München (dpa/lby) - Zum Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutet sich auch für Bayern eine politische Zäsur an. Denn wie die CDU im übrigen Bundesgebiet muss auch die CSU im Freistaat bei der Bundestagswahl eine herbe Pleite fürchten. Nach 16 Jahren in der Regierung droht der Union in Berlin womöglich die ungeliebte Opposition.
Im Wahlkampf setzten CDU und CSU in der Schlussphase auf eine sehr aggressive Strategie gegen den aus ihrer Sicht drohenden Linksrutsch, also eine Regierung ohne Beteiligung der Union. So sollen Stammwähler mobilisiert werden, auch wenn diese persönliche Vorbehalte gegen Unionskanzlerkandidat Armin Laschet haben. Seit dem Machtkampf von CDU-Chef Laschet und CSU-Chef Markus Söder im April um die Kanzlerkandidatur ist das Verhältnis trotz aller Bekundungen aus den Parteispitzen nie richtig geheilt. Viele Konservative stehen dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten skeptisch gegenüber.
Während in der CSU also die Sorgen vor der Wahl und einer historischen Niederlage (bisher stammt das schlechteste Ergebnis mit 29,2 Prozent aus dem Jahr 1949) groß sind, sehen alle anderen Parteien im Freistaat ihr eher zuversichtlich entgegen. Sie eint der Wunsch, die seit Jahrzehnten bestehende Dominanz der Christsozialen zu brechen oder zumindest deutlich zu schwächen. Denn schon in zwei Jahren steht im Freistaat die nächste Landtagswahl an.
Sollte sich der Abwärtstrend der CSU fortsetzen, dürfte es nicht nur für Söder ungemütlich werden. Zur Erinnerung: 2017 bei der Bundestagswahl landete die CSU bei 38,8 Prozent und musste ein Minus von 10,5 Prozentpunkten verkraften. 2018 bei der Landtagswahl 2018 lag sie sogar nur bei 37,2 Prozent (-10,5). In der Folge musste der frühere CSU-Chef Horst Seehofer seinen Posten räumen, die Partei machte Söder damals nicht für das Ergebnis verantwortlich.
Seither sitzt Söder in der CSU fest im Sattel und abgesehen von (noch meist leiser) Kritik an seiner Agenda - etwa was die Fokussierung auf Klimaschutz, die Verjüngung der Partei und mehr Möglichkeiten für Frauen oder auch die Corona-Politik angeht - steht die Basis geschlossen hinter ihm. Selbst eine Pleite bei der jetzigen Wahl dürfte ihm nicht gefährlich werden, sehen sie in der CSU doch Laschet als Hauptverantwortlichen.
Sollte 2023 die CSU aber erneut von den Wählern abgestraft werden, könnten in der Partei Kräfte frei werden, die auch Söder kaum noch stoppen kann.
Anders als noch zu Jahresbeginn deuten die Umfragewerte nämlich mitnichten auf eine Rückeroberung der absoluten Mehrheit. Vielmehr könnte auch die seit 2018 regierende bürgerliche «Bayern-Koalition» von CSU und Freien Wählern (FW) dann keine Mehrheit mehr erlangen, da auch die FW hinter ihrem Rekordergebnis von 2018 hinterherhinken.
Für die Freien Wähler um ihren Parteichef Hubert Aiwanger hat die Bundestagswahl aber noch aus einem anderen Grund eine besondere Bedeutung. Nachdem die Partei bisher nicht in die Nähe der für den Bundestagseinzug relevanten Fünf-Prozent-Hürde gekommen ist, will sie in diesem Jahr erstmals auch in Berlin Fuß fassen.
Im Wahlkampf sorgte dies für heftigen Streit mit der CSU, der auch die Regierungsarbeit in Bayern immer wieder beeinträchtigte. Sollte Aiwanger entgegen allen Umfragen wirklich der Coup gelingen, müsste nicht nur sein Platz im bayerischen Kabinett als Wirtschaftsminister neu besetzt werden. Die Koalitionäre müssten dann auch bis zur Wahl in Bayern in zwei Jahren wieder ein verträglicheres und glaubhaftes Miteinander finden, da gerade konservative Wähler durch offene Machtkämpfe abgeschreckt werden. Andernfalls dürfte der Zuspruch der Bayern zu einer Fortsetzung von Schwarz-Orange weiter sinken.
Kein Wunder also, dass SPD, Grüne und FDP, AfD und die im Landtag nicht vertretene Linke alles daran setzen, mit neuem Rückenwind aus der Bundestagswahl auch in Bayern mehr Stimmen zu ergattern. Insbesondere SPD, Grüne und FDP spekulieren dabei auf einen positiven Effekt, den ihnen eine Regierungsbeteiligung im Bund bescheren könnte. Denn bisher war es immer der Anspruch der CSU, die Interessen Bayerns im Bund zu vertreten, was ihnen dann auch bei Wahlen auf Europa-, Landes- und sogar auf kommunaler Ebene Vorteile verschaffte.
Abgesehen vom prozentualen Ergebnis der Wahl wird mit Spannung erwartet, ob es SPD und Grünen gelingen kann, der CSU die per Erststimme zu vergebenden Direktmandate streitig zu machen. Gerade in den Ballungszentren München, Nürnberg und Augsburg fürchtet die CSU, Verluste hinnehmen zu müssen, da die Wahlergebnisse in städtischen Gebieten schon lange heterogener ausfallen als auf dem Land. Ein Grund dafür ist der seit Jahren massive Zuzug von Menschen nach Bayern, die sich ihrerseits nicht mit der klassischen CSU-Mentalität identifizieren können oder wollen.
Sollte die CSU aus der Bundesregierung fliegen - eine Juniorpartnerschaft als nicht stärkste Kraft in einer Koalition hat Söder bisher immer ausgeschlossen - könnte dies aber auch in der Partei eine massive Trotzreaktion auslösen, ist aus der CSU zu hören. Dann sei damit zu rechnen, dass Söder bis zur Wahl die Politik der neuen Bundesregierung massiv angreife. Schon im Wahlkampf verwies er zuletzt immer wieder darauf, dass Bayern von einer Regierung ohne die CSU massive Nachteile zu befürchten habe.