeinsam anzustimmen. Ein würdiger Abschluss für ein denkwürdiges Ereignis. Wolfgang Schweiger

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