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Josef Radauer (links) und Elisabeth Radauer (hinten rechts) mit den Hirtenkindern vor der Schwarzenbergalm, wo der Grundstock fürs Hirtenspiel gelegt wird.

Ein Gefühl wie in einer großen Hirtenfamilie

Wenn Elisabeth Radauer auf der Schwarzenbergalm bei Elsbethen für die ganze Schar kocht, schleicht sich ab und zu ein »Hirtenkind« zu ihr in die heimelige Küche. Dann verfliegt das Heimweh sogleich und oft bieten die Buben oder Mädchen ihre Mithilfe an. 17 Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren proben zurzeit intensiv für den »Salzburger Hirtenadvent«. Einen wichtigen Grundstock legte, auch durch das intensive gegenseitige Kennenlernen, das Almwochenende.


»Es ist jedes Mal eine Herausforderung«, erzählt Josef Radauer. Der künstlerische Leiter des Hirtenadvents, den er unter dem Vorgänger-Namen »Tobi-Reiser-Adventsingen« 2006 ins Leben gerufen hatte, und seine Frau Elisabeth sind die »Eltern« der großen Hirtenfamilie. Organisatorisch unterstützt sie auf der Alm seit vielen Jahren »Hirtenopa« Erwin Laubbichler, dessen Enkel Christoph auch dabei ist. Ebenso wie Radauer-Tochter Pauline als älteste Hirtin: Nachdem sie bereits mit dreieinhalb Jahren ihren ersten Hirtenspiel-Einsatz hatte, fällt ihr der Abschied sichtlich schwer.

Die Jüngste im Boot ist übrigens aus Bayern: Hanna Lagler (5), Enkelin des früheren Reiserensemble-Zitherspielers Herbert Lagler aus Marktschellenberg, eifert dem Vorbild ihrer älteren Schwester Antonia nach, die einmal einen Engel spielte. Jetzt beim Hirtenwochenende ist sie mit ihrer Familie noch in Urlaub. Hanna fiebert aber bereits auf ihren ersten spannenden Auftritt beim Salzburger Ruperti-Kirtag am 24. September hin: Auf der Bühne vor dem Dom ist die Hirtentruppe da zwischen 15 und 17 Uhr zu erleben, ebenso wie der Rauchenbichler Dreigesang, zu dem Elisabeth Radauer gehört. Außerdem kommen die diesjährigen Radauer-Hirtenkinder am 25. Oktober als Mitwirkende der »Wirtshausmusikanten« des BR beim Hirzinger in Söllhuben bei Rosenheim ins Fernsehen. Ausgestrahlt wird die Aufnahme am 24. Dezember.

Heuer wird für das 1889 uraufgeführte Stück »Sonst bliebe es ein Traum« von Tobias Reiser gespielt, das Radauer überarbeitete mit Neukompositionen von Andreas Gassner. Die Handlung: Nach einem traumatischen Erlebnis mit einem Bettler erzählt die Großmutter ihrem Enkel Irgei das Weihnachtsevangelium nach Lukas als »Gute-Nacht-Geschichte«. In der Nacht träumt sich Irgei in diese Geschichte hinein und folgt den Hirten. In dem Moment, als diese voller Freude einen flotten »Schleunigen« anstimmen, erwacht er. Als der Bettler schließlich anklopft, hat Irgei seine Angst vor diesem überwunden und bringt die Großmutter dazu, ihm vorübergehend Quartier anzubieten.

Obwohl die Hälfte der Hirten neu ist, habe er selten eine so homogene Gruppe erlebt, freut sich Josef Radauer. Der Samstag auf der Alm beginnt mit einem spielerischen Einsingen und Aufwärm- und Lockerungsübungen. Dann wird gesungen, werden die Instrumentalparts geübt – mit Geigen, Schwegelpfeifen, Querflöten, Ziach, Klarinetten, Blechblasinstrumenten und so weiter – und schließlich beides zusammen geführt. »Uns ist es wichtig, dass sie das, was sie spielen, auch singen können«, erklärt Elisabeth Radauer, »damit sie ein Gefühl für die Phrasierung oder fürs Tempo bekommen.« Am Nachmittag können die Kinder, von dem Paar auf Gitarre und Bassgeige begleitet, bereits einige Lieder frisch von der Leber weg und mit offenkundigem Vergnügen vortragen, wie »Singa is unser Freid«, einen Jodler oder »Wann’s Häusl z’kloa is«.

Mit Arbeit am Text des Hirtenspiels geht es weiter. »Wie weit sind wir letztes Mal gekommen?«, fragt Josef Radauer in die Runde. »Bis zum Essen!«, ertönt es wie aus der Pistole geschossen. Einen Satz nach dem anderen spricht er vor und lässt die Passagen reihum von verschiedenen Kindern wiederholen. Alle sollen den Dialekt richtig sprechen können und jeder jeden Satz beherrschen, auch für den Fall, dass ein Hirte ausfällt. Verteilt und auswendig gelernt werden die Parts erst später.

Schritt für Schritt leitet Radauer die Kinder an, ihre Aussprüche spannend zu gestalten und richtig zu betonen, und mit voller Aufmerksamkeit und Emotion dabei zu sein. »Jetzt mecht i a Begeisterung haben«, fordert er bei dem zunächst zaghaft ertönenden »Jawoi, hoch lass ma’s leben!« Geduldig gibt Radauer einem Buben, der sich die vielen Worte nicht gleich merken kann, die Chance, sich zu verbessern. Mit der Zeit wird dessen Rede flüssig: »Genau, i sog eich oans: A so a Feierlichkeit ohne Musi is nur die Hälfte wert!«

Man spürt, dass die Hirtenkinder gesanglich und musikalisch gute Grundlagen mitbringen, und trotzdem müssen sie sich aufeinander einschwingen. Mit den beiden elfjährigen Darstellerinnen des Träumers Irgei, die im Vorjahr als Emilia schon Hauptrollen-Erfahrung gesammelt haben, geht Radauer beim Text mehr ins Detail: Valentina Pföß aus Elsbethen, Tochter von Katharina und Rupert Pföß, die mit Hansl Auer bei den »Hammerauer Musikanten« spielen, und Marlena Horngacher aus Salzburg. »I hob’s lustig g’funden, und es is a nia langweilig worden«, beschreibt Valentina ihre Erfahrungen als Emilia. »Man hat sich so richtig in die Rolle hinein gesteigert«, ergänzt Marlena.

Schauspielern findet Valentina »cool«. Bei den Hirten streicht sie wie ihre Schwester Anna-Cäcilia (8) die Geige. Im Bund mit dem Bruder an der Tuba wirken die Pföß-Geschwister bei Wettbewerben mit, ebenso wie Marlena, die Gitarre und Klavier gelernt hat, mit ihren drei großen Brüdern als Gesangsgruppe. Das Singen begeistert Marlena am meisten.

In der Pause ist es endlich soweit: Trotz Nieselregens stürzen sich die »Hirten« begeistert ins Freie zum Fußballspielen. Veronika Mergenthal

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