Im Mittelpunkt des Konzerts im Bibliothekssaal des Augustiner-Chorherrenstifts standen die »Fünf Sätze« für Streichquartett op. 5 des Schönberg-Schülers Anton Webern, die 1909/10 entstanden sind. Dieses epochale Werk der frühen Moderne haben Omer Bouchez und Elise Liu (Violinen) sowie Yung-Hsin Chang (Bratsche) und Anthony Kondo (Cello) mit zwei gewichtigen Beiträgen aus dem Streichquartett-Erbe gekoppelt.
Gleich zu Beginn erklang das experimentierfreudige erste der sechs »Haydn-Quartette« von Mozart KV 387 von 1782/85. Den Schlusspunkt markierte das groß angelegte, fast schon sinfonische Streichquartett »Der Tod und das Mädchen« von Franz Schubert D 810 von 1824. Knapp 150 Jahre liegen zwischen diesen drei Werken. Im intensiven Spiel der vier Musiker wurden indessen unerhörte Parallelen freigelegt.
Selten hat man die beiden viel gespielten Quartette von Mozart und Schubert im Konzert derart modern erlebt – ähnlich kühn wie Webern. Ein Aufbruch ins musikalisch noch Ungewisse wurde jeweils hörbar, zupackend und gleichzeitig höchst stilgerecht. Mit nobler Klanggestaltung, die gerade auch das Vibrato wohldosiert und historisch informiert einsetzte, wagte das Quatuor Hermès zugleich packende Dramatisierungen.
Schon in Mozarts KV 387 schienen manche klangliche Gesten und Effekte fast schon der Opernbühne entsprungen. Diese szenisch-theatralische Narration wurde in Schuberts »Der Tod und das Mädchen« nach Mathias Claudius noch um ein vielfaches gesteigert, um zugleich die schicksalsschweren Dur-Moll-Reibungen und die avancierte Stimmführung herauszustellen. Auch dies findet sich bereits bei Mozart, vor allem im Menuett, wie die vier Musiker deutlich machten.
Auf diese Profile greift zudem Webern zurück, um sie auf eine radikale Reduktion und Fragmentierung herunterzubrechen. Es sind kleinste klangliche Partikel, die Webern vereint. Ob das metallisch-fahle Spiel auf dem Steg oder am Griffbrett, das ausgebeinte Pizzicato oder weltentrückte Obertöne: Das alles verdichteten die vier Musiker zu einem intensiven, im besten Sinn virtuosen Mini-Drama. Von verkopfter Abstraktion war dieser Webern weit entfernt. Hier wurde mit abgegriffenen Klischees und Vorurteilen konsequent gebrochen.
Dieser Webern glühte und sehnte, liebte und lebte. In wenigen Takten wurde ein ganzer Kosmos erzählt. Damit hat das Quatuor Hermès erneut unter Beweis gestellt, dass es zu den führenden Ensembles seiner Generation zählt. Es sind heute vor allem die jungen Franzosen, die die Kammermusik gehörig neubefragen. Mit solchen klugen Gastspielen entwickeln die »Insel-Konzerte« die Musikkultur beharrlich weiter – Chapeau! Marco Frei