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Kent Nagano (Mitte) gestaltete mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks den Auftakt zur »Ouverture spirituelle«. (Foto: Andreas Kolarik/Salzburger Festspiele)

Ein Abglanz des ewigen Lichts

Dem Auftakt zur »Ouverture spirituelle« fehlte es bei den Salzburger Festspielen in der Felsenreitschule nicht an missionarischer Kraft: Da gaben vermutlich auch die letzten Zweifler an Olivier Messiaens Monumental-Frömmelei klein bei.


Aber zuerst stand György Ligetis wundersames »Lux aeterna« auf dem Programm. Dieses akustische Sfumato hat seine missionarische Kraft quasi in sich. Die von Howard Arman wohl einstudierte Fünfzigschaft vom Chor des Bayerischen Rundfunks und Kent Nagano, der mit extremer Ruhe durch die den Raum wie in einem Mikroprozess greifenden, wiewohl eigentlich ungreifbaren Harmonien führte – mehr können sich die Zuhörer nicht wünschen. »Lux aeterna« aus den späten 1960er Jahren ist längst ein Klassiker und er wirkt auch im Riesenraum der Felsenreitschule, auch wenn dort das Verklingen nicht wirklich funktioniert. Wenn es pianissimo wird, setzt sich ist das Rauschen der Klimaanlage durch.

Olivier Messiaen hat ziemlich genau in denselben Jahren nach dem spirituellen Licht gesucht – und es mit anderen Mitteln genauso gefunden wie sein ungarischer Komponistenkollege. »La Transfiguration de Notre-Seigneur Jésus-Christ«: Das ist in Messiaens selbst geschriebenem, ziemlich dicken Brevier wahrscheinlich der bekenntnishafteste Eintrag. Ausgehend von der schönen Szene im Matthäus-Evangelium, da Jesus vor den Augen der Jünger verwandelt wird und mit Moses und Elias ins Gespräch kommt, entwarf der Franzose vier Modelle der Verwandlung, der Lichtwerdung, in imposanten Chor-tableaus, mit der für seinen Kompositionsstil typischen, momenthaften Kolorismus, mit dem Ineinander von exotischen Rhythmen und den naturhaften Skalen, die Messiaen der Vogelwelt und anderen Musikkulturen abgehört hat.

Das kann alles sehr pompös-oberflächlich, ja massentauglich daherkommen. Oder eben, wie beispielhaft an diesem Abend, von rechten Messiaen-Aposteln mit einer Überzeugungskraft vermittelt werden.

Kent Nagano, der in Salzburg Messiaens »Saint Francois d’Assise« aus der Taufe gehoben hat, gehört zu den authentischsten Sachwaltern. Der Kosmos aus divergierenden Elementen will nicht nur zusammengehalten, er will entfaltet sein. Die flächigen Chor-Betrachtungen wollen rückgebunden sein in die Orchestermasse, in die wieder die sieben Solisten (allen voran der zweite Messiaen-Apostel, der Pianist Pierre-Laurent Aimard) eingeknüpft werden müssen.

Chor und Orchester des Bayerischen Rundfunks waren da nicht weniger zu bewundern als die blasende und die Stabspiele bedienende Solistengruppe. Ohne Aimards die Energie bündelnden (und dabei rhythmisch akkurate) pianistischen Explosionen wäre das sowieso nur eine halbe Sache. Das also mündet in den monumental zerklüfteten Endlos-Choral »de la Lumière de Gloire«: Wenn Kent Nagano da durchsteuert, steht die Zeit wirklich still. Reinhard Kriechbaum

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