Zur Frage der Burgställe im Landkreis
War die Eiszeit ihr erster Baumeister?




Klickt man in Wikipedia die Seite »Burgen und Schlösser im Landkreis Traunstein« an, erhält der Leser in tabellarischer Form eine stattliche Liste von immerhin 67 solcher Anlagen. Dort ist vermerkt, welcher Art die Baulichkeiten sind – falls noch vorhanden –, ob sie dokumentiert sind oder nicht, welche Reste heute noch zu sehen sind und dergleichen mehr. Manche Burg, manches Schloss ist uns Landkreisbürgern bestens bekannt, zum Beispiel Schloss Marquartstein oder die Höhlenburg von Stein an der Traun, von anderen hat man wenig oder nichts gehört. Bei einem genaueren Blick auf die Letztgenannten fällt auf, dass nicht wenige von ihnen in Bereichen liegen, wo die Schmelzwässer der letzten Eiszeit (des sogenannten Würm-Komplexes) Gebilde aufgebaut haben könnten, die tatsächlich an künstlich angelegte Burghügel erinnern. Die Fachwelt spricht von Kames und Kames-Terrassen, Resten von Osern und verfüllten Gletschermühlen. Diese Arbeit soll der Frage nachgehen, ob all die Burgställe, Turmhügelburgen, Motten und abgegangenen Burgen – so die Bezeichnungen für die Anlagen in der Wikipedia-Liste – wirklich nur vom Menschen angelegte Gebilde sind, also Artefakte, oder ob es sich nicht vielmehr, zumindest in einigen Fällen, um Kames oder dergleichen handelt, die später, in geschichtlicher Zeit, dann vom Menschen als Basis von Burgen oder anderen Wohn- und Wehranlagen genutzt wurden.
Was sind Kames?
Darunter versteht die Glazialmorphologie (Lehre von Oberflächenformen der Erde, die durch Gletschereis, durch die Schmelzwasserströme oder Gletscherwinde verschiedener Eiszeiten verursacht wurden) hügelartige, oben flache Erhebungen im Randbereich von Gletscherloben, wo die beachtlichen Mengen an Schmelzwasser während der eiszeitlichen Sommer oder beim Gletscherverfall abflossen. Diese führten große Mengen an Geröll, Sand und Kies mit sich, die sie normalerweise im Vorfeld der Gletscher ablagerten und so die großen Schotterebenen bildeten, die wir im Alpenvorland beobachten können. Stößt allerdings der Schmelzwasserstrom auf ein Hindernis, so wird er abgebremst und verliert seine Schleppkraft; das mitgeführte Material wird an Ort und Stelle abgelagert. Solche Hindernisse können Hangsporne sein, meist aber Randspalten des Gletschers oder große Eisblöcke, die beim Gletscherrückzug aus der Eisfront herausbrechen. An deren steilen Wänden wird das mitgeführte Material abgelagert. Schmilzt im Laufe der Zeit das Eis, bleiben steilwandige, oben verebnete Hügel zurück: Kames oder Kames-Terrassen sind entstanden.
Wo könnten Kames im Landkreis zu finden sein?
Die Antwort ergibt sich aus den oben genannten Feststellungen. Überall dort, wo die würmeiszeitlichen Eisloben des Inn-Chiemsee-Gletschers oder des Salzach-Saalach-Gletschers ihre großen Massen an Schmelzwasser randlich abführten, können Kames entstanden sein. Am Ende der Würmeiszeit vor etwa 10 000 Jahren bildeten sich mit dem Rückzug des Eisrandes sukzessive mehrere solcher großen Abflusssysteme heraus. Für den Salzach-Saalach-Gletscher waren dies das Pallinger, das Schnitzinger und das Ollerdinger Abflusssystem an der Westseite des Lobus.
Der Eisrand löste sich von den jeweiligen Endmoränenstaffeln (Nonnreiter Phase, Radegunder Phase, Lanzinger Phase) ab. Die Wassermassen flossen nun zwischen der konvexen Gletscheroberfläche und den randlichen Moränen ab und wurden zur Ur-Alz, später in den Tittmoninger See geleitet, nach dessen Auslaufen in das Durchbruchstal der Salzach nördlich von Tittmoning. Östlich davon zog sich der Saalach- Gletscher in das Zungenbecken des Waginger-Tachinger Sees zurück. Dort wurde das Schmelzwasser zwischen Gletscherrand und dem steilen Relief zwischen Bicheln und Gessenhausen nach Norden abgeleitet, bildete später dort einen ersten Vorsee und brach schließlich Richtung Harmoning zur Salzach durch. Die Seeoberfläche spiegelte zu dieser Zeit bedeutend höher als im heutigen Restsee, der nach Süden über die Götzinger Ache entwässert. Überall in den genannten Bereichen könnte es zur Bildung von Kames gekommen sein. Für den Inn-Chiemsee-Gletscher wie überhaupt für die gesamte würmeiszeitliche Vorlandvergletscherung dürften analoge Überlegungen gelten.
