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Vom Cerro Torre und vom Mound Asgrad hatte Thomas Huber auch Steine zum Anfühlen mitgebracht. (Foto: Mergenthal)

Eine Lebensreise zu tiefen Glücksgefühlen

Nachdenklich und still eröffnete Extremkletterer Thomas Huber seinen Benefizvortrag in Bad Reichenhall, nachdem er mit Bärbel Hirschbichler sowie dem AK Karakorum und dem AK Technik die etwa 200 Besucher begrüßt hatte. Er lud alle ein, die Opfer des Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen in Gedanken mitzunehmen. Auch Kinder aus dem Landkreis, die ebenfalls beim Austausch in Barcelona sind, hätte es treffen können. Die Tragödie mache bewusst, wie schnell alles vorbei sein kann.


Mit kraftvollen Bildern und Erzählungen nahm Thomas Huber dann in »Sehnsucht Torre« die Zuhörer in der Mehrzweckhalle des Karlsgymnasiums mit auf seine Lebensreise, deren Symbol die steile Granitnadel des »Cerro Torre« in Patagonien ist. Zugunsten der Himalaya-Karakorum-Hilfe kamen etwa 2200 Euro zusammen. Hirschbichler plant, den Erlös für laufende Kosten im neu errichteten Mädchenwohnheim zu verwenden.

Geschichten über den Cerro Torre

Eine Oase auf Hubers Sehnsuchtsreise ist die kleine Cioccolateria in Patagonien, wo er sein Tagebuch weiter schreibt und wo Bilder an die Geschichte von Generationen von Bergsteigern mit diesem Berg erinnern – oder auch ein nagelneues Fahrrad an der Decke, das sich ein Alpinist vor seinem Absturz aus seiner Heimat hierher ins südlichste Argentinien schicken ließ.

Am Rande war einiges über die dramatische Besteigungsgeschichte des 3128 Meter hohen, schroffen Cerro Torre zu erfahren. Die Erstbesteigung soll 1959 Cesare Maestri und dem Tiroler Toni Egger, der beim Abstieg durch eine Eislawine verunglückte, über die Nordwand gelungen sein. Elf Jahre später kehrte Maestri zurück und bohrte sich mit etwa 300 Bohrhaken über die Südwest-Flanke hinauf. Aus dieser sogenannten »Kompressorroute«, die der Österreicher David Lama Rotpunkt, also ohne Belastung der Sicherungskette, klettern wollte, entfernten zwei Nordamerikaner Anfang 2012 die Bohrhaken einfach wieder. Lama musste sein Projekt variieren und beging den Cerro Torre entlang der Kompressorroute wenige Tage später ohne Bohrhaken frei.

Thomas Hubers Vision seit 2005 ist es, den Cerro Torre über sämtliche Zacken rechts von ihm (von vorne gesehen) zu erklimmen. Beharrlich blieb er an seinem Traum, den er so bis heute nicht verwirklichen konnte, der ihm jedoch viele andere Abenteuer bescherte, dran. Eines davon war die ursprünglich so nicht geplante Überschreitung des Cerro Standhart, Punta Herron und Torre Egger mit dem verrückten jungen Walliser Andi Schnarf, die Huber wie ein Theaterstück erzählte. Sie zitterten auf einem schmalen Band ohne Biwaksack zwei Stunden vor Kälte und wurden mit einem überwältigenden Sonnenaufgang am Torre Egger, den sie als sechstes Team überhaupt bestiegen, entschädigt. Auch Anekdoten hörten die Vortragsgäste, wie die Erzählung eines Bergsteigers 2006, als das patagonische Wetter noch schlechter als 2005 war: Der Kollege konnte sich an ein Jahr mit einer ähnlichen Mäuseplage erinnern, in dem man die Mäuse einfach mit viel scharfem Gewürz zu einem Gulasch verkochte.

»Vor mir hat sich ein Abgrund aufgetan«

Dazwischen erzählte der Berchtesgadener von seinen anderen Projekten und ließ sein Publikum unter anderem den Kletterer-Krimi um die siebte Seillänge am Mount Asgrad auf Baffin Island miterleben. Auf dessen Gipfel erfuhren die Huber-Brüder und ihr Seilpartner Mario Walder vom tödlichen Absturz der Osttiroler Bergsteigerlegende Josef Mayerl an seinem Hausberg. Zum Nachdenken regte Huber angesichts der von der Regierung errichteten Container-Häuser für die Inuit an, in denen diese nun gut versorgt vor ihren Fernsehern hocken, ihres Lebenssinns, des Jagens und Fischens, beraubt.

Ebenso zeigte er auf, wie der Konkurrenzdruck unter Extremsportlern manche Teams zu grenzwertigen Unternehmungen verleitet. Ein Wendepunkt im Leben war für Thomas Huber, als auf seiner linken Niere bei einer Routineuntersuchung vor einem hoffnungsvollen erneuten Patagonien-Aufbruch 2011 ein Karzinom diagnostiziert wurde. »Vor mir hat sich ein Abgrund aufgetan«, betont er. Am meisten beunruhigte ihn, was er seinen drei Kindern sagen soll.

Seine Wiedergenesung nach einer Operation erfüllte ihn mit tiefer Dankbarkeit, die in den Glücksgefühlen der Winterbegehung des Cerro Torre 2013 gipfelte. Aus dem letzten Tagebucheintrag wurde der wilde Rocksong »Desire« für seine Band »Plastic Surgery Disaster«, mit dem der Vortrag ausklang. Dank der von Huber mitgebrachten, im Saal kreisenden Steine konnten die Zuhörer ein Stück vom Cerro Torre erfühlen. vm