Prof. Heribert Ottersbach, dessen Assistentin Sophia Loth im Studiengang »Kanon der Malerei« ist, führte das interessierte Publikum in die Ausstellung ein. Sie zeigt Landschaft weniger als Idylle, sondern mehr als vom Menschen durch Eingriffe wie die des Braunkohle-Tagebaus rund um Leipzig verändertes Areal. Sophia Loth studierte Freie Kunst bei Prof. Cornelius Völker an der Kunstakademie Münster und in der Fachklasse für Malerei und Grafik bei Ottersbach, dessen Meisterschülerin sie auch war, an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.
Bilder und Musik
Der Laudator schilderte, wie sie sich mit ihrer »eher leise sprechenden Malerei« souverän Respekt in seiner Klasse und der Kunstszene verschaffte. Er konstatierte der Präsentation »unendliche Nuancen«, Intimität und Könnerschaft. Hier zeige die Malerei, wozu sie im Gegensatz zur Fotografie fähig sei: es handle sich um »erinnerte Landschaften« und eine Art Transformation. Loth dehne dabei die Zeit bis an die Grenze und verdichte sie zugleich. Als Tochter einer Sängerin und eines Kantors singe die Künstlerin selber im Chor des Gewandhauses und habe in diversen Ensembles musiziert. Ihr Verständnis von Klang komme auch in den Bildern zum Ausdruck.
Dazu passt auch, dass Loth ihre in Bad Reichenhall auf der Galerie gezeigten Tagebau-Bilder mit Unterstützung des zeitgenössischen Komponisten Eric Busch schon öfter in eine aus Industriegeräuschen und am PC kreierte »Sound-Installation« eingebettet präsentiert hat. Sophia Loths Großeltern hatten nahe Borna südöstlich von Leipzig einen Bauernhof. Mit ihrem Opa radelte sie öfter zu den Braunkohle-Abbaugebieten. »Das hat mich fasziniert«, erinnert sie sich: die großen Bagger und Maschinen, die Mondlandschaften, das Umpflügen der Landschaft zogen sie trotz der zerstörerischen Aspekte in Bann. Sie will keine politische Aussage machen. Am ehesten könnte man die Tagebau-Bilder als künstlerische Dokumentation von Erinnerungs-Landschaften und eines wesentlichen Teils deutscher Industriegeschichte betrachten. Sie sind nach weg gebaggerten Dörfern benannt, an deren Stelle heute Seen liegen.
Öl in vielen Schichten
Sophia Loth malt immer in Öl in vielen Schichten, die bei der Tagebau-Serie von lasierend bis deckend oder sogar leicht pastos später auf Leinwand aufgezogenes Papier aufgetragen sind. Mit einem virtuos und mannigfaltig geführten Pinsel fängt sie die Bewegung und das Licht in diesen vom Menschen künstlich gebildeten Landschaften ein, die manchmal an Wüste oder ein endzeitliches Meer erinnern. Sie spielt mit einer schier unendlichen Vielfalt der Brauntöne, von Neapelgelb über Ocker und Umbra bis hin zu Schwarz, und dem Gegensatz zwischen expressiven, markanten Konturen und Formen und der sich am Horizont oder im Staub auflösenden Linie. Erstaunliche Plastizität, Tiefe und Spannung prägt ein vierteiliges, fast monochrom in Schwarztönen gemaltes Werk, das den Betrachter von der Ferne in die Nähe führt. Der stempelähnlich benutzte Pinsel deutet die wuchernde Vegetation an.
Die unten gehängten Werke tragen keine Titel; die Betrachter sollen sich selber Gedanken machen. Darunter sind lasierend und skizzenhaft gemalte Papier-Arbeiten, die mit ihren Braunschattierungen und dem hellen gelbgrünblauen Hintergrund, der das Licht durchstrahlen lässt, erstaunen. Eine große, von Schwefelgelb dominierte Arbeit mit kaputten Zivilisationsresten, die ehemalige Strom- oder Telefonmasten sein könnten, ist für die Malerin »ein Relikt aus irgendeiner Zeit – wir wissen nicht mehr, was wir damit zu tun haben« und eine Art »Blick in die Apokalypse«, getrieben von der Frage: »Was ist, wenn nichts mehr da ist?«.
Mit ihrer Ausstellung »Über Tage« möchte Sophia Loth auch einen Bezug zu Bad Reichenhall herstellen, das vom Salz »Unter Tage« geprägt ist. Sie ist jeweils von Mittwoch bis Freitag von 15 bis 18 Uhr und am Samstag von 11 bis 14 Uhr am Ägidiplatz 3 zu besichtigen. Veronika Mergenthal