Ulf Dressler, ein erfahrener Lautenist aus Hamburg, eröffnete den Abend mit ungewohnt tiefen, herben Klängen, mit einem »Entrée« von Robert de Visée für Theorbe solo, eine Basslaute. Visée war Hofmusiker beim »Sonnenkönig«. Die Theorbe war auch bei Michel Corrette, Hofmusiker Ludwig V., noch üblich. In dessen Sonate I. D-Dur entspann sich nach einem unbeschwerten Frage-Antwort-Spiel zwischen Traversflöte und Theorbe im »Un poco Vivace« ein virtuoses Allegro voller Leichtigkeit, eine elegante Sarabande und ein flott dahin eilendes Allegro.
Auch Patrick Pföß aus Traunstein, der auch komponiert sowie Querflöte unterrichtet, zeigte sein solistisches Können, und zwar mit der Fantasia Nr. 12 g-Moll von Georg Philipp Telemann. Der gebürtige Magdeburger Telemann wurde in Hamburg Kirchenmusikdirektor der fünf Hauptkirchen. Damals gab es fast keine Sololiteratur für Flöte, Oboe und Violine, sodass die Fantasien für Flöte solo eine große Rarität darstellen. Genussvoll und ausdrucksstark spielte Pföß die wiederholten extremen Tempounterschiede zwischen Grave und Allegro und die vermeintliche Zweistimmigkeit aus, die durch Tonsprünge und das Gegeneinander von tiefen und hohen Linien entsteht.
Manche musikalischen Juwelen finden sich durch seltsame Zufälle: So erwarb Patrick Pföß, wie er in seiner charmanten, humorvollen Moderation verriet, ein Heft des nahezu unbekannten Martino Bitti, um sich die Versandkosten für eine Internet-Bestellung zu sparen – und war fasziniert. Seine Geigenausbildung genoss Bitti bei Giovanni Vivaldi, dem Vater des berühmten Antonio Vivaldi. Bis zu seinem Tod war er dann bei den Medici in Florenz als Geiger und Komponist angestellt. Die vorgetragene Sonata V e-Moll prägt ein reizvoller Kontrast zwischen ruhig dahin fließenden und schwingenden Adagio-Sätzen und temperamentvollen, quirligen Allegros.
Diese Musik begleitete Dressler auf einer Kopie einer historischen »Arciliuto« ungefähr von 1600. Die »Erzlaute« wurde in Italien für eine passende, vermeintlich »griechische« Begleitung der gerade entstehenden Oper entwickelt. Ein nasaler Klang kennzeichnet sie, ebenso wie das Anschlagen der Basssaiten nach den Akkorden. Damit für die tiefen Töne keine extrem dicken Darmsaiten nötig sind, setzten die Instrumentenbauer auf lange Hälse und Saiten. Tänzerisch wurde es bei de Visées Suite in e-Moll und Georg Friedrich Händels Sonate V in G-Dur, die ungewöhnlicherweise mit einem Menuett aufhört, einem damaligen Modetanz. Die Feinsinnigkeit des Spiels der beiden zog in Bann.
Eine italienisch-irische Begegnung bildete den Ausklang des Konzerts: Der italienische Geiger und Komponist Francesco Geminiani, den das Duo mit der Sonata IV in G-Dur würdigte, war Hofmusiker des 3. Earl von Essex und wollte in Dublin Karriere machen. Doch die damals noch die ganze Insel regierenden Engländer machten ihm einen Strich durch die Rechnung, da er Katholik war. So wurde er der berühmteste Geigenlehrer Irlands. Durch einen Gönner traf er den letzten irischen »Barden«, den blinden Harfenisten Turlough O’Carolan, der von seinem Geigenspiel und Kompositionsstil hin und weg war. Er lernte von Geminiani den »italienischen Stil«. Diese Begegnung nahm das Duo Pföß-Dressler zum Anlass für die erste gemeinsame CD »Irland 1733«, aus der sie einige Stücke spielten.
Mit zwei Zugaben bedankte sich das Duo für den kräftigen, langen Applaus. Veronika Mergenthal