Es ist bitterkalt. Der Schnee knirscht unter den Füßen. Die wunderschöne Tür an der Schützenstraße liegt noch im Schatten. Nur das goldfarbene Klingelschild glänzt.
Beim ersten Versuch öffnet niemand. Einen Tag später macht eine nette junge Frau auf. Mit Namen in der Zeitung stehen möchte sie aber lieber nicht. Ins Gespräch kommen wir mit dem Vermieter Arno Zandl aus Chieming. Mit viel Liebe zum Detail hat er ein ehemaliges landwirtschaftliches Stallgebäude an der Schützenstraße umgebaut. Seine Haustür stammt aus Petting. Durch sie gingen lange Zeit die Gläubigen aus der Gemeinde am Waginger See. Denn sie bildete wohl den Seiteneingang der Kirche, bevor sie im Kooperatorenhaus (ähnlich einem Pfarrhaus gegenüber der Pfarrkirche) von 1786 einen neuen Platz fand. Dort lebte bis 2008 Zenzi Stelzer, die Oma von Günter Wimmer. »Meine Familie kaufte das alte Gebäude 1950 vom Ordinariat.« Der Pettinger erinnert sich, dass sein Vater immer wieder einmal gefragt worden war, ob er die Türe nicht verkaufen wolle – da ging die Familie noch ein und aus in ihrem Haus und durch diesen Eingang. Als das alte Gebäude dann Jahrzehnte später abgerissen wurde, bekam die besondere Tür einen neuen Platz – bei Arno Zandl an der Schützenstraße in Traunstein.
»Sie stammt aus der Zeit um 1870 bis 1890, sie ist neugotischen Stils und beinhaltet Schnitzereien«, sagt der 57-jährige Berufsschullehrer. Er hat das Haus von seinem Onkel, Pfarrer Georg Zandl, geerbt. Das Gebäude war ursprünglich eine Remise, also ein Wirtschaftsgebäude mit Tierhaltung und Knechtkammer, das zum benachbarten Wirtshaus Zum Hirschen (später Firmengebäude Kasfritz, das vor vier Jahren abgerissen wurde) gehörte. 1904 wurde die Remise vom Urgroßvater (Lorenz Schmitt) des jetzigen Eigentümers, der Pferde-Fuhrunternehmer war, vom benachbarten Brauereibesitzer Franz Rauscher gekauft und als Wohnhaus mit kleiner Landwirtschaft genutzt, bevor es 1935 – nach dem Tod von Lorenz Schmitt – zum Mehrfamilienhaus umgebaut wurde. Dort lebte bis in die 1970er Jahre die Großtante von Arno Zandl, »Tante Leni«, wie er sagt. »Da kann ich mich noch sehr gut dran erinnern. Da bin ich als Bub ein- und ausgegangen, sie hatte im früheren Stallgebäude eine Bettfedernreinigung eingerichtet.«

Miteigentümer des Hauses war ab 1974 auch der aus Traunstein stammende Pfarrer Georg Zandl, von dem Arno Zandl 2014 letztlich das Haus erbte. »Bei so einem Gebäude hat man eine große Verantwortung«, findet er. Als 2017 die Sanierung anstand, machte sich Arno Zandl viele Gedanken. Der Chieminger wollte eine energetische Sanierung nach neuesten Standards, aber auch Altes bewahren und sakrale Elemente mit einbinden. »Religion und Tradition sind in meiner Familie stark verankert«, sagt der Religionslehrer.
Da passte die Tür aus Petting perfekt. Doch nicht nur ihr hat er neues Leben eingehaucht, auch Elemente eines Chorgestühls aus einer Kirche bei Landshut, die zum Verkauf standen, ließ er in die Balkone einbauen. Außerdem hängt ein großes Kreuz am Haus unter dem Dach. Den historischen Christus aus Metall hat Arno Zandl von einem Antiquitätenhändler erworben und ließ ihn renovieren. Einen Kontrastpunkt dazu setzt eine rote, original englische Telefonzelle. »Als ich meinen Mietern angekündigt habe, dass ich was Neues aufstellen werde, haben sie schon befürchtet, es wird eine Kapelle«, sagt Zandl und lacht. »Doch mit der Telefonzelle wollte ich einen anderen Akzent setzen. Ein Telefonhäuschen erinnert an die Zeit, als Kommunikation noch anders verlief wie heute. Mir gefallen solche geschichtlichen Zeugnisse im Alltag. Das inspiriert, um über den Wandel der Zeit nachzudenken.« Er bedauert, dass es beim Bau oder Umbau der meisten Häuser »pressiert«. »Denn wichtig ist, dass man Zeit hat – und sich die Zeit nimmt.«
Er hat sie sich genommen und in der Unteren Stadt ein Schmuckkästchen geschaffen. Mit einer ganz besonderen Tür.
Klara Reiter
In der Adventszeit öffnen wir Türen. Und es lohnt sich, unsere Serie zu verfolgen. Denn am Ende gibt es ein Gewinnspiel mit einer Frage. Unter allen Teilnehmern verlosen wir zwei Übernachtungen (unter der Woche) auf Gut Ising für zwei Personen im Doppelzimmer mit Genießerfrühstück, Fondue-Melange und einem Gourmetmenü im Restaurant »Zum Goldenen Pflug« inklusive Nutzung des Wellnessbereichs im Wert von 800 Euro.
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