Seit 2005 tingelt die Performance Group Tuida aus Südkorea mit »Hamlet Cantabile« herum, die Festspiele sind also wieder mal so richtig flott am Ball. Das Publikum hat am letzten Premierenabend dieser Salzburger Festspiele mit den Beinen abgestimmt und durch sein Fernbleiben bestätigt, dass Sven-Eric Bechtolf als Neo-Schauspielchef binnen einer Saison das Young Directors Project grandios heruntergewirtschaftet hat. »Hamlet Cantabile« läuft quasi als Zugabe, außerhalb des Wettbewerbs. Es ist von dreizehn Schauspiel-Beiträgen dieses Sommers der vierte mit hohem Puppenspiel-Anteil. Könnte es sein, dass Bechtolf eine individuelle Vorliebe zu Tode reitet?
Hamlet nun also auf Koreanisch mit deutschen Übertiteln: Das hat in diesem Fall einen gewaltigen Pferdefuß, denn um alle Shakespeare-Rudimente und die eigenen Texte in hundert Minuten zu pressen, lässt der südkoreanische Regisseur und Textschreiber Yo Sup Bae die Sätze nur so dahin purzeln. Mit dem Lesen ist man eigentlich ausgelastet, registriert aber mit halbem Auge doch, dass da echte Körpertheater-Profis am Werk sind, die minutiös ausgeklügelten Slapstick liefern.
Drei Frauen und zwei Männer bilden die Belegschaft eines schlichten Thespiskarrens. Man denkt zuerst an Commedia dell'arte auf Fernost-Trip. Aber es dürfte doch ein Grüppchen genuin koreanischer, von allen guten Geistern verlassener Anderswelt-Menschen sein. Wir sind Zeugen einer kryptoreligiösen Zeremonie, die das Hinübergleiten der Verstorbenen ins Jenseits begleitet. Die hektisch-quirligen, überdrehten Psychopompoi haben es mit Hamlet zu tun. Mit seinem Kopf, vielleicht auch mit seiner Seele. Sie finden sein Tagebuch, beginnen drin zu lesen und Szenen nachzuspielen. Riesengroße Pappmaché-Köpfe sind griffbereit und viele, viele Meter Stoff. Aus den Jenseits-Führern werden im Handumdrehen Puppenspieler, die alle Register der Imagination ziehen. Singen tun sie auch, manchmal in fernöstlichen Tonskalen und noch öfter zu seichtester europäischer Unterhaltungsmusik. Kontinentalübergreifendes Karaoke ist angesagt.
Das alles passiert in ansehnlicher Lautstärke. Ein Feuerwerk an Gags wird gezündet und man wüsste gar nicht, wo anfangen mit dem Erzählen von einfallsreichen Einzelheiten. Ein wenig zappelig und hektisch wirkt das, aber es ist blendend choreographiert. Ein Ping-Pong von Wörtern und Bewegungen, bei dem ein Jeder und eine Jede immer an seinem Platz ist. Das Timing der Performance nötigt dem Zuschauer Respekt ab.
Langweilig wird das also nicht, aber mit zunehmender Zeit beginnt man doch auch zu grübeln, wo dieses Shakespeare-Spektakel eigentlich hingehörte. In die leicht muffige Probenbühnen-Atmosphäre des Republic ganz bestimmt nicht. Am ehesten auf eine italienische Piazza, zu einem Straßenkunst-Festival. Dort passten Lautstärke, Stimmungsmache und Charme wohl zusammen.
Ein running gag in »Hamlet Cantabile«: Die Seelengeleiter stellen immer wieder fest, dass Hamlet zu viel denkt. Überhaupt dächten die Menschen zu viel. Gäbe es doch mehr Sven-Eric Bechtolfs auf dieser Welt! Er hat dem Festspielpublikum das Nachdenken weitestgehend erspart. Das Puppenformat gab heuer den Maßstab vor. Reinhard Kriechbaum