Mit ihrem Buch »Der Geruch von Erde« hat die Bestsellerautorin Christiane Tramitz der langjährigen Waginger Totengräberin Rosa Wegscheider ein literarisches Denkmal gesetzt. Ein Buch, das nicht nur das »einfache reiche« Leben einer einzigartigen Frau beschreibt, sondern auch viel über die Zeit erzählt, in der Rosa aufgewachsen ist.
Geboren wurde Rosa 1928 auf einem Bauernhof in der Nähe von Waging. Ihre Kindheit und Jugend waren geprägt von harter Arbeit und vielen Entbehrungen. Mit 20 Jahren heiratete sie aus Liebe und gegen den Willen ihrer Eltern den Landarbeiter Anderl Wegscheider, der zwei Jahre zuvor aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war. Als Anderl Anfang der 50er Jahre die Stelle des ständig betrunkenen Waginger Totengräbers angeboten wurde, griff er zu. Doch eine durch Granatsplitter verletzte Schulter zwang ihn schon bald, kürzer zu treten, sodass Rosa ihm tatkräftig helfen musste. Bis sie diese Aufgabe schließlich ganz übernahm und »alleinige Herrscherin über den Gottesacker« wurde
Jetzt war Christiane Tramitz zu Gast im Traunsteiner Kulturforum Klosterkirche, wo sie im Rahmen des Literaturfestivals »Leseglück« vor überwiegend weiblichem Publikum das Buch vorstellte. Atmosphärisch dicht und sehr anschaulich brachte sie dabei gleich zu Beginn eine Passage zu Gehör, die Rosas erste Begegnung mit dem Tod schildert. Da wird sie, fünf Jahre alt und schwer grippekrank, von ihren mit Heuarbeiten beschäftigten Eltern am Rand der Wiese in einen Graben gelegt, in der Erwartung, dass sie den Tag wohl nicht überlebt. Eine Erfahrung, die Rosa niemals vergessen konnte und im Gespräch mit der Autorin sagen ließ: »A Mensch war früher nix wert«
Weiter ging es mit einer Szene aus dem Jahr 2020, auf dem Waginger Friedhof natürlich, wo Rosa selbst jetzt noch ihrer Arbeit nachgeht und das Bild einer resoluten, keinen Widerspruch duldenden Frau sichtbar wird, die selbstbestimmt ihren Weg geht. Weitere Passagen entführten zu dem Tag, an dem Rosa und Anderl sich zu ihrer Liebe bekannten, oder beschrieben die reichlich makabre Suche nach einem für tot gemeldeten Bewohner eines Altenheims.
Zwischendurch erzählte Christiane Tramitz von ihren vielen Gesprächen, die sie noch zu Lebzeiten unter anderem mit Rosa selbst geführt hat, um zu verstehen, was diese Frau angetrieben und so stark gemacht habe. Kurzum: Eine spannende Lesung, die neugierig machte auf diese wirklich lesenswerte biografische Nacherzählung.
Wolfgang Schweiger
Christiane Tramitz: »Der Geruch von Erde. Das einfach reiche Leben der Totengräberin von Waging«. Ludwig Verlag, München. 256 Seiten inklusive eines 16-seitigen Fototeils.