Sind viele Burgställe auf Kames errichtet?
Aus dem Blickwinkel der bisher genannten Überlegungen fällt auf, dass in der Tat eine Häufung von Burgställen im Landkreis und der bei Wikipedia genannten Reste früherer Wehranlagen genau in den betreffenden Bereichen zu beobachten ist. Dies gilt für folgende Beispiele, allesamt als Burgställe, also abgegangene Burgen, bezeichnet:
Taching, Burg bei Tengling, Törring, Gessenhausen, Ollerding, Diepling, Hechenberg, Kettenberg (Rampelsberg), Schlichten, ggf. auch Fisching und Pallinger Berg.
Ich stelle hier die These auf, dass die meisten aller Wahrscheinlichkeit nach in ihrer Basis oben verebnete Reste von eiszeitlichen Sedimentations- und Erosionsvorgängen sind. Digitale Geländeaufnahmen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege zeigen einen menschlichen Eingriff in Form von umlaufenden Gräben und dergleichen. Es wird wohl so gewesen sein, dass die Menschen im Mittelalter aus unterschiedlichen Gründen geeignete Standorte für Wohn- und Wehranlagen suchten und in den eiszeitlichen Hinterlassenschaften auch fanden. Sie nahmen dafür Nachteile in Hinsicht auf die topographische und militärisch- taktische Lage in Kauf, ersparten sich aber eine Unmenge Arbeit beim Aufschütten von Burghügeln. Es sind mehrheitlich keine Aufzeichnungen und Dokumente bekannt, die von der Existenz dortiger Turmhügelburgen, Motten etc. berichten. Es wurden in vielen Fällen auch keinerlei Mauerreste oder Relikte sonstiger Bauanlagen gefunden. Das liegt allerdings wohl daran, dass es diesen kleinen Anlagen an Bedeutung fehlte, sodass sie niemals in amtlichen Dokumenten erwähnt wurden wie die größeren Grafenburgen (zum Beispiel Törring). Die mittelalterliche Bauweise stützte sich vor allem auf Holzkonstruktionen, die im Laufe der Jahrhunderte nach Aufgabe des Wohnsitzes verschwanden. Das folgende Beispiel könnte näher beleuchten, wie man sich die Zusammenhänge zwischen eiszeitlicher Entstehung und späterer Nutzung als Burg vorzustellen hat:
Der Burgstall Gessenhausen
Dieser findet sich im bewaldeten Hang südwestlich von Gessenhausen an der Nordostseite des Tachinger Sees. Das Relief ist dort sehr steil, der Hang fällt von der Oberkante beim Weg zwischen Bicheln und Gessenhausen ziemlich abrupt ab in Richtung Seeoberfläche. Etwa auf halber Höhe stößt man auf einen ausgeprägten, nach Westen gerichteten Hangsporn, dem ein mehrere Zehner von Metern breiter Hügel vorgelagert ist. Dieser wird abgetrennt durch einen mehrere Meter tiefen und steilen Graben, der hangparallel verläuft und nach Norden zu in einer Verebnung endet, die mit ihrer ausgeprägten Abschlusskante unschwer als Terrasse zu erkennen ist.
