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Julian Steckel (Cello) und William Youn (Klavier) präsentierten die Sonaten in einem perfekt ausbalancierten Zusammenspiel. (Foto: Marco Frei)

Aus dem Dunkel ins Licht

Das Musizieren wird oft und gern mit dem aktiven Sport verglichen. Jedenfalls betonen Mediziner, dass sich die körperlichen und mentalen Anforderungen sehr ähneln. Wie bei einem Wettkampf geht es im Moment des Konzerts um vollste Konzentration und absolute Kontrolle. Niemand würde auf die Idee kommen, einen sportlichen Wettkampf zweimal hintereinander durchzuführen. Seit Beginn der Pandemie ist das aber in der Musik längst Realität.

Weil noch immer die Säle nicht vollständig besetzt werden dürfen, sich ein Konzert aber auch rechnen muss, bleibt den privaten Veranstaltern und Musikern oft nichts anderes übrig. Beim zweiten »InselKonzert« auf Herrenchiemsee nach dem Neustart der Kultur, war dies ein gewaltiger Kraftakt, denn: Mit William Youn am Klavier hat Julian Steckel eine Auswahl von Cellosonaten präsentiert, die es in sich hat – technisch und interpretatorisch.

Allein in der Sonate d-Moll von Frank Bridge, ein Lehrer von Benjamin Britten, ist es gar nicht einfach, den richtigen Tonfall zu finden. In diesem Werk ist die Romantik eines Johannes Brahms genauso präsent wie der französische Impressionismus. Die großflächige, auch grüblerische Geste stößt auf filigrane, klangsinnliche Nuancierung. Umso klüger war das Programm gekoppelt.

Im Grunde war dieses Stück das passende Bindeglied zwischen den Cellosonaten op. 58 von Felix Mendelssohn Bartholdy und Claude Debussy. Alle diese Werke stehen in d-Moll oder D-Dur. Im Ersten Weltkrieg entstanden, ist das Werk von Bridge noch dazu eine Art »Schicksalssonate«. Wie bei Beethovens »Schicksalssinfonie« Nr. 5 wandelt sich nämlich das Moll zum finalen Dur: vom Dunkel ins Licht.

Schon im Juli 2019 war Steckel bei den »InselKonzerten« im Bibliothekssaal des Augustiner Chorherrenstifts zu erleben. Damals hatte er mit Geigerin Veronika Eberle und Co-Veranstalter Youn musiziert, und jetzt das erste reine Duo-Programm. Ein erstaunlich homogenes, perfekt ausbalanciertes Zusammenspiel war das Ergebnis – als ob Youn und Steckel ein festes Duo bilden. Diesmal haben sie es breiter und satter genommen.

Das offenbarte die Debussy-Sonate von 1915, die sie auch 2019 interpretiert hatten. Generell wurde jetzt die Virtuosität mehr betont, was sehr gut zu Bridge passte. Im auftrumpfenden Pathos am Ende scheint sich der Engländer im desolaten Zustand seiner Zeit fast schon Mut zuzusprechen. Dagegen haben Steckel und Youn aus Debussy einen subtil-bizarren Humor herausgekitzelt. Alles steht und fällt mit der Serenade des Mittelsatzes.

Sie ist genauso wenig regelkonform wie die Fugen bei Beethoven. Das Cello spielt eben kein Ständchen, sondern zupft einsam seine Töne. Bei Steckel und Youn wurde daraus eine melancholische Ironie: wie die Tränen des Clowns Pierrot. Nun mag man monieren, dass alle Werke trotz ihrer stilistischen Unterschiede sehr ähnlich klangen. Gerade bei Mendelssohn, ein zeitentrückter Klassik-Romantiker, ist die breite, satte Geste nicht unproblematisch. Hier aber funktionierte es vortrefflich. Zwar wirkte das »Scherzando« aus op. 58 stellenweise etwas unkonzentriert, was bei diesem gewaltigen, zweimal gespielten Programm auch nicht verwundert. Dafür aber wurde aus dem Choral in Bach-Manier eine dichte Reflexion. Großer Beifall für einen mutigen Cellosonaten-Reigen.

Beim nächsten »InselKonzert« am 1. August gestaltet Tianwa Yang Solowerke für Violine von Bach und Ysaÿe. Marco Frei

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