Weil Eisenstein ihn im Karneval als volltrunkene Fledermaus durch die Stadt hat wanken lassen und ihn somit dem öffentlichen Spott aussetzte, will Advokat Dr. Falke sich rächen. Sein kreativer Plan strotzt vor Intriganz und schließt gleich noch Eisensteins Gattin Rosalinde ein. Es ist ein irres Verwirrspiel, die seit 150 Jahren flatternde Operette »Die Fledermaus« von Johann Strauss, die nun am Salzburger Landestheater Premiere gefeiert hat. Während die Ehe der Eisensteins offensichtlich unter Abnutzungserscheinungen krankt, bleibt diese ohrwurmträchtige Musik immergrün.
In Salzburg ist das Werk in der Inszenierung von Alexandra Liedtke zu sehen, die die verzwickte Story mit satten Jux-Zutaten aus Untreue und Heuchelei in der Theaterwelt verortet. Das bietet zum Saisonende noch einmal die Chance, tief in die Trickkiste eines mit Drehbühne bestückten Dreispartenhauses zu greifen.
Ein gar nicht müdes, im Gegenteil enorm energiegeladenes Ensemble, holt zum letzten Wurf aus – und landet prompt einen Treffer: »Nur der Champagner war an allem schuld?« – sicher nicht, auch wenn der (und anderes Hochprozentiges) im Bühnengeschehen – ob im Prinzenhause Orlofsky oder später im Knast – in Strömen fließt. Jubelnden Beifall verdienen sich eher schon bittersüße Cocktails aus einem wunderbaren Sängerensemble, dem wahrhaftig schmissig die virtuosen Walzer- und Polka-Melodien vor sich hertreibenden Mozarteumorchester (Leitung Leslie Suganandarajah) sowie die von Reginaldo Oliveira in die Maskenballszene hineinchoreografierten tanzenden Ballgäste (Ballettensemble).
Als Schlagobers des Operettenulks darf auch Simeon Meiers Bühnenbild gelten, das den – frisch sanierten und im goldenen Glanz erstrahlenden – schmucken Theaterraum widerspiegelt. Als Piemont-Kirsche schmeckt das daraus resultierende Mittendrin-statt-nur-dabei-Gefühl: Das Publikum genießt die zahlreichen Überraschungsauftritte aus dem Zuschauerraum – Rosalindes Sänger-Gspusi Alfred (Manuel Günther) etwa sorgt wohl für den ein oder anderen Plattfuß, wenn er sich gleich am Anfang durch die erste Reihe zwängte. Später überzeugt er auch als halbnackte stylishe Stehlampe im Bühnenbild und gesanglich sowieso.
Reichlich oft und gewollt aufdringlich bringt sich auch Rudi Roubinek als (Running Gag) Frosch ins Fledermaus-Treiben ein, landet seine Seitenhiebe zum aktuellen Zeitgeschehen, verteilt wie bunte Smarties durch die gesamte Inszenierung – ein echter Knaller.
Als herrlich narzisstischer Eisenstein ist Luke Sinclair ideal besetzt, er liefert stimmlich, aber auch darstellerisch ab. Seine liebe Not hat er nicht nur mit Göttergattin Rosalinde – und sie mit ihm –, sondern bis zur Ballszene beim Prinzen Orlofsky das gesamte Sängerensemble mit dem roten Samtvorhang, den es eifrig zum Versteckspiel nutzt – mal ein Kopf, mal ein Beinchen schaut heraus oder verschwindet. Wenig Aufwand, viel Lach-Wirkung. Fast ganz ohne Bühnenbild geht’s, gewusst wie, also auch.
Vom Minimalistischen zum Maximum an Glamour wandelt sich das Treiben in der Ballszene: Ein mehrstöckiger Theaterraum wird über Stufen bis zu den Logen hinauf bespielt. Dort gibt Gastgeber Prinz Orlofsky (Bethany Yeaman) nicht dem Affen, sondern der Ballgesellschaft Zucker, lässt auch mit Michael Jacksons legendärem Griff in den Schritt nichts aus – amüsieren statt ennuyieren, so die Devise. Es wird gewalzert und gezecht, geflirtet, geträllert und geflattert, was das Zeug hält.
Nach der Feier und ihren unerhörten Enthüllungen kommt, eh klar, der Kater. Aber vor allem immer wieder der Frosch, der im gedrehten Bühnenbild in Knast-Optik für Lacher sorgt – hier auf spitzem Fuß im Tütü pirouettierend und dort mit irren Wortverdrehungen parlierend. Ob Köchin Adele (Hazel McBain), die unbedingt Schauspielerin werden will oder ihre ent- und verzückende Schwester Ida (Laura Rieger), der stimmlich wie physisch hünenhafte Dr. Falke (George Humphreys) oder die unwiderstehlich koloratursichere und zuweilen rotzfreche Rosalinde (Sophia Brommer). Nicht zu vergessen auch Gefängnisdirektor Frank (Philipp Schöllhorn), der gar nicht blinde Dr. Blind (Alexander Hüttner) sowie der immer kraftvoll und wirkstark eingesetzte Chor.
Informationen zu weiteren Aufführungen und Tickets gibt es im Internet unter www.salzburger-landestheater.at, unter der Telefonnummer 0043 (0)662/871512-222 oder per E-Mail unter service@salzburger-landestheater.at.
Kirsten Benekam