Der »Turmhügel« selbst ist, wie die Umgebung, mit Bäumen bewachsen und weist steile Abhänge in alle Richtungen auf. Die Oberfläche ist durch den wohl jahrhundertelangen Bewuchs zerfurcht und kuppig geworden; es lässt sich allerdings erkennen, dass die Oberfläche im Gesamtbild eben verläuft. Trotz der intensiven Verwitterungsarbeit erblickt man auf dem Hügel gerundetes oder kantengerundetes Material. Solches kann nur durch fluviatilen Transport (also durch ein fließendes Gewässer) entstanden sein. Daraus ergibt sich folgendes mögliche Szenario:
Gegen Ende des würmeiszeitlichen Komplexes hatte sich hier der Gletscher von den örtlichen Endmoränen in das Waginger-Tachinger Zungenbecken zurückgezogen und lag nun mit seiner Oberfläche auf halber Hanghöhe. Das Schmelzwasser floss, wie bereits beschrieben, zwischen konvexer Eisfläche und dem steilen Relief an der Ostflanke nach Norden ab. Nun bildete sich durch den Eiszerfall eine breite Randspalte, die sich zur Gletschermitte hin verjüngte. Die Schmelzwässer stürzten in diese Spalte und füllten sie mit dem mitgeführten Geröll, Sand und Kies auf. Auf diese Weise entstand zunächst der große Hangsporn. Als sich die Oberfläche des Gletschers erneut tiefer legte, stand der Randbereich des Sporns zum Hang hin dem Abfluss im Weg. Während die weiter Richtung Gletschermitte liegenden Teile des Sporns noch von den Eismassen geschützt waren, konnte das Schmelzwasser randlich durchbrechen und so sukzessive den Graben anlegen. Dies ging so lange, bis die Grabentiefe das Niveau des sich bildenden Vorsees erreichte. Hier kam der Schmelzwasserstrom durch die Einmündung in den See zum Stillstand und baute nach und nach die oben erwähnte Terrasse auf, die sich allerdings durch die Tieferlegung des Seespiegels nicht zu einem vollständigen Delta entwickeln konnte. Als das Eis das Gelände vollständig freigab, war das entstanden, was heute als der »Burgstall« von Gessenhausen bezeichnet wird.
Die digitale Geländeaufnahme zeigt, dass dieses eiszeitliche Gebilde später von Menschenhand überformt wurde. Wahrscheinlich wurde der Graben randlich übersteilt und zu einem Spitzgraben geformt. Um den Hügel herum verläuft ein künstlich angelegter Graben, der den Zugriff auf die Burganlage erschweren sollte. Dass der Burgstall allein als Artefakt angesehen werden kann, wird durch die topographische Lage und militärisch-taktische Überlegungen stark in Frage gestellt. Es ist richtig, dass sich die Örtlichkeit nicht allzu weit entfernt von der ehemaligen Grenze zwischen Bayern und dem Erzstift Salzburg befindet. Die militärische Relevanz oder Brisanz dieser Grenze im Verlauf der Geschichte mögen die Historiker entscheiden. Aber: Welchen Sinn hätte eine solche Anlage als Wehrbau auf halber Höhe gehabt? Als Beobachtungsposten hinsichtlich einer feindlichen Überfuhr über den See hätte man den Turm wohl auf der oberen Hangkante angelegt. Zur Absicherung der Nordgrenze des Sees ist die Lage zu weit südlich, und diese Sperrung war bereits durch die Anlage in Burg besser bedient. Ein Wehrturm wäre schwer gegen Angriffe von oben zu verteidigen gewesen. Der Graben ist nur wenige Meter breit und wäre sogar durch einfache Leitern zu überwinden gewesen. Die Besatzung wäre einer intensiven Waffenwirkung, zum Beispiel auch durch Steinwürfe oder Brandpfeile ausgesetzt gewesen. Eine alleinige militärische Nutzung ist unter diesen Voraussetzungen nur schwer vorstellbar. All diese Überlegungen legen den Schluss nahe, dass der »Turmhügel« Gessenhausen eine Kamesbildung ist, die wahrscheinlich deshalb als Basis einer bewehrten Wohnanlage genutzt wurde, weil die Natur an dieser Örtlichkeit einen Turmhügel zur Verfügung stellte, der den Erbauern jede Menge Arbeit ersparte. Ein Denkmodell wäre, dass hier Angehörige des niederen Dienstadels, sogenannte Ministerialen, im Mittelalter einen Wohnsitz errichteten und sich damit von den »Dörpern«, den einfachen, unfreien Bauern und Dorfbewohnern, absetzten. Sie nahmen die taktisch ungünstige Lage in Kauf, die ihnen allerdings einen begrenzten Schutz gewähren konnte. Von hier aus konnten sie dann die ihnen unterstellten, landwirtschaftlichen Betriebe verwalten und überwachen.
Weitere Beispiele im Bereich des Waginger/Tachinger Gletscherlobus
Wendet man sich jetzt dem westlichen Randbereich der ehemaligen Vergletscherung des Waginger und Tachinger Seebeckens zu, so findet man analoge Erscheinungen, die wie eine Art Perlenschnur als »Burgställe« dort liegen, wo im Spät- und Postglazial der Würm-Vereisung die Schmelzwässer zwischen der Moränenkette und dem Gletscherlobus abgeleitet wurden. Es sind dies im Einzelnen: Hechenberg, Kettenberg, Ollerding, unter etwas anderen Gesichtspunkten auch Diepling und Schlichten.
Die Entstehung dieser Hügel geschah nach meiner Vermutung auf analoge Weise wie im Fall Gessenhausen. Allerdings werden dort weniger die Randspalten eine Rolle gespielt haben; vielmehr dürften die Hindernisse, die zur Kamesbildung geführt haben, aus großen Eisblöcken bestanden haben, die sich vom Gletscher lösten und sich dem Wasserstrom in den Weg gestellt haben. Die Charakteristik der Hügel lässt diesen Schluss zu. Dass in diesem Bereich große Wassermassen am Werk waren, kann man unschwer an den umfassenden Kieslagern erkennen, die heute von der Firma Oppacher abgebaut werden. Es handelt sich hier um das sogenannte Ollerdinger Abflusssystem, das die Schmelzwässer letztendlich zur Ur-Salzach ableitete. Es ist das innerste von drei analogen Systemen nach dem Schnitzinger und dem Pallinger Urstromtal. Alle diese Täler entstanden durch den sukzessiven Rückzug des Würmgletschers, der sich von seinen Endmoränen erst der Nonnreiter, dann der Radegunder und schließlich der Lanzinger Phase löste. Dass es dabei zum Herausbrechen großer Eisblöcke kam, ist sehr wahrscheinlich, ebenso die Bildung von Kames am inneren Abhang der Endmoränen. Das alles lässt den Schluss zu, dass die »Kette« von »Burgställen« auf diese Weise entstanden ist, es sich also gleichfalls ursprünglich nicht um Artefakte handelt. Zudem korrelieren alle genannten Standorte mit den gestuften Terrassen von Taching, die durch die sukzessive Ost- bis Südostverlagerung des Gletscherrandes im Tachinger Becken im Verlauf des Gletscherrückzugs entstanden. Sie stehen in Verbindung mit dem System von eisrandparallelen Gräben, die den Teisendorfer See in Richtung Salzach entwässerten. Beispiele dafür sind der Panolsgraben, der Dobelgraben, der Eisgraben und andere.
Zur Frage einer militärischen Nutzung dieser Burgställe ist, abgesehen vom Argument der Grenznähe, festzustellen, dass eine solche in dieser topographischen Lage wenig Sinn ergibt. Taktisch und aus dem Blickwinkel Richtung ehemalige Grenze gesehen, handelt es sich um sogenannte Hinterhangstellungen. Diese haben im Zeitalter weitreichender Schusswaffen durchaus Vorteile, weil sich angreifende Gegner als Ziele besonders gut abheben. Vor dem Zeitalter der Schusswaffen waren sie nicht nur wertlos, sondern gefährlich, weil Angreifer erst auf nächste Distanz wahrgenommen werden konnten. Wenn man diese Anlagen als Grenzbefestigungen künstlich errichtet hätte, dann doch wohl auf der Hangseite zum zu erwartenden Angreifer. Auch bei den hier angesprochenen Beispielen finden sich keinerlei bauliche Reste, und auch von einer Dokumentation ist meines Wissens nichts bekannt. Damit dürfte das Gleiche gelten wie im Fall Gessenhausen: Die »Burgställe« sind in der Basis Kames. Für ihren späteren Umbau zu Burganlagen gelten vermutlich die gleichen Überlegungen wie im Fall Gessenhausen.
Der Turmhügel von Fisching
Unter den Burgställen im hier diskutierten Bereich finden sich auch Beispiele, die nicht im unmittelbaren Randbereich der Vergletscherung liegen, sondern etwas innerhalb, zum Beispiel der Turmhügel von Fisching. Diesen findet man etwa einen Kilometer südlich von Tengling und östlich von Fisching im Seebecken des Tachinger Sees.
In diesem Fall zweifelt auch das Landesamt für Denkmalpflege daran, dass dieser Hügel jemals eine Wohn- oder Wehranlage trug – und das mit gutem Grund. Bevor der Waginger/Tachinger See im Jahr 1867 tiefer gelegt wurde, stand dieser Hügel in Ufernähe oder sogar im Wasser des Sees. An dieser Stelle ergibt die Aufschüttung eines Hügels für eine Wehranlage keinen erkennbaren Sinn. Der Hügel mit einem Basisdurchmesser von vielleicht 40 m besteht aus Kies, der an der Ostseite und Teilen der Kuppe in beträchtlichