15. Februar 2013, ein kalter Wintertag, leichter Schneefall: Detlev Knoll hatte gerade seinen Sohn Alex abgeholt. Es war später Nachmittag, ungefähr 17 Uhr. Gemeinsam wollten sie ins Kino nach Salzburg fahren. Als sie beim Kreisverkehr am Bahnhof waren, schossen ihnen mehrere Krankenwagen entgegen, erinnert sich der Vater. Dass gerade seine 18-jährige Tochter einen schweren Autounfall hatte, konnte er nicht ahnen. Zusammen fuhren die Beiden weiter zum Kino, die Schreckensnachricht ereilte die Familie erst am späteren Abend. »Ein Kind zu verlieren, einfach aus dem Leben gerissen, ist das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.«
Sie wollte einfach leben
Zwei Jahre ist das nun her. Zwei Jahre des Verarbeitens liegen hinter der Familie Knoll. Zwei Jahre ohne Natascha, jener 18-jährigen Frohnatur, die gerade dabei war, ihre Lehre als Tourismuskauffrau bei der Tourismusregion Berchtesgaden-Königssee abzuschließen. Natascha hatte noch viel vor. Nach ihrer Lehre wollte sie ins Ausland mit ihrer besten Freundin, arbeiten und gleichzeitig das Land erkunden, »Work and travel« nennt sich das. Losgehen sollte es in Australien. Sie hatte viel Geld gespart, nebenbei gearbeitet, zur Verwirklichung ihres großen Traums, sagt ihr Vater. Er blieb unerfüllt.
Die Nachricht vom Tod der Tochter überbrachte das Rote Kreuz, ein Team des Kriseninterventionsteams. Bruder Alex war schockiert, Monate dauerte es, bis so etwas wie ansatzweise Normalität in den Alltag der Familie zurückkehrte.
Natascha hatte viele Freunde und Bekannte, Hunderte kamen zur Beerdigung, gedachten der fröhlichen jungen Frau. Unzählige Blumen und Kränze wurden am Grab niedergelegt. Für schöne Blumen, kräftig leuchtende Blüten, hatte Natascha viel übrig. Das wussten auch ihre Eltern. In Erinnerung an ihre Tochter baten sie eine gute Freundin, am australischen Strand eine Rose niederzulegen und davon ein Foto zu schießen. »Unsere Tochter wollte von dort aus ihren Auslandsaufenthalt starten«, sagt Vater Detlev. Eine Rose, die am Strand liegt, vom Meer umspült, plötzlich taucht eine Möwe auf. Sie nimmt die Blume in ihren Schnabel, fliegt davon. Das Foto mit der Blume veröffentlichte er im sozialen Netzwerk »Facebook«. Er hatte nicht geahnt, was sich daraus entwickeln sollte.
Blumen der Welt
Die Sache wurde zum Selbstläufer. Freundinnen von Natascha, egal wo sie auch waren, knipsten Fotos von den unterschiedlichsten Orten der Welt, darauf zu sehen immer eine Blume, die an Natascha erinnern soll. Es gibt Bilder aus den Vereinigten Staaten, aus Kambodscha, Neuseeland, Thailand, der Dominikanischen Republik. Fotos mit Blumen aus Dutzenden Ländern, an einsamen Stränden, in idyllischen Buchten, am Hafen, vor dem Schiefen Turm von Pisa. »Es ist einfach irre, wie viele Fotos uns geschickt wurden«, sagt Detlev Knoll. 187 Bilder zählt er mittlerweile. Die Anteilnahme ist riesig, Nataschas Freundinnen nutzen noch immer viele Gelegenheiten, Blumenbilder zu machen. Für die Knolls sind solche Momente ergreifend: »Wir freuen uns über alle Blumen.« Mit den Bildern lebt Natascha auf besondere Weise weiter. Selbst wildfremde Menschen, die über das Internet auf die Sache aufmerksam wurden, beteiligten sich, zeigten auf diese Weise ihr Mitgefühl.
Nataschas Geburtstag feierte die Familie mit den Freundinnen der Tochter. »Wirklich toll« sei das gewesen, auch dieses Jahr wird wieder gefeiert, auch wenn die Jubilarin nicht mehr anwesend sein kann.
Bei den Knolls hat das Leben zwei Jahre nach Nataschas Tod zwar keine Normalität bekommen, vielmehr musste man sich mit dem Verlust in irgendeiner Weise arrangieren. Detlev Knoll hat mit seiner Frau Mirka Nachwuchs bekommen. »Man merkt, was im Leben wichtig ist«, sagt der Vater. Zu leben, das sei das entscheidende. Oft übersieht man das. Natascha hat gelebt, zwar viel zu kurz, dafür intensiv. Die Blumenbilder sollen an sie erinnern. Vater Detlev will ein Fotoalbum gestalten lassen. Der Erinnerung wegen. Kilian Pfeiffer