Solchermaßen zum Träumen angeregt, trafen die nächsten Werke die Zuhörer mitten ins Herz, denn der musikalische Glanz des Abends wurde mit dem »Beau Soir« und »La Plus Que Lent« von Debussy, gespielt von Erik Schumann (Violine) und Diana Ketler (Klavier), noch einmal auf hochromantische und innigste Art beschworen. Mit dem Glücksgefühl, einer überirdisch schönen Komposition zu lauschen, genoss man die hervorragende und wunderbar innige Interpretation der Künstler.
Im Kontrast dazu stand das eigens für das Ensemble Raro geschriebene Werk »Pirouettes Pierrotiennes op. 142« vom rumänischen Komponisten Dan Dediu (geboren 1967); das Traunsteiner Publikum war Teil der deutschen Erstaufführung. Natürlich ist zeitgenössische Musik oftmals deshalb so spannend, weil sich der Zuhörer in dieser musikalisch beschriebenen Welt wiederfinden kann, und er gleichermaßen die Gelegenheit bekommt, sich in bekannten Strukturen zu verorten. Mit den nervösen Pizzicato der Streicher kündigte sich die Moderne an. Unterlegt von den wühlenden Bassklängen des Klaviers, kristallisierte sich zunehmend eine düster-wabernde, unwirklich-märchenhafte Fantasiewelt an die Oberfläche. Dann, eine Art Rush Hour, doppelte Geschwindigkeit, die reale Welt, mit ihrer Tendenz zur schnellen Erregung und dem abrupten Abflauen des hektischen Tuns, und einer Art Katerstimmung, Erholung nicht wirklich in Sichtweite.
Genial komponiert, und musikalisch-philosophisch konsequent zu Ende gedacht. Die Klang-Kolosse, ein Pendant unserer Lebenswirklichkeit, – der Mensch dazwischen eingeklemmt, beklemmt – blasen sich zum Ende des Stückes immer mehr auf, bis sie platzen, und der Komponist in die entstandene kurze Stille hinein das poetische Fragment einer musikalisch gestellten Frage stellt. Kürzestes Innehalten. Für die Antwort ist keine Zeit, es geht sofort weiter wie zuvor, oder ist das etwa schon die Antwort? Die musikalische Umsetzung einfach nur fantastisch!
Der nächste Komponist, den das Publikum zu hören bekam, war Gabriel Fauré, dessen Klavierquartett Nr. 1, C-moll, die Musiker uneitel und ausdrucksstark präsentierten. Schönheit, Schmerz und eine Vielfalt von anderen Seinszuständen, verbunden mit großen Gefühlen, lebendig gemacht und gesättigt von den starken Musikerpersönlichkeiten des Abends. Ein nochmaliger Höhepunkt des Konzertes.
Bei manch anderen, weniger hellwachen Musikern würde so ein bis zum Ende hinaus höchst anspruchsvolles Programm wahrscheinlich unweigerlich in eine Art Kammermusik-Koma führen. Nicht so bei diesem Ensemble, dessen kompromisslose Wachheit und Begeisterung einfach ansteckend ist.
Mit dem »Liebesliedchen« von Richard Strauss bedankte sich das Ensemble beim Publikum für den aufrichtig begeisterten Applaus. Barbara Heigl