Zwei sechste Sinfonien mit einem programmatischen Gehalt von Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven folgten auf die Air aus der Orchestersuite Nr. 3 in D-Dur von Johann Sebastian Bach – ein Programm, das die Besucher in der vollbesetzten Pfarrkirche St. Georg in Ruhpolding berührte und ihnen zu Herzen ging, nicht nur wegen der wunderschönen Kompositionen und ihrer brillanten Interpretation durch das Orchester »Pro Musica Salzburg«, sondern auch und vor allem weil der Klangkörper von Maestro Wilfried Tachezi, der bald 87 Jahre alt wird, geleitet wurde.
Wer in solch einem hohen Alter noch diese Leistung vollbringen kann, darf sich getrost von Gott gesegnet nennen. Dass die Leitung eines Orchesters nicht nur eine mentale, sondern selbstverständlich auch eine physische Leistung erfordert, braucht eigentlich nicht erwähnt zu werden. Auch diese vollbrachte der beliebte Dirigent, der im Sitzen dirigierte und – wenn auch nur mit den nötigsten Gesten – jede kleinste Nuance aus dem Orchester hervorholte.
Wer das Glück hatte, ein Lächeln auf seinen Lippen wahrnehmen zu können, freute sich um so mehr an der Musik. Cellist Simon Nagl von der Kulturinitiative Ruhpolding e. V., unter deren Federführung der Konzertabend im Rahmen des »Musiksommers zwischen Inn und Salzach« organisiert worden war, verlieh in seiner Begrüßung seiner Freude über den zahlreichen Besuch Ausdruck.
Mit subtiler Präzision, musikalischem Feinsinn und Empathie für das große Ganze erklangen die Werke: In »Le Matin« aus dem Zyklus »Die Tageszeiten« ließ Haydn im Adagio kompositorisch die Sonne aufgehen. Das folgende Allegro wurde virtuos von der Flöte eingeleitet und das Waldhorn bestätigte mit einer Fanfare. In den folgenden Sätzen – Adagio-Andante, Menuetto und Trio, Finale.Allegro – glänzten ebenfalls die Stimmführer der jeweiligen Instrumentengruppen – allen voran die Konzertmeisterin, die Flötistin und die Oboistin, aber auch das Violoncello und der Kontrabass – die zum Erfolg des Konzertabends das Ihrige beitrugen.
Viele der Musiker im Orchester »Pro Musica Salzburg« sind auch in anderen Musik-Sparten Koryphäen – so leitet Simon Nagl zum Beispiel die Musikschule Freilassing, und sein Kollege am Violoncello-Pult, Matthias Michael Beckmann, ist der erste Cellist, der die gesamte Cello-Literatur auf einem fünfsaitigen Cello musiziert, das er von einem Instrumentenbauer 2005 eigens für sich anfertigen ließ.
Ein ganz besonders intensives musikalisches Erlebnis war auch die Pastorale, deren fünf Sätze nicht nur mit italienischen Tempobezeichnungen überschrieben sind, sondern auch mit inhaltlichen Vorgaben auf Deutsch. Aber auch ohne diese programmatischen Spielanweisungen ist die Botschaft Beethovens erschließbar, denn die Assoziationen stellen sich bei den Zuhörern wie von selbst ein – genau so, wie bei absoluter Musik ohne programmatische Hinweise.
Wer die Überschriften las – »Erwachen heiterer Empfindungen«, »Szene am Bach, »Lustiges Zusammensein der Landleute«, »Gewitter, Sturm« und »Hirtengesang. Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm« – fühlte sich in seinen eigenen Empfindungen bestätigt.
Auch hier erfreuten und überzeugten die Solisten im Orchester mit ihren musikalisch-tiefsinnigen Darbietungen. Voller Energie entlud sich im vierten Satz, der ohne Pause an das Allegro des dritten Satzes anschloss, das Gewitter mit einer Dame an der Pauke. Der Sturm heulte chromatisch auf- und abwärts, bevor – ebenfalls »attacca« – der friedliche Hirtengesang die Sinfonie zum Abschluss brachte. Ein außergewöhnlicher Konzertabend, der den Besuchern die in der heutigen Zeit so wichtigen musikalischen Schwingungen des Friedens mit auf den Heimweg gab.
Brigitte Janoschka