Georg Spindler, ehrenamtlicher Diakon im alt-katholischen Bistum und mit der Seelsorge für die Alt-Katholiken im Raum Bad Reichenhall beauftragt, hat aus der Not der Corona-Zeit eine Tugend gemacht, indem er die Garage seines Hauses kurzerhand vor etwa einem Jahr in eine Kapelle umfunktioniert hat. Er suchte dringend nach einem Raum, wo die alt-katholische Gemeinde ihre Gottesdienste feiern konnte. Die bis dahin genutzte Kapelle des Bad Reichenhaller Krankenhauses stand wegen Corona nicht mehr zur Verfügung.
Jetzt bekam die »Hauskirche« durch den emeritierten Bischof Dr. Mag. John Okoro in einem feierlichen Gottesdienst den Segen von oben. Dazu waren Mitglieder der kleinen Gemeinde der Alt-Katholiken aus Rosenheim, Salzburg, Inzell, Bad Reichenhall und Teisendorf nach Freidling/Hausmoning gekommen, darunter auch einige Familien. »Ich bin gekommen, um Euch in Eurer Gemeinschaft zu bestärken«, so der aus Nigeria stammende Bischof, der die alt-katholische Kirchengemeinde in Vorarlberg leitet. Kirchen und Kapellen seien Orte, wo Menschen Gott nahe sein können, wo Gott ihnen besondere Aufmerksamkeit schenkt. Aufmerksamkeit und Achtsamkeit würden in unserer Welt immer mehr verloren gehen. Dabei seien sie Zeichen der Wertschätzung, die nicht viel kosten. »Ein gutes Wort, eine kleine Handreichung, ein Lob für das Essen, Anerkennung und Solidarität mit den Mitmenschen oder einfach nur Freude an den kleinen Dingen des Lebens« gingen immer mehr verloren. Die Folge seien Frustration und Aggression. »Gott ist Mensch geworden, um uns besondere Aufmerksamkeit zu schenken.« Daran sollten wir Menschen öfter mal denken, aufmerksamer und achtsamer werden.
Nach der Predigt segnete Bischof Okoro die Kirche mit Weihwasser und Weihrauch. Das vergoldete Altarbild wurde mit Chrisam gesalbt, die Osterkerze gesegnet. Nach der Kirchensegnung dankten die Gläubigen Gott und trugen ihre Bitten vor. Für jede Fürbitte zündeten die Kinder vor dem Altarbild eine Kerze an.
Da die Kapelle keinen festen Altar hat, wurde vor der Eucharistiefeier ein Altartisch zur Gabenzubereitung in die Kirche hereingetragen. Dies erinnere auch an die Anfänge des Christentums, so Diakon Spindler als Erklärung, als es noch keine festen Altäre gab. Diese seien erst etwa 300 Jahre später eingeführt worden. Nach der Eucharistiefeier segnete der Bischof die Gläubigen. Die Feier wurde von Barbara Spindler mit Flöte, Gitarre und Trommel musikalisch begleitet. Bei den Trommeleinlagen unterstützten die Kinder sie tatkräftig. Im Anschluss lud das Ehepaar Spindler noch zu einem geselligen Beisammensein.
Die alt-katholische Kirche in Deutschland ist eine unabhängige katholische Kirche mit bundesweit etwa 15 000 Mitgliedern. Die »Alt-Katholiken« gehen auf das erste Vatikanische Konzil im Jahre 1870 zurück, als in Rom das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit verkündet wurde. Eine kleine Gruppe von Katholiken in Deutschland, Österreich und der Schweiz wollte dies allerdings nicht akzeptieren, weil es ihrer Meinung nach nicht mit der Bibel und der katholischen Tradition in Einklang steht.
Alt-Katholiken lehnen nicht das Papsttum insgesamt ab, sondern nur die in ihren Augen unnötigen und überzogenen Dogmen. Sie sehen sich in einer Kirchengemeinschaft mit den Anglikanern, den schwedischen Lutheranern und der Kirche der Philippinen. Am Sonntag um 10.30 Uhr der nächste Gottesdienst statt.
kon