Der 18. Chiemgauer Musikfrühling im Herbstgewand bescherte den Zuhörern im zweiten Konzert in Kloster Seeon hochkarätige Stars mit einer langen Liste an internationalen Konzertsälen, Orchestern, Festivals, so dass man sich fragt, in welcher Hauptstadt der Welt sie noch nicht konzertiert, mit welchem weltberühmten Orchester sie noch nicht zusammengearbeitet haben.
Dementsprechend hoch war das Niveau – um Technik geht es hier nicht mehr, sie war präzise, gestochen scharf und sicher. Gepaart war diese unglaubliche Virtuosität – und nur so kommt sie zu ihrem Recht – mit Temperament, Energie, Aussagekraft und Musikalität. »Glühende Saiten und goldene Tasten« war das Motto des Konzertabends, aber der Flügel war zur Seite geschoben, er kam im Programm nicht vor. Dafür glühten die Saiten umso mehr und versprühten nahezu explosiv ihr Feuer. Und der lange, intensive Atem der Flötistin, die virtuos überzeugte, trug die wunderbare Musik durch den Raum.
Das Thema »La ci darem la mano« (»Reich mir die Hand mein Leben«) der Arie aus Mozarts »Don Giovanni« leitete dieses Konzert der Extraklasse im Festsaal ein: Die Dänin Janne Thomson an der Flöte, sowie an den Violinen Alissa Margulis mit russischen Wurzeln und der, in Bukarest geborene, Bratschist Razvan Popovici, der zugleich Initiator und Intendant des Chiemgauer Musikfrühlings ist, nahmen sich der Komposition Ludwig van Beethovens (1770 bis 1827) an, der die bekannte Mozartmelodie mit einer eigenen Aussage versah und etliche Variationen dazu komponierte, die jeweils dynamische oder rhythmische Veränderungen aufwiesen, oder durch Tausch der melodischen Passagen sowie der abwechslungsreichen Begleitung unter den Instrumenten kompositorisch-kreativen Schöpfungswillen zeigten.
In den drei Sätzen von Max Regers (1873 – bis 1916) Serenade für Flöte, Violine und Viola, op. 141a war Erik Schumann an der Violine zu hören. Der Komponist habe hier seinen Stil verlassen und zeige eine andere Facette seines Wesens, ja, er habe etwas Zukunftsweisendes geschaffen, ist sich die Musikwissenschaft einig. Gleich der erste Satz »Vivace« war voller dynamischer Gegensätze. Schwungvoll-Virtuoses schlug unvermittelt in Getragenes um, manchmal durchaus übersteigert, so dass die langsameren Passagen geradezu ironisch anmuten könnten. Das Larghetto mit seinen punktiert hüpfenden Noten wirkte verspielt. Auch im dritten Satz »Presto« bewegten sich die Instrumente wieder in einem gleichberechtigten Dialog.
Vor dem dreisätzigen Duo für Violine (Alissa Margulis) und Violoncello op.7 von Zoltán Kodály (1882-1967) zitierte der Cellist Justus Grimm den Komponisten: »Dieses Werk setzt eine ungeschönt rustikale Handhabung der Streichinstrumente voraus«, was die Musikpraxis der Bauern widerspiegeln soll. Dazu hatte Kodály gemeinsam mit Béla Bártok Feldforschungen betrieben. Die Musiker wollten sich alle Mühe geben, versprach Justus Grimm. Dies stellte sich – wie zu erwarten – als große Untertreibung heraus. Das Werk erklang kraftvoll neben zarten Pizzicato-Stellen im Wechsel zwischen Violine und Cello – energisch, temperamentvoll und explosiv mit ekstatischen Steigerungen – und dann wieder ein samten singendes Cello und eine delikate Violine. Dieser Dialog zwischen den Instrumenten beinhaltete perlende Parallelläufe ebenso wie geschlagene Cello-Akkorde, die sich wie eine Liebeserklärung an die melodiöse Geige anhörten. Zigeunergeigerisch und schwungvoll bewegt mit wilder Presto-Turbulenz – so endete das Finale.
Der Applaus war fulminant, alle Künstler kamen nochmal auf die Bühne. Als Zugabe erklang ein Teil aus dem letzten Satz von Kódaly. »Das Werk ist so improvisatorisch, es klingt jedes Mal anders,« schmunzelte die Geigerin Alissa Margulis, und mit Justus Grimm am Cello verzauberte sie das Publikum noch einmal mit unglaublicher Virtuosität und Musizierfreude.
Brigitte Janoschka