Was für ein Einstieg: Sphärische Klänge erobern das Traunreuter k1-Studio, vermitteln Weite, bringen die Unruhigen zur Ruhe, setzen Kopfkino in Gang.
Dann brechen die ersten Akkorde aus einem zum Klangwunderkasten umgearbeiteten Keyboard-artigen Instrument, das – von Menschenhand bespielt – in unentdeckte Klangräume entführt. Es entstehen melodische Themen, die in Variationen wieder und wieder umgestaltet werden. Der Musiker steigt auch rein physisch voll ein – sein Körper spiegelt Spannung und Entspannung wider, macht den Themen zugrundeliegende Emotion sichtbar: Das ist Martin Kälberer, wie er leibt und lebt, wie er musiziert und im eigenen Schaffen versinkt, wie er Töne formt und somit Atmosphären klangzaubert, die wirklich jeden mitnehmen – wohin auch immer. Vor dem inneren Auge tut sich eine Wüstenlandschaft auf, eine menschliche Stimme legt sich über den schwebenden Klangteppich, singt wortlose Lieder und sagt damit alles. Die Inspirationen für seine selbstgemachte Musik scheinen dem Weltoffenen zuzufliegen, für seine jüngste CD, »Insightout«, war es die Phase des totalen Lockdowns, die ihm Zeit gab, seine Ideen umzusetzen. Das zum Teil eigentümliche Instrumentarium, das die Bühne füllte, machte neugierig. Haufenweise Technik, alles Klangbringende war für Spezialeffekte verkabelt und mit Minimikrophon ausstaffiert – ein metallenes Perkussionsinstrument, das wie ein Ufo aussieht und anderes Schlagwerk, etliche Besen und Schlegel, ein Konzertflügel und eine Melodica. Die mannigfaltigen Klangkörper samt Stimmeinsatz spielt Kälberer in schier unendliche Schleifen seiner Loop-Station ein: Ein Musiker, der sich selbst genug ist, der mittels ausgeklügelter Technik seinen eigenen berauschenden Orchesterklang erzeugt.
Kälberer weiß mit elektronischen Elementen umzugehen mal schimmert Jazziges durch, dann wieder Klassik, immer ist es intensiv – Musik, die sich schwerlich beschreiben lässt: Insight out, zu Deutsch »links gemacht« oder das Innere nach außen gekehrt, trifft’s perfekt. Ein immer forschender Klangakrobat, der Musikinstrumente Spielsachen nennt, und der im eigenen Spiel vertieft, immer neue, frische Wege einschlägt. Mit ihm zu reisen, lässt Klima-neutral abheben – genial.
Kirsten Benekam