Allen voran war es der Abend der Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock, die das Festivalorchester Gut Immling zu einem klasse Instrument formte, das Orffs Musik plastisch Gestalt werden ließ. Von Kerssenbrock wusste im Verein mit der straffen motorischen Rhythmik auch klangsensible Melodik und liebliche Zartheit zum Blühen zu bringen. Die charakteristische Wechseldynamik von laut und leise setzte sie eindringlich gegeneinander ab und ließ sie doch als ein großes organisches Ganzes erscheinen. Das ergab ein faszinierendes spannendes Klingen.
Nikolaus Hipp und die Regisseurin Katrin Sedlbauer gaben dem Mondmärchen ein anschauliches Bühnenbild. Auf drei Ebenen waren je vier »Mondkammern« durch Steigleitern getrennt, auf denen die Darsteller zwischen den Ebenen Unterwelt, Erde und Himmel mit etwas Akrobatik hin und her turnen konnten. Der Erzähler, eine Art Drahtzieher der Handlung, bleibt aber beim Mond noch neutrale außenstehende Figur, wird dann in den »Carmina Burana« unmittelbarer Teil des Geschehens und damit auch zur Brücke zwischen den beiden Stücken.
Mathias Frey gibt ihn mit hell klingendem, präsenten Tenor, optisch angenehm und märchentauglich gewandet. Er erzählt von einem nachts in völliger Dunkelheit liegenden Land, aus dem vier Burschen in ein anderes Land aufbrechen, wo sie eine leuchtende Kugel entdecken, die ihnen als »Mond vorgestellt wird. Sie beschließen, den Leuchtball zu rauben und in ihr eigenes Land zu befördern. Bevor sie dann betagt nacheinander sterben, haben sie sich zusichern lassen, dass jeder ein Viertel der Lichtquelle mit ins Grab nehmen kann. Im Land wird es wieder dunkel, dafür aber wird die Unterwelt ins Licht getaucht, das fortan zu wildem Leben anregt. Petrus im Himmel ist wütend über die lärmenden zügellosen Gelage und holt kurzerhand den Mond und hängt ihn am Himmel auf, sodass er fortan friedlich für die ganze Welt leuchtet.
Yang Li, Sheldon Baxter, Stefan Kastner und Szymon Komasa sind die wackeren, behände kletternden Mondräuber, die ihren leuchtenden Schatz auch gesanglich überzeugend hüten. Der Petrus des Wolfgang Probst konnte mit seinem schwankenden Bassbariton und dem lässigen Outfit keine Stimme des Himmels ins Treffen führen. Damit ließ sich auch leider ein Spannungsbruch in dem so trefflich inszenierten und musizierten »kleinen Welttheater« nicht vermeiden.
»O Fortuna, wie der Mond so veränderlich, wachst du immer oder schwindest«, war nach der Pause der nahtlose Übergang vom »Mond« zu den »Carmina Burana«. 1937 uraufgeführt, zählen die weltlichen Lieder aus dem »Codex Buranus« der Bibliothek des Klosters Benediktbeuren zu Orffs beliebtesten Vertonungen. Die Lied- und Dramentexte aus dem 11. und 12. Jahrhundert sind mittellateinischer, mittelhochdeutscher, altfranzösischer und provenzalischer Provenienz. Zum besseren Verständnis waren die mitlaufenden deutschen Übertitel sehr hilfreich.
Das ganze Werk, das meist in konzertanter Form aufgeführt wird, kreist um das Glücksrad Fortuna. Die szenische Version unterstützte hier die Farbigkeit der Musik. Dazu setzte der durchscheinende Bühnenvorhang mit den fantasievollen pastellfarbenen Malereien von Nikolaus Hipp eindrucksvolle Akzente. Der Festivalchor und Kinderchor Immling brachten eine glänzende Leistung und waren damit zusammen mit dem Orchester, das auch in feinen Soli brillierte, die Hauptspannungsträger im Klanggeschehen.
»O süßer rosenfarbener Mund, komm und mache mich gesund« kündet das Erwachen des Frühlings und der Liebe. Mathias Frey, nun vom Erzähler tenoral intensiv in die Liebhaberrolle geschlüpft, und Guibee Yang, mit jubilierender Sopranqualität, symbolisieren das Liebespaar. Als dann der schöne Vorhang fällt, dokumentiert sich der Chor mit der Einfallslosigkeit der Kostümbildnerin Barbara Gruber. Das konnte jedoch dem musikalischen Fest keinen Abbruch mehr tun. Riesenjubel.
Eine weitere Vorstellung ist am Sonntag, 17. Juli um 18 Uhr. Elisabeth Aumiller