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»olive rhombs, vertical stripes« von Angelika Ecker-Pippig. (Fotos: Giesen)

Drei Künstler – drei Spiele mit dem Phänomen der Farbe

Ein bezauberndes Spiel mit Farben und dem unterschiedlichen künstlerischen Umgang damit ist in der neuen Ausstellung »Farbe als Speicher« in der Städtischen Galerie Traunstein und im Kunstraum Klosterkirche zu sehen.


Die drei ausstellenden Künstler, der in München und Italien lebende Helmut Dirnaichner, Jahrgang 1942, Elisabeth Merl, Jahrgang 1955 mit Atelier in Hofberg bei Rott am Inn, und die 1958 in Freiburg im Breisgau geborene Angelika Ecker-Pippig sind alle kraftvoll und intensiv in ihrer Formensprache und ihren stilistischen Ausdrucksmitteln, aber unterscheiden sich dennoch erheblich. Bei allen Dreien steht das Sehen von Farbe und Form im Mittelpunkt ihrer Arbeit und das Herausarbeiten der faszinierenden Tiefe und Ausstrahlung der Farben.

Das erste Stockwerk der Städtischen Galerie ist der konkreten, geometrischen Malerei von Angelika Ecker-Pippig vorbehalten. Die Farben sind in ihren frühlingshaft frisch und kühl anmutenden Acrylbildern – alle auf Leinwand gemalt - keine toten materiellen Dinge, sondern gleichsam lebendige Wesen mit tiefreichender Ausstrahlung auf die Psyche des Menschen. Die Künstlerin, die ihr Diplom an der Kunstakademie in München bei Professor Jerry Zeniuk 2008 abgelegt hat, unterlegt den Farben symboli-sche wie auch wahrnehmungspsychologisch fundierte Aussagen. Gelb und Blau sind zum Beispiel entgegengesetzte Kräfte, Gelb strahlt aus, Blau zieht sich zurück.

Jede der drei Grundfarben gehört ihrem Charakter nach einer Grundform an: Gelb dem Dreieck, Rot dem Quadrat, Blau dem Kreis. Ecker-Pippig verfolgt diese auf Wassilij Kandinsky zurückgehenden Regeln nicht systematisch oder gar dogmatisch, sondern bricht oft mit ihnen, verwendet Mischtöne, Rauten oder Trapeze. Vor allem kristalline, eckige Formen changieren zwischen Plastizität und Flächigkeit. Diese Regeln aber sind Wissenshintergrund und das Handwerkszeug für die Entstehung dieser beeindruckenden Bilder. Alle tragen sie keinen Titel (o. T.), um den Betrachter in seiner Wahrnehmung nicht einzuschränken. Nur in Klammern sind englischsprachige Kurzbeschreibungen von Farben und Formen festgehalten.

Eine gänzlich andere Stimmung erwartet den Besucher im zweiten Stock der Städtischen Galerie, die den ebenfalls mit Acryl auf Leinwand gemalten Bildern von Elisabeth Merl gewidmet ist. Schon im Flur fasziniert eine in dunklem Violett Kette, »von jemand« benannt. Der Besucher betritt nun ein Reich der runden und ovalen Formen: Kugeln, Kreise, Schlaufen. Glitzernde Steine, matt schimmernde Perlen sind so unglaublich plastisch, kon-kret – wenn auch unrealistisch groß – gemalt, dass man sie an-fassen möchte. Die dominanten Farben im Raum sind eher dun-kel, wie die Perlenschnüre an der Stirnwand des Raumes mit dem Titel »Memento I und II«.

Dadurch erstrahlen die bunten Farben, zum Beispiel der Ohrgehänge »Zwei« oder »Große Kette« und »Im Gold« noch stärker. Aber nur oberflächlich gesehen geht es in den Bildern von Elisabeth Merl um Schmuck – fast alle Dinge haben eine Bedeutung, die sich nicht nur auf ihre Funktionalität zurückführen lässt. Die Gegenstände sind mit Bedeutung aufgeladen, »Speicher« von Bedeutungen, um auf den Ausstellungstitel zurückzukommen: so wie im Volksmund Perlen Tränen bedeuten, scheinen die Perlen im »Memento« Trauer, Tod und Dunkelheit zu bergen. Der Betrachter kann die erstaunliche Erfahrung machen, dass an den doch so konkreten, realitätsnahen Bildern der Künstlerin etwas Unwirkliches, Geheimnisvolles haftet. Menschen oder gar Besitzer des Schmucks fehlen ganz: in einem meist monochrom wirkenden, aus feinsten Farbmodifizierungen gestalteten Bildraum scheinen die Dinge zu schweben oder tauchen wie zufällig auf. So ergibt sich ein weites Feld an Assoziationen, in dem sich der Betrachter sich selbst begegnen kann. Er wird mit Gedanken, Stimmungen, Träumen und Gefühlen konfrontiert.

Der gerade für die Werke von Helmut Dirnaichner wie geschaffene Kunstraum Klosterkirche zeigt eine wohl repräsentative Auswahl seiner Skulpturen, Wandinstallationen und Bilder. Der weit gereiste Künstler setzt sich mit den Möglichkeiten einer Farbmalerei auseinander, wie man die Kräfte der Farbe freisetzen kann, ohne dafür die Form zu opfern. Die Suche nach der Identität von Form und Farbe wird von intensiver Reflexion über die Beschaffenheit der natürlichen Realität begleitet mit fundiertem Wissen über geologische und erdgeschichtliche Zusammenhänge.

Dirnaichner ist kein Maler oder Bildhauer im engeren, landläufigen Sinn, sondern er schöpft und kombiniert die in Erde und Fels vorhandenen, aber meist verborgen liegenden Schätze der Natur. Zum Beispiel bindet er das aus verschiedenen Gesteinen gewonnene Pigment von Lapislazuli, Aquamarin, Turmalin Jaspis, Zinnober und vielem anderen auf dem Trägermaterial pflanzlicher Zellulose. Die Steine, die er dafür suchen musste, müssen in einem langwierigen und aufwändigen Umwandlungsprozess des Zerkleinerns und Zermahlens zu feinen Pigmenten zerrieben werden. Dann wird die zu klaren Formen wie Kreisen, Quadraten oder blattartigen Zeichen gestaltete Zellulose an der Luft, verbunden mit dem Pigmentstaub, getrocknet.

Findlinge, Erden, Mineralien und andere Stoffe aus der Natur sind in den Arbeiten von Helmut Dirnaichner nicht Mittel zum Zweck, sondern enthal-ten bereits die Essenz seiner künstlerischen Aussage. Titel und Materialangaben bilden bei Helmut Dirnaichner, der seinen Lehrmeister in der Natur gefunden hat, semantische Spannungsfelder, die parallel zum Bildlichen stimulierend auf die Wahrnehmung der Arbeiten einwirken. In der Klosterkirche bedeutet die Wahrnehmung und die Erkenntnis der Identität von Farbe und Form zugleich eine wunderbare Harmonie mit der sakralen Architektur und der Deckenbemalung, die gleichsam in einem Dialog zu stehen scheinen.

Mit der Zusammenstellung dieser Ausstellung und der Zusammenführung dieser Künstler, die sich gegenseitig vorher nicht kannten, ist Judith Bader, der Leiterin der Städtischen Galerie Traunstein, eine ganz besondere, sehenswerte Präsentation in den beeindruckenden Ausstellungsräumen der Stadt gelungen.

Die Ausstellung »Farbe als Speicher« in der Städtischen Galerie Traunstein und im Kunstraum Klosterkirche ist bis zum Sonntag, 8. März, mittwochs bis freitags von 15 bis 18 Uhr, am Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Führungen von Gruppen, besonders Schulklassen, die die Ausstellung besonders ansprechen könnte, sind nach Absprache jederzeit möglich, Telefon 0861/164319. Christiane Giesen

Wie sich die Maler der Künstlervereinigung »Die Brücke« selbst gesehen haben, können jetzt die Besucher der Moritzburg Halle entdecken. Von morgen Sonntag an bis zum 3. Mai zeigt die Schau »Du und ich. Bildnisse und Selbstporträts der Brücke-Maler« Bildnisse und Selbstporträts. Zu sehen seien rund 70 Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken sowie ein Relief der Expressionisten. Die Werke stammten aus der Sammlung »Die Maler der Brücke« von Hertha und Hermann Gerlinger. »Die Brücke« wurde 1905 in Dresden gegründet,

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