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»Wegränder sind die Lebensräume, die sich weit in der Landschaft verzweigen. Bei richtiger Pflege bieten sie fürInsekten und andere Tiere Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten«, sagte Planer Wolfgang Schuardt.

Ökologisches Pflegekonzept für kommunale Flächen steht – Verantwortung für den Erhalt der Artenvielfalt

Teisendorf – In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde für elf Gemeinden, neun davon aus der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel (ÖMR), ein ökologisches Pflegekonzept für kommunale Grünflächen erstellt. Jetzt liegen den Verwaltungen konkrete Handlungsempfehlungen für über 6000 Flächen vor, wie diese durch eine schrittweise Umstellung auf eine ökologischere Bewirtschaftung zu Refugien für die heimische Tier- und Pflanzenwelt aufgewertet werden können.


Die Ergebnisse des von der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel initiierten und betreuten Projekts wurden nun im Gut Edermann in Teisendorf vorgestellt. Durch das Programm führte Stefanie Lang, Vorstandssprecherin der Ökomodellregion und Bürgermeisterin von Taching. An dem Projekt haben die Gemeinden Bad Endorf, Fridolfing, Kirchanschöring, Kirchweidach, Stadt Laufen, Petting, Saaldorf-Surheim, Taching am See, Teisendorf, Tittmoning und Waging am See teilgenommen. Gefördert wurde es von Leader, dem Bayerischen Naturschutzfonds und dem Programm »Digitales Alpendorf«.

Als Bürgermeister von Teisendorf begrüßte Thomas Gasser mehr als 80 Teilnehmer, darunter die Landtagsabgeordnete Gisela Sengl, die stellvertretende Landrätin des Berchtesgadener Lands, Elisabeth Hagenauer, die Projektmanagerin der ÖMR und Organisatorin der Veranstaltung Marlene Berger-Stöckl, die Bürgermeister der Projektgemeinden, zahlreiche Vertreter aus Politik, Behörden und Vereinen, gemeindliche Mitarbeiter und interessierte Bürger. Ein besonderer Gruß, verbunden mit den besten Genesungswünschen nach ihrem Autounfall, ging an die Staatsministerin Michaela Kaniber. Bei der Veranstaltung wurde sie von dem Referatsleiter für Ökolandbau, Wolfgang Wintzer, vertreten.

Genau genommen ginge es hier gar nicht um einen richtigen Projektabschluss, meinte Thomas Gasser, denn die Erhebung der Flächen und Ausarbeitung der Pflegeempfehlungen sei zwar abgeschlossen, nun gehe es aber an die Umsetzung in den Gemeinden. Wie dabei genau vorgegangen werden soll, haben Wolfgang Schuardt und sein Team in dem »Ökologischen Pflegekonzept für kommunale Grünflächen« festgelegt. Es wird den Gemeinden in Kürze in gedruckter Form als Handbuch und in digitaler Form als GIS-Projekt übergeben. Nach Anklicken der gesuchten Fläche geht eine Tabelle auf mit der Beschreibung der Fläche und den empfohlenen Pflegemaßnahmen. Die Geodaten zu den erfassten Flächen werden den Kommunen auch als shape-Dateien zur Verfügung gestellt, so dass sie in ein GIS-Programm übernommen und weiterverwaltet werden können. Die rund 6000 erfassten Flächen wurden mehreren Kategorien zugeordnet, wie beispielsweise »Böschungen«, »Wegränder«, »Wiesengräben«, »brache Flächen« oder »Obstbaumwiesen«. Gut die Hälfte der erfassten Flächen sind Wegränder mit Rand- und/oder Mittelstreifen. »Wegränder sind die Lebensräume, die sich weit in der Landschaft verzweigen. Bei richtiger Pflege bieten sie für Insekten und andere Tiere Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten«, so Planer Wolfgang Schuardt. Ökologisch gepflegte Wegränder seien bunt und würden auch das Landschaftsbild verschönern. Unter den erfassten Flächen gäbe es leider nur ganz wenig Brachland. Dabei wären brache Flächen besonders wichtig, weil sie von der Natur geformt werden und eine tolle Zelle für die Artenvielfalt bilden. »Viel Potenzial für eine Aufwertung als Lebensraum bieten neben den Wegrändern insbesondere Böschungen, Wiesengräben, Flächen, die an Landwirte neu verpachtet werden, oder fremd genutzte kleine kommunale Flächen, die sich zum Tausch anbieten«. Schuardt wünschte den Gemeinden viel Freude und gutes Gelingen bei der Umsetzung, »aus Verantwortung für Tiere und Pflanzen, aber auch aus Verantwortung für die kommenden Generationen«.

Wolfgang Wintzer nannte das Projekt einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und zur Biotopvernetzung. In einer durch Straßen, Siedlungen und landwirtschaftliche Nutzung geprägten Landschaft können arten- und blütenreiche öffentliche Flächen helfen, Barrieren aufzulösen und Lebensräume wieder miteinander zu verbinden. Auch wenn viele das als nicht gepflegt empfinden würden, müsse man bedenken, dass »Insekten keinen Golfrasen mögen, sie haben es lieber unordentlich«.

Der Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege am Landratsamt Traunstein Markus Breier wünschte sich für die Umsetzungsphase einen Kümmerer, der die Arbeiten in den Kommunen begleiten und fachlich unterstützen soll. Er beglückwünschte die Bürgermeister, dass sie sich entschlossen haben, die kommunalen Flächen ökologisch zu pflegen und damit einen großen Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt zu leisten. Dass bereits kleine Flächen den Erhalt der Biodiversität fördern können, zeigte Bernhard Hoiß von der Akademie für Naturschutz in Laufen eindrucksvoll anhand konkreter Beispiele wie Neuntöter, Bergmolch, Schwalbenschwanz, Disteln oder Wildbienen.

An der anschließenden Interview-Runde mit Gitti Thaller, Gemeinderätin und Umweltreferentin in Taching, haben Kreisfachberater Sepp Stein aus Bad Reichenhall, Frank Filliung, Bio-Landwirt aus Taching, Helmut Mader, Bauhofleiter in Saaldorf-Surheim, die Bürgermeister Mathias Baderhuber aus Waging und Hans-Jörg Birner aus Kirchanschöring sowie Beate Rutkowski, Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Traunstein, teilgenommen. In dem Konzept liege viel Potenzial, so Bürgermeister Baderhuber, die Projektumsetzung durch die Gemeinden könne aber nur schrittweise erfolgen. Dazu brauche es auch jemanden, der berät und unterstützt. Für Bürgermeister Hans-Jörg Birner, der mit seiner Gemeinde die Projektträgerschaft übernommen hatte, ist die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung wichtig. »Die Leute müssen verstehen, warum wir das tun, wir müssen auch Kritik aushalten«, so Birner weiter. Auch für Frank Filliung fängt das Umdenken im Kopf an. Die Landwirtschaft arbeite mit einem nicht vermehrbaren Produktionsfaktor und müsse deshalb auf der Fläche Nahrungsmittelproduktion und Artenschutz zusammenbringen.

kon

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