Der große Saal im Kulturforum Klosterkirche der Großen Kreisstadt Traunstein war bei dem kurzfristig organisierten Benefizkonzert für die Menschen in der Ukraine beinahe vollständig besetzt.
Eingeladen hatte die Kulturfördervereinigung ARTS auf Initiative der Traunsteiner Harfenistin Silke Aichhorn, eine der bekanntesten und aktivsten europäischen Harfenistinnen, Dozentin zahlreicher Meisterkurse und weltweiter Jurorin in Harfenwettbewerben. Musikalisch begeisternd, aber auf der anderen Seite todtraurig spielten die ukrainische Harfenistin Veronika Lemishenko und Silke Aichhorn abwechselnd zusammen und einzeln, ohne jegliche andere Begleitung, ein interessantes Programm auf der Bühne der Klosterkirche, gibt es doch vergleichsweise wenige Komponisten, die Harfenduette oder -solostücke geschrieben haben.
Veronika Lemishenko, 32 Jahre alt, stammt aus Charkiw in der Ukraine und ist künstlerische Leiterin des »Glowing Harp«-Harfenwettbewerbs. Bis zum Kriegsausbruch war sie erste Harfenistin des Ural Philharmonic Orchestra. Sie studierte an der Gnessin Musikakademie in Moskau, und hatte schon vor Corona die Stelle als Harfenistin im Nationalorchester in Kiew gewonnen. Bis sie nun die Stelle antreten kann, spielt sie in einem Orchester in Kroatien. Lemishenko spielt solistisch wie auch in zahlreichen Formationen für Kammermusik. Meisterkurse führten sie bereits nach Polen, Tschechien, Russland und die Türkei. Vor Ausbruch des Krieges floh sie in die Türkei, von wo aus sie durch Benefizkonzerte in ganz Europa versucht, das Leid in ihrem Land zu lindern und mit Hilfe der Musik Frieden zu stiften.
Die beiden Musikerinnen spielten zum Beispiel zwei Duette in C und in F des böhmischen Komponisten Jan Ladislaus Dussek (1760 bis 1812), der ganz Europa bereist hat, vor allem für Klavier komponierte, aber auch für Harfe, da bereits seine Mutter Harfenistin war und ebenso seine spätere Frau, Sophia Corri, und seine Tochter Olivia. Auch ein schönes Prélude-Duo von Cesar Franck kam zur Aufführung, ansonsten Stücke von bei uns weniger bekannten ukrainischen Komponisten, wie Marcel Grandjany (1891 bis 1975) mit einer Fantasie über ein Thema von Hoseph Haydn, »Dumka«, eine Kontemplation von Vasyl Barvinsky (1888 bis 1963), »Memory« von Myroslav Skoryk (1938 bis 2020) bis zum »Carneval de Venise« von Felix Godefroid (1818 bis 1897), einem Lieblingsstück von Lemishenko.
Silke Aichhorn und Veronika Lemishenko führten selbst durch das Programm, letztere in Englisch. Auf ihre Frage, wer unter den Zuhörern aus der Ukraine stamme, meldeten sich einige wenige, die schon lange in Traunstein leben und ihrer Begeisterung für das schöne Konzert temperamentvoll Ausdruck gaben. Auch das übrige Publikum war merklich sehr berührt nicht nur durch das virtuose Spiel der beiden Harfenistinnen, sondern von ihrer völlig natürlichen, aufrichtigen Darstellung der fürchterlichen Kriegssituation in der Ukraine und ihrem Wunsch zu helfen.
Das Programm endete mit dem Duo »Souvenir« von Evgen Andreev (geboren 1984), einem engen Freund Lemishenkos, der in der Ukraine zurück bleiben musste. Nach dem überwältigenden Applaus erklang als Zugabe ein Andante von Antonio Vivaldi. Da es keinen Eintritt gab, wurde großzügig gespendet: nach Informationen des ARTS-Vorsitzenden Patrick Pföß gingen 3080 Euro in die aufgestellten Spendenbehälter. Ein einmaliges, unvergessliches Konzerterlebnis.
Christiane Giesen