Und doch war alles ein bisschen anders als sonst. Die gelichteten Stuhlreihen in weitem Abstand luden die Besucher nur auf jeden vierten Platz ein. Insgesamt durften nur 50 Personen dem Neustart beiwohnen. Das Tragen der Gesichtsmasken war obligat und das Orchester bot ein ungewohntes Bild. Die Veranstalter, die Bad Reichenhaller Philharmoniker und die Kur- GmbH, hielten sich minutiös an die nötigen Corona-Sicherheits-Vorgaben. Die Musiker saßen im vorgegebenen Abstand auseinander, waren weitgehend durch Plexiglasscheiben abgeschirmt und jeder hatte sein eigenes Notenpult, bedingt durch die Abstände.
Das Dirigentenpodest von Christian Simonis war eine Art Käfig aus Glaswänden zum Orchester hin und auf drei Seiten von Geländern umgürtet. »Dirigenten sind gefährlich« meinte Simonis humorig, »wer soll da eigentlich vor wem geschützt werden?« Es war alles ungewohnt, sah aber nicht hässlich aus, war sauber, symmetrisch und überschaubar. Und die Freude war groß, dass wieder Musik den Raum belebte. Kam da nicht ein Gefühl auf, es könne sich jeder der Zuhörer privilegiert fühlen, fast so als würde das Orchester für jeden Einzelnen spielen?
Nach einem Grußwort des zweiten Bürgermeisters Werner Huber würdigte Christian Simonis den Einsatz aller Beteiligten zur Durchführung der Konzerte. »Trotz mancher Einschränkung sind wir im Moment das einzige Orchester, das ab jetzt wieder regelmäßig konzertiert«, freute sich Simonis.
Der Chefdirigent hat eine passende Programmauswahl getroffen mit Titeln, die Wunschdenken oder Situationskomik versinnbildlichen, wie etwa »Traumideale« von Julius Fucik, die Johann-Strauß-Polkas »Fata Morgana«, »Tik Tak« oder die »Annenpolka«, komponiert zum jährlichen Annenfest im Prater am 24. Juni. Dazu boten sich unter anderem auch Melodien aus der Operette »Die Maske in Blau« an, außerdem der Carl-Michael-Ziehrer-Walzer »In lauschiger Nacht« oder das Medley aus der Oper »Martha« von Friedrich von Flotow, bei dem das herrliche Trompetensolo mit der bekannten ohrwürmigen Arienkantilene brillierte.
Überdies sind die ausgewählten Stücke den derzeitigen Möglichkeiten der reduzierten Orchesterbesetzung angepasst. Jede Instrumentengruppe war, und wird wohl noch eine Weile, mit je zwei Musikern bestückt, nur die ersten Violinen fanden sich zu viert ein, während Oboe, Fagott, Posaune und Kontrabass jeweils im Alleingang vertreten waren. Trotzdem beglückte und erfreute das Klingen nachmittags wie abends. Und es fand und findet sich aus dem großen Repertoire des Orchesters auch in diesem Modus genügend Ohrenschmaus aus Operette, Musical, Walzern, Märschen und Jazzrhythmen, auch wenn Sinfonisches derzeit noch nicht spielbar ist. Obwohl sich möglicherweise die Musiker durch die Abstände und Glaswände gegenseitig nicht optimal hören konnten, war das Zusammenspiel bewundernswert und durch die aufgrund der Leerflächen im Auditorium halligere Akustik ergab sich dennoch ein fülliger, imponierender Klang.
Die Musik, von Simonis und seinen Musikern mit Elan und Freude gestaltet, strahlte in einem Klingen beschwingter Lust, in tanzfreudigen Rhythmen ebenso wie in so mancher Nostalgie-Melodik. Auch wenn Livestream, Mediathek oder Youtube geschätzt und gerne genützt wurden und werden, ist ein lebendiger Klang im Konzertsaal, bei dem sich zudem die Präsenz und Energie der Ausführenden auf eine Kommunikation mit den Zuhörern einschwingen, durch nichts zu ersetzen. Das wurde hier erneut deutlich spürbar.
Elisabeth Aumiller