Richard Croft war im ersten der obligaten drei Mozartwochen-Konzerte der Wiener Philharmoniker der unverzagte Hilfe-Rufer, und die Sopranistin Genia Kühmeier hat die beruhigende Antwort gegeben: »Die Nacht ist vergangen!«, ätherisch leicht und doch mit raumfüllendem Volumen – gerade die rechte Stimme für das in Salzburg vorzüglich besetzte Mendelssohn-Werk (Sopran zwei Anna Devin).
Marc Minkowski, zum vorletzten Mal Leiter der Mozartwoche, hat dirigiert. Durchaus forsch hieß er die Philharmoniker und den Salzburger Bachchor zu Werke gehen, was einerseits Effekt machte, anderseits doch ein wenig zweifeln ließ ob der Heftigkeit. Ist die »Lobgesang«-Symphonie nicht ein Musterbeispiel für die bürgerliche Musikkultur der Liedertafeln? War einem (Amateur-)Chor im Leipzig des Jahres 1840 eine solche vokale Durchschlagskraft zuzutrauen? Die Frage also, ob nicht ein etwas moderaterer Ton der historisch »richtigere« wäre. Aber freilich: »Alles was Odem hat, lobe den Herrn« mit dieser Schleuderkraft, das kommt bestens raus und wahrscheinlich auch beim Odem-Spender im Himmel an...
Marc Minkowski geht immer von der motorischen Bewegung aus, auch in Mozarts g-Moll-Symphonie KV 550. Der Franzose ist keiner, der den Wiener Philharmonikern neue Phrasierungen aufzwingt, vermittelt ihnen aber doch quasi vortanzend seinen Spirit. Mit dem Kompromiss-Ergebnis konnten alle gut leben, der Dirigent, die Musiker und das Publikum. Das Große Festspielhaus war bei weitem nicht ausverkauft.
Matinee ohne Dirigent
Begonnen hatte die Mozartwoche schon am Vormittag im Großen Saal des Mozarteums: Da war das Mozarteumorchester ohne Dirigent am Werk, Solistinnen waren Katia und Mireille Labèque. Mozarts Konzert in Es-Dur für zwei Klaviere KV 365 haben die beiden und das Orchester ordentlich hinter sich gebracht, mit Gefühl für ein paar wirkungsvolle Wendungen. Muss ja nicht gleich alles eine Interpretation sein... Noch ein Konzert für zwei Klaviere: Für sich und seine Schwester Fanny hat Felix Mendelssohn Bartholdy jenes in E-Dur geschrieben. Da geht es nicht um die Tasten-Synchronisation, sondern ganz stark ums Dialogische. Solistin eins und zwei dürfen jeweils allein die Skala auf- und abwärts klettern, es entwickeln sich kleinere und größere Gesprächssituationen.
Auch im Orchester unterhalten sich immer wieder die Bläser (ganz wichtig: die Klarinette) mit den Streichern. Da ergaben sich im Detail einige hübsch illustrierte Episoden, wenn es auch dazwischen immer wieder recht vorlaut rumpelte im Orchester. Reizvoll ist vor allem der zweite Satz, den sich die beiden Klaviersolistinnen beinah halbe-halbe unter sich aufteilen. Eine jede regt für sich sehr individuelles Geschehen in Richtung Orchester an.
Ein Eindruck, der sich im Lauf der Matinee festigte: Ein Dirigent ist keine ganz blöde Erfindung. Das hat man so im obligaten Mozartwochen-Beitrag von Sir Andras Schiff und seiner Capella Andrea Barca (zu hören am Samstag und Sonntagvormittag) nicht mitgenommen. Auch da (wie in den meisten Konzerten dieser Mozartwoche) Musik von Mozart und Mendelssohn.
Schiff war sehr aktiv an diesem ersten Wochenende der Mozartwoche, am ersten Nachmittag gab er auch ein Solokonzert. Wie er es so gerne macht mit individuellem Klavierklang, diesmal auf zwei Hammerklavieren aus dem Besitz der Stiftung Mozarteum, darunter Mozarts eigener Walter-Flügel.
Die Mozartwoche dauert bis 31. Januar, Restkarten gibt es unter www.mozarteum.at Reinhard Kriechbaum