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Ein reines Mozart-Programm hatte sich der charismatische türkische Pianist Fazil Say, der sich auch immer wieder mit kritischen Worten zur Politik und den Politikern in seinem Heimatland äußert, für das abschließende Traunsteiner Sommerkonzert ausgesucht. (Foto: M. Gnadl)

Ein Mann – ein Flügel – Mozart

Er zählt zu den berühmtesten Künstlern seiner türkischen Heimat: Fazil Say. Zum Abschluss der Traunsteiner Sommerkonzerte begeisterte der Pianist das fachkundige Publikum im Kunstraum Klosterkirche mit vier Klaviersonaten des jungen Wolfgang Amadeus Mozart.


Die D-Dur-Sonate KV 284 ist eine der sechs Sonaten, die der 19-jährige Mozart im Gepäck hatte, als er 1777 nach Paris reiste. Er versah das Werk mit einer reichen Dynamik und auch seine Vorliebe für Variationen wird in diesem Musikstück sehr deutlich.

Vom ersten Akkord an merkt man Fazil Say die Hingabe an, mit der er musiziert. Im Gegensatz zu vielen russischen oder chinesischen Interpreten, die zwar technisch versiert, aber ohne Mimik und Gestik an den Tasten sitzen, versprüht der türkische Pianist eine unbändige Spielfreude und eine temperamentvolle Virtuosität. Mal schmunzelt er verschmitzt bei einem verspielten Tremolo, mal runzelt er bedeutungsschwer die Stirn bei einer imposanten Basspassage, mal hebt er – fast wie zum Gruße – galant die linke Hand, während die rechte melodieführend atemraubende Sechzehntel-Läufe anstimmt. Immer wieder hört man ihn leise summen und stets ist der ganze Körper in Bewegung. Fazil Say ist keine ausdruckslose Maschine. Fazil Say ist eine charismatische Erscheinung.

Der erste Satz der Sonate in C-Dur KV 309 ist ein Musterbeispiel für die seinerzeit geläufige Sonatenform; das Thema wird leicht variiert noch einmal wiedergegeben. Das liebliche Andante un poco adagio hat Mozart, wie er selbst beschrieb, »ganz nach dem Charakter der Mademoiselle Rose Cannabich« komponiert: anmutig, zart und reizend. Fazil Say spielt mit großer Passion. Akurat und technisch brilliant, mit faszinierendem Facettenreichtum und vielschichtiger Kreativität reißt er das Publikum schon zur Pause mit, sodass dieses begeistert mit den Füßen trampelt und laute »Bravo«-Rufe durch die Klosterkirche hallen.

Die 1777 komponierte Sonate D-Dur KV 311 widmete Mozart den Töchtern des Hofrats Freysinger. Der imposante Beginn ist gespickt mit technischen Höchstschwierigkeiten. Für den langsamen Mittelsatz wählte Mozart ein elegantes Andante, während das Finale wieder ausgelassen und spritzig dahinplätschert. Unweigerlich muss man an den Ausspruch Edwin Fischers denken, der einst mutmaßte: »Mozart muss wohl Champagner in den Adern gehabt haben.«

Doch mit der a-Moll-Sonate wird plötzlich ein Abgrund aufgerissen. Das Klavierstück schrieb Mozart kurz nach dem Tod seiner Mutter. Die majestätischen, aber düsteren Akkorde wechseln immer wieder ab mit dynamischen Passagen zwischen extrem laut und sehr leise – ein oft verwendetes Stilmittel in der Klassik, um Dramatik und Verzweiflung zu vermitteln. Fast schon filigran wirkt dagegen der zweite Satz, doch das Presto kehrt wieder in die resignierende Stimmung des ersten Satzes zurück. Das Ende ist unerwartet und energisch; die Zuhörer brauchen einen kurzen Moment, um diesen tragischen Mozart zu verarbeiten. Dann brandet tosender Applaus auf, der nicht enden will – und in vier Zugaben mündet.

Fazil Say erhielt erstmals als Fünfjähriger Klavierunterricht. Sein Lehrer legte von Anfang an großen Wert auf freie Improvisation. Mit Hilfe der schwarzen und weißen Tasten gab der kleine Bub seinem Mentor wieder, was er den ganzen Tag erlebt hatte, wie der heute 44-Jährige kürzlich in einem Interview erzählt hat. Diese Gabe zum Improvisieren wird in Says ausdrucksstarken Eigenkompositionen deutlich, von denen der Pianist in Traunstein drei zum Besten gab. Eigenwillige, aber eingängige Grundmelodien werden mit Jazzimprovisationen und traditioneller Folklore angereichert und durch rasante Tempi- und Tonartwechsel sowie experimentelle, fast sphärische Klänge zu einem inspirierenden Gesamtkunstwerk.

Mit einer charmanten Jazz-Adaption von Mozarts »Türkischem Marsch« fand das letzte Traunsteiner Sommerkonzert 2014 ein unwiderstehliches Ende. Was braucht es mehr als einen leidenschaftlichen Künstler, einen Flügel und Mozart? Michaela Gnadl

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