»Heutzutage, und das gab es bisher noch nicht, können viele Genres innerhalb von Rap nebeneinander existieren«, sagt Sebastian Schweizer, einer der Gründer des Cro-Labels Chimperator auf dem Hamburger Reeperbahnfestival. »Es gibt Straßenrap, der sehr erfolgreich ist. Aber genauso einen Casper, der mit Indiemusik mischt oder einen Cro, der mit Popmusik mischt.« Da sei für jeden etwas dabei und diese Vielfalt tue allen gut.
Deutsche Texte kamen nicht immer gut an
Ein weiterer Faktor ist die Sprache – das glaubt zumindest Jens »Spaiche« Ihlenfeldt, der 2001 mit zwei Partnern Aggro-Berlin, das frühere Label von Sido und Bushido ins Leben rief. »Deutsch versteht jeder«, sagt der 44-Jährige. »Egal ob es um Liebe oder Gewalt geht. Wenn es in der Muttersprache gesagt wird, empfindest du mehr. Kunst funktioniert, wenn sie emotionalisiert.« Dabei kamen deutsche Texte in der Hip-Hop-Szene ursprünglich nicht immer gut an.
Rückblick: Vor 25 Jahren begannen vier Stuttgarter Jungs auf Deutsch zu rappen. »Die Fantastischen Vier waren die ersten, die deutschsprachigen Hip-Hop massenkompatibel gemacht und aus der Nische in den Mainstream getragen haben«, erklärt Professor Hubert Wandjo von Popakademie Baden-Württemberg. Zuvor wurde fast ausschließlich auf Englisch gerappt. »Unsere Entscheidung für die deutsche Sprache war damals eine pionierhafte Entscheidung«, sagte Bandmitglied And.Ypsilon kürzlich der dpa. »Wir wurden mit unseren deutschen Texten entsprechend beäugt. Das fanden alle nicht nur cool.«
Doch der Trend setzte sich bundesweit durch: In Stuttgart rappen in den 1990er Jahren Freundeskreis und Massive Töne. In Frankfurt die Jungs vom Rödelheim Hartreim Projekt. Der norddeutsche Hip-Hop war geprägt von Fettes Brot, Absolute Beginner oder Fünf Sterne Deluxe. Und in Berlin versammelten sich etwas später Gangsta-Rapper wie Bushido oder Fler.
»Hip-Hop ist das neue Pop«
Auf die erste Erfolgswelle folgten Rückschläge. So scheitert etwa der Versuch, einen Ableger des legendären US-Labels Def Jam dauerhaft in Deutschland zu etablieren. »Hip-Hop hatte damals nicht die Basis wie in Amerika, das konnte nicht funktionieren«, sagt Ihlenfeldt. Bei den großen Labels habe die Kompetenz gefehlt. Und: »Damals gab es die Größe des Genres und der Zielgruppe gar nicht.« Das sei heute ganz anders.
»Hip-Hop ist das neue Pop«, sagt auch Elvir Omerbegovic. »Es ist populäre Musik und die Radiostationen werden bald nicht mehr umhin kommen, Rap-Songs zu spielen, auch wenn sie ein Schimpfwort enthalten.« Der Düsseldorfer gründete 2005 sein Label Selfmade Records, das in den vergangenen eineinhalb Jahren drei Nummer-1-Alben herausbrachte. Darunter »King« von Kollegah. Der Gangsta-Rapper verbuchte damit den bis dato erfolgreichsten Download-Start aller Zeiten. Zudem ist es das bislang zweiterfolgreichste Album des Jahres nach Helene Fischers »Farbenspiel«.
Dabei spielen Radiosender längst nicht mehr eine so bedeutende Rolle, um Fans und potenzielle Käufer zu erreichen. »Darauf sind wir nicht angewiesen«, sagt Omerbegovic. Viel wichtiger sei die direkte Kommunikation über das Internet. So betreibt sein Label beispielsweise einen eigenen You-Tube-Kanal mit 800 000 Abonnenten.