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Draußen die Gurken – und drinnen die Hölle!

Friedrich Schiller schaut vom Denkmal vor der Universitäts-Aula grantig auf die Gurken-Reihe des Wieners Erwin Wurm, der mal in den Siebzigern am Mozarteum studiert hat. Die Gurken stehen, grün und stramm, unbeirrt am Rand des Furtwänglergartens, den Festspielhäusern gegenüber. Kein Festivalgast kann die starren Grünlinge ignorieren, keiner sie wegschleppen, keiner davon abbeißen. Dazu sind sie ungeeignet. Außerdem fehlt Salz, das eine fade Gartengurke erst genießbar macht. Der Beschreibung nach, die die je eigene Individualität selbst einer Gurke beschwört, handelt es sich bei Wurms Objekten um Essig-, nicht um Gartengurken. Sollte der Herr Professor Wurm sich doch mal auf dem nahen Grünmarkt bei einer Standlfrau über die je eigene Individualität der (eingelegten, daher schrumpelig gewordenen, das frische Grün der Gartengurke eingebüßten) Essiggurke im Gegensatz zur Gemüsebeet-Gurke erkundigen.


Auf die Gurken-Stelen blickt auch ein kauernder Mann, 314 cm groß, von seinem Schöpfer Jaume Plensa aus Barcelona »Triptych« getauft. Seine Art zu sitzen dünkt Plansa »wiederkäuend«, sinnend auf jeden Fall. Sein Stahl-Mensch besteht aus Buchstaben. Sie symbolisieren, wie man sich vom Galeristen in der Residenz belehren lässt, die Grundlage unserer Kommunikation. Plensa feiert den menschlichen Körper als uneingeschränkte Form von Architektur, als Gefäß unserer Wünsche, Träume und Strebungen. Von der Ruhe, die die Skulptur ausstrahlt und der Sturheit der Wurm-Gurken kann der Passant nur profitieren. Wer hat nicht das Bedürfnis, dem Stress mal einen Fußtritt zu geben?

Zeitgenössische Kunst – im offenen Raum Salzburgs ist sie längst kein Fremdwort. Und das nicht nur im Festspielhäuser-Bereich mit Anselm Kiefers Erdkrusten-bestücktem Pavillon, wo man heuer die patzige Affenschaukel den bösen Blicken kritischer Kultur-Touristen entzogen und in eine Ecke des Rupertinums gequetscht hat. Auch auf dem Kapitelplatz beispielsweise, wo schon im dritten Jahr Stephan Balkenhols hemdsärmeliger Allerweltsmann auf einer Goldkugel balanciert. Nicht zu reden von Markus Lüppertz' dreist-feister Mozart-Statue auf dem Ursulinenplatz. Und erst recht nicht vom Mönchsberg-Museum (das gerade einen Nachfolger für den verdienstvollen Direktor Toni Stooss sucht) und den Skulpturen, die es bespielen und umgeben.

Ein Museum muss nicht so supermodern sein wie das Rupertinum in luftiger Höhe über der Salzachstadt, es kann ruhig altehrwürdig sein, eingebettet in die fürstbischöflich geprägte Residenz. In deren traditionsreicher Galerie ist derzeit buchstäblich die Hölle los. Man zeigt, aus eigenen und Leih-Beständen klug und spannend komponiert, wie sich die Menschen aus verschiedenen Blickwinkeln seit Jahrhunderten das Jenseits vorstellen. Die Künstler diverser, auch heutiger Genres (wie Foto, Film und Video)demonstrieren dort »Bilder« von der »Anderwelt«, vom Jenseits.

Ob in grausige Finsternis gehüllt und mit Teufeln und Dämonen bevölkert, ob im hellsten Sonnenlicht erstrahlend mit Christus, dem Auferstandenen – was den Menschen, der jetzt noch auf Erden wandelt, um morgen bereits im Himmel oder in der Hölle zu sein, erwartet, ist so aufregend wie beruhigend, so bedauerlich wie erhebend vors Auge gebracht. Der Residenzgalerie Salzburg gelingt es wieder, alte mit neuer Kunst thematisch eindrucksvoll zu verbinden. Die Ausstellung »Einmal Unterwelt und zurück« dauert bis zum 4. November. Die meisten der Skulpturen und Installationen, die derzeit die Salzburger Altstadt beleben, überdauern diesen Termin. So zeigt sich Salzburg nicht nur aufgeschlossen für das Jetztzeitige in Musik und Musiktheater, sondern auch in der Bildenden Kunst. Hans Gärtner

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