Ich spüre, Sie verstehen mich gerade nicht. Ich will es Ihnen erklären. Der »Kofel« ist ein Hausberg in Oberammergau, das Wort »Gschroa« bedeutet »Geschrei«. Beides zusammen ergibt auch keinen Sinn, noch weniger im Zusammenhang mit der gleichnamigen Band.
Kofelgschroa, das sind Michael von Mücke (Flügelhorn, Gitarre), Martin von Mücke (Helikontuba), Maxi Pongratz (Akkordeon) und Matthias Meichelböck (Tenorhorn). Alle vier in Kombination ergeben eine eigenartige, eigenwillige, ja man möchte fast sagen, einmalige musikalische Mixtur, zu der weder die Begriffe»Volksmusik« noch Bayernpop passen. Folkrock stimmt auch nicht. Das Quartett vollführt ein leises »Gipfelgeschrei«, streift dabei mühelos die Poesie ebenso wie traditionelle musikalische Fundamente, denn die gewaltige Helikon-Tuba von Martin von Mücke ist unbeirrbar.
Sind doch die Bands, die abseits der Mainstream-Wege wandeln, zahlreicher geworden – Keller Steff, La Brass Banda und viele mehr –, so steht Kofelgschroa völlig eigenständig auf acht Beinen und lässt sich in keine, aber auch gar keine Schublade stecken.
Die Musik ist rein, puristisch, und doch durchwoben mit einem feinen Hauch von Extraklasse. Maxi Pongratz vermag seine Ansagen aus dem Stegreif zu generieren; auch wenn vermeintlich stockend vorgetragen, inhaltlich sind sie geschliffene Botschaften, ebenso wie die von ihm verfassten Texte.
Das Spiel von Michael von Mücke an der Gitarre oder auch am Flügelhorn ist reinste Hingabe, und wahrscheinlich ist es ihm völlig egal, ob in diesem Moment Gäste anwesend sind oder nicht. Der etwas schelmisch wirkende, brav zugeknöpfte Matthias Meichelböck am Tenorhorn macht zunächst den Eindruck eines Musterschülers, der sich hierher verirrt hat, doch auch er überzeugt durch Authentizität ebenso wie durch Wortwitz. Dass die Tuba, einer Lokomotive gleich, stundenlang durch die Setlist dampfen könnte, wurde schon erwähnt. Perfekt, präzise und doch plakativ anders all das.
Den meisten Songs haftet ein melancholischer Schleier an (»Sofia«, »Wann i«), in vielen verstecken sich alltägliche oder auch gerne besondere Botschaften (»Verlängerung«, »Jäh i di«). Wie auch immer, manchmal ist es reiner Wortwitz (»Wäsche«) und dann wieder reinste Mundakrobatik, so wie im gefühlt stundenlangem »Oberammergau«, das die drei Sänger Matthias, Maxi und Michael im perfekten Kanon rauf und runter streamen, dass die Stimmbänder gerade so rasseln.
Das Fundament ist bayrisch, urbayrisch, oder nein, mit einer Sequenz »allgäuerisch« durchzogen, sozusagen »baygäuerisch«, die »Basis-Layer« nehmen ihre Anleihen bei Balladen, im Bayern-Pop oder einfach von Poetry-Slam-Elementen, da nicht selten mehr gesprochen als gesungen wird. Das »R« darf dabei gerne gerrrrollt werden.
Alles in allem eine Band von Format. Keine Kopie, alles andere als das. Newcomer auf dem besten Weg in die »Hall of Anderssein«. Herrlich anders. Vielleicht verstehen Sie jetzt die eingangs erwähnte Mathematik etwas besser. Die CD ist ein echter Hinhörer.
Im Vorprogramm des Abends gab die Traunsteiner Band Rickomat eine kleine Kostprobe aus ihrem Programm »A soichas Gfrett«. Rick Blain präsentierte seine gleichnamige CD im Zelt des Butzn Wirts, während draußen die Holzscheitel im Feuerkorb knisterten. Udo Kewitsch