Dass der Chieminger Bäckerhof eine gewisse Tradition hat, lässt die massive doppelflügelige Haustür erahnen. An der Klingel steht der Name Gradl. Und wenn man sich traut zu läuten, kann es sein, dass die Austragsbäuerin Kreszenz Gradl (84) öffnet. Der Hof heißt »Beim Bäcker« und geht bis in die Zeit Anfang des 13. Jahrhunderts zurück, damals noch als »Seehof mit Mühle« bezeichnet.
Der See meint den benachbarten Pfeffersee, der neben dem Hof inmitten von Chieming gelegen ist. Auch eine Mühle war stets mit dem Hof verbunden, deshalbbetrieb der Hof auch lange Zeit eine Bäckerei, die es bis heute ein paar Häuser weiter gibt. Gefragt, ob die Hausbewohnerin denn eine Geschichte zum Haus erzählen könne, beginnt sie sofort, mit der Hofgeschichte loszulegen. 1865 sei nach dem Abriss des alten Hofs der jetzige im Itakerstil aufgebaut worden. Einer der ersten Bewohner des Hofs war Wolfgang Millkreiter, der Urgroßvater von Kreszenz Gradl. »Er war nur sechs Jahre Bürgermeister, von 1876 bis 1882«, sagtdie Austragsbäuerin. Und Gründungsmitglied der Chieminger Feuerwehr.
Kreszenz Gradl erwähnt auch ihren Opa, der ebenfalls Wolfgang Millkreiter (1863 bis 1944) hieß, und von 1905 bis 1933 Chieminger Bürgermeister und Ehrenbürger war. Das ist so auch auf der Hoftafel zu lesen. Kreszenz Gradl erzählt voll Stolz davon, dass ihr Opa von den Nazis abgesetzt wurde. Dass ihr Opa gegen die Nazis eingestellt war, daran könne sie sich noch sehr genau erinnern.
Zunächst hat Kreszenz Gradl den Hof an ihren Sohn übergeben, vor zwei Jahren übergab ihn dieser an Wolfgang Josef Gradl (26), also den Enkel der 84-Jährigen. Die Tierhaltung am Hof ist schon seit längerem aufgegeben, Wolfgang Josef Gradl wohnt im benachbarten Zuhaus, Kreszenz Gradl hat mit ihrem Mann Alfons Wohnrecht auf Lebenszeit im Itakerhof.
Vor ihrer Haustür fotografieren lassen möchte sich Kreszenz Gradl lieber nicht, dies übernimmt der neue Hauseigentümer, der in München derzeit an der TU Management und Technology studiert. Der gelernte Bankkaufmann hat als Berufsziel Steuerberater, er möchte den Hof auf jeden Fall erhalten. »Wie ich das finanziell auf die Reihe bringe, steht momentan noch in den Sternen. Ich muss jetzt erst einmal mein Studium fertig machen, dann beruflich auf die Füße kommen, und dann schauen wir weiter«, sagt der junge Hofbesitzer.
Während des Haustürgesprächs mit Kreszenz Gradl kommt spontan auch noch die entfernte Nachbarin Eva-Maria Schönherr (67) dazu, die zufällig beim Nachmittagsspaziergang vorbeikommt. 2005 kam sie erstmals aus ihrer hessischen Heimat Fulda nach Chieming, um beim Seminarhotel Jonathan in Hart als Köchin zu arbeiten. Nun wohnt sie zur Miete an der Chieminger Hauptstraße. Eva-Maria Schönherr wollte eigentlich einmal Klosterschwester werden, erzählt sie. »Mittlerweile bin ich aber aus der Kirche ausgetreten, die sexuellen Ausschweifungen im Fuldaer Priesterseminar gaben mir den Rest.« Bei Jonathan in Hart war sie nur zwei Jahre, danach ist Eva-Maria Schönherr mit den Jonathan-Pächtern nach Kärnten gezogen, um ein Gasthaus zu bewirtschaften, und von da zog sie nach Portugal, »um eine neue Sprache zu lernen«. Schließlich kam sie über Umwege nach Chieming zurück, ist seit zwei Jahren Rentnerin, und traf – wie sich am Schluss des Haustürgesprächs herausstellt – einmal den Tatortkommissar Richy Müller beim Bäcker Stumhofer. »Ich sagte ihm, dass er mir im Fernsehen sehr gut gefällt. Da hat er sich gleich den Kaffee über seinen blauen Pullover geschüttet. Ich hatte den Eindruck, dass er seinen Text nicht gelernt hatte, denn beim Stumhofer sagte er viel weniger als im Fernsehen«, scherzt Eva-Maria Schönherr. – Kreszenz Gradl erwähnt am Ende noch, dass ihr Krimis zu grausam sind, deshalb schaue sie keinen Tatort an. Dann geht sie wieder ins Haus, das Haustürgespräch hat sein Ende gefunden.
Arno Zandl
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