Wenn Hans, Tabea und Jonas mit Gitarre, Geige, Ziehharmonika, Tuba, Trompete, Alphörnern und einigen undefinierbaren Percussion-Instrumenten in die Welt der Gstanzln eintreten, dann ist das nicht nur der Auftakt zu einem musikalisch-netten Abend, an dem das Trio Virtualität an Saiten, Tasten, Knöpfen und Trommeln beweist. Es ist auch der Beginn einer Reise durch den Freistaat, in dem das dumpf-banale Treiben bei Volks- und Vereinsfesten, in Politikerkreisen und im gesellschaftlichen Miteinander oft den gesunden Menschenverstand vermissen lässt. Die Bizarrheit vieler Fehlentwicklungen entlarven die »Wellbappn« mit einer gehörigen Portion Trockenheit und Ironie. Dass die Wellfamilie ihre Pulverfässer zumeist unter den Entscheidungsträgern im Lande entzünden, freut an diesem Abend im »Unterstein« freilich vor allem die Grünen im Ortsverband Berchtesgadener Tal, die zu diesem Abend eingeladen hatten.
Tradition ist es bei den Auftritten der verschiedenen Well-Familien, dass sie sich – zumeist mit viel Spott – auch den örtlichen Entwicklungen widmen. Hans Well und seine »Wellbappn« beweisen auch an diesem Abend gute Ortskenntnis und reimen sämtliche große und kleine Skandale und Streitthemen des letzten Jahres im südlichen Landkreis in einem XXL-Gstanzl zusammen. Ein wenig strapaziert wird das Versmaß natürlich schon, damit die gewollten Aussagen darin Platz finden. Wenn man dann den Takt noch ein wenig ausdehnt, dann passen sogar Reime wie solche hinein: »Weil de Schönauer und Königsseer Feuerwehren ned harmonieren, wollt man in der Gmoa scho Blauhelme stationieren«. Und ein klein wenig Schadenfreude scheint schon dabei zu sein, als die »Wellbappn« ein paar (auch gescheiterte) Projekte von Bürgermeister Stefan Kurz besingen: Königssee-Hotel, Olympiabewerbung und Schneekanonen. Und über Bischofswiesens Bürgermeister Toni Altkofer wissen die Drei, dass der Rathauschef im Bischofswieser Asylbewerberstreit die Jäger alarmiert.
Eigentlich soll nun ein Loblied auf die Heimatgemeinde der »Wellbappn« folgen. Doch daraus wird nichts, denn das Trio merkt schnell, dass auch in Hausen die Welt nicht rundherum in Ordnung ist. So entlarven die Wells den dortigen Gemeinderat als eine Art »Eigentümerversammlung«, die ihre Entscheidungen zumeist mit nur einer Gegenstimme trifft. Immer wieder ist es dieselbe »Drecksau«, die ihre Zustimmung versagt. Dabei trifft der Gemeinderat doch viele bahnbrechende Entscheidungen, wie dieser Vers beweist: »Wegen Aldi ist der Dorfladen gescheitert, doch zur Belebung der Dorfmitte wird der Friedhof erweitert«.
Keinen Zweifel lassen die Wells daran, dass sie mit dem Bildungssystem im Freistaat nicht ganz einverstanden sind. »Bachelor und Master – das heißt auf Deutsch Desaster«, singen die Drei und beantworten die Frage »Wie lautet der Satz von Pythagoras?« mit »Wenn’s regnet, wern die Haare nass«.
Gute Erinnerungen haben die »Wellbappn« an Pfingsten 2013, als sie nicht in den Urlaub gefahren, sondern daheim geblieben sind. »Schau, schau, wia’s regna duad« singen sie und beschreiben die wolkenbruchartigen Regenfälle beim 150-jährigen Jubiläumsfest der Freiwilligen Feuerwehr, das schließlich in einem Chaos endet. Die Moral von der Geschichte kommt so schnell wie unverhofft: Die Menschheit sollte künftig weniger Bäche begradigen und Gewerbegebiete betonieren. Ebenso wenig Verständnis hat die Familie Well für den überlauten Skizirkus in Tirol: »Surfen, grooven, mia san cool, auf geht’s zum Skifahren nach Tirol«. Und in leichter Abwandlung des Refrains heißt es am Ende: »Mia san so cool, mia san so voll«. Und freilich bekommen an diesem Abend auch Landes- und Bundespolitik ihr Fett weg, wobei sich das Trio nicht nur auf Horst Seehofer und Alexander Dobrindt einschießt, sondern auch gerne die SPD ins Visier nimmt. Da wären zum Beispiel »Sigmar, der Gwamperte und Nahles, die Gschlamperte«.
Spätestens nach zweieinhalb Stunden Singen, Spielen, Herumalbern und Kritisieren steht fest: Der neuen Blosn, die Hans Well um sich versammelt hat, gehört die Zukunft. Doch die jungen Wells werden wohl alle auch einen »g’scheiten« Beruf erlernen. Als Abiturienten beziehungsweise Studenten sind sie auch hier auf dem besten Weg. Da darf der Papa schon stolz auf den Nachwuchs sein, wenngleich er das plattlerische Können seines Sohns noch für ausbaufähig hält. Aber vermutlich sieht der Papa ja bloß gegenüber den musikalisch hochbegabten Kindern langsam die Felle davonschwimmen. Ulli Kastner