Bilder voller Kraft einer Kosmopolitin

Anlass für die sehenswerte Ausstellung »Charakterköpfe« in der ChiemSeebruckgalerie war das kleine gezeichnete Büchlein von Magdalena Nothaft, das sie während ihrer Schulzeit im Alter von etwa acht Jahren ihrem Großvater zum Geburtstag schenkte: Es waren meist kleine, witzige, sehr gut beobachtete Karikaturen von Menschen und Situationen, in der sich ihr tiefgründiger Humor schon damals gezeigt hat. Dazu schrieb sie viele verbale Ausdrücke auf, die Magdalena Nothaft in ihrer damaligen Heimat Holzkirchen von Erwachsenen »aufgeschnappt« hatte.

Die neue Ausstellung zeigt einen Querschnitt ihres künstlerischen Schaffens anhand der verschiedensten Bilder, Collagen und Skulpturen. Der Schwerpunkt aber liegt auf aktuellen Porträts, die nicht nur den Humor der Künstlerin widerspiegeln, sondern auch ihre kritische Einstellung gegenüber vielen Themen unserer Zeit wie Flüchtlingsproblematik, Künstliche Intelligenz (KI), Social Media, Alter und vieles andere.

Dabei wird aus all ihren durchweg kraftvollen, ausdrucksstarken Bildern deutlich, dass die Künstlerin, die heute in Rosenheim lebt und in Oberstdorf eine Galerie betreibt, ein reich gelebtes Leben hinter sich und (hoffentlich!) noch vor sich hat: Nach ihrer Schulzeit schloss sie Ausbildungen in Visual Merchandising und Kunsttherapie ab und studierte Kunst, unter anderem als Meisterschülerin von Markus Lüpertz, dem früheren Rektor der Kunstakademie Düsseldorf und einem der wichtigsten zeitgenössischen Maler, mit dem sie bis heute in enger Verbindung steht. Außerdem lernte sie bei Voka, Ludwig Attersee, Jürgen Welker und bei Jutta Haas, Skulptur.

Einen Großteil ihres Lebens hielt sich Magdalena Nothaft jedoch im Ausland auf. Wie einer ihrer Künstlerkollegen und -freunde, der bekannte Glaskünstler Gregor Doc Davids aus Mühlheim an der Ruhr, bei der Vernissage sagte, ist sie eine »Kosmopolitin, eine Weltreisende, eine Grenzen überschreitende Auswanderin und Aussteigerin, die jahrelang in Südafrika und Australien gelebt hat, die fremde Kulturen, unterschiedliche Ethnien, andere Religionen, extreme Lebenswelten, verschiedenste Gepflogenheiten hautnah und täglich bei Arbeit und in der Freizeit miterlebt hat«, so Doc Davids. Trotz dieser Weltoffenheit sei sie bodenständig geblieben und ihr Leben in Oberbayern, die unmittelbare Naturerfahrung und der Sport in den Bergen habe sie geprägt.

In der Tat zeugen Nothafts Bilder und Skulpturen nicht nur vom impulsiv gemalten Ausdruck ihrer Lebenserfahrung und Gefühlswelt, sie beherrscht auch offensichtlich sämtliche künstlerische Techniken der Malerei: Collagen, Spachtelungen, Schüttungen, Zeichnungen – auch digital – beherrscht sie perfekt. Jeder Pinselstrich »sitzt«, scheint nicht mehr veränderbar.

In der ChiemSeebruckgalerie finden sich Zeichnungen von Magdalena Nothaft aus ihrer Jugend, die sie auf ihrer mehrjährigen Weltreise skizzenhaft erfasst hat. Größere Gemälde zu Beginn ihres Studiums bei Markus Lüpertz beschäftigen sich zum Beispiel mit dem Tod des Sängers Prince und Fragestellungen, die von Mark Zuckerberg ausgelöst wurden. Aber es gibt auch Porträts, die aus ihrer Fantasie heraus entstanden sind und nichts mit realen Personen zu tun haben.

Packend sind auch die erst kürzlich gemalten Bilder, in denen sich Magdalena Nothaft mit aktuellen Themen auseinandersetzt: der Digitalisierung, der Genderfrage (»Divers«) KI (»Robot, KI, Alien«), Social Media oder dem Starkult (»The Singer«). Eines der Zitate, die Magdalena Nothafts Kunst gut kennzeichnen, ist das von Vincent van Gogh: »Ich kenne keine bessere Definition für das Wort Kunst als diese: Kunst – das ist der Mensch«.

Fasziniert ist die Künstlerin seit vielen Jahren von Bayernkönig König Ludwig II. und dem Chiemsee, dessen viele Facetten seiner schillernden Persönlichkeit sie in den verschiedensten Techniken einzufangen versucht. Fast ebenso häufig ein Motiv ist Kaiserin Elisabeth von Österreich, »Sisi«, die als »Lady in red«, verfremdet in digitaler Zeichnung als »Die Maske« oder in Acryl als »Die Prinzessin« erscheint. Zwei keramische Plastiken von Magdalena Nothaft zeigen »Cool King« und »Cyber Sissi« mit hochroten Brillen in der Jetztzeit voll integriert. Ludwig wie Sisi sind auch sehr oft in der Ausstellung im Seebrucker Rathaus zu sehen.

Es ist zweifellos das dankenswerte Verdienst von Galeristin Monika Rackl, dass sie die beiden Ausstellungen in den Chiemgau geholt hat.

Die hier vor allem besprochene Präsentation in der Galerie ist noch bis Sonntag, 18. Juni, täglich von 14 bis 17 Uhr zu sehen. Viel länger, nämlich bis 31. August, dauert die Ausstellung im Rathaus, die montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr, dienstags von 14 bis 17 Uhr und donnerstags von 14 bis 16 Uhr besichtigt werden kann (wir berichten gesondert). Christiane Giesen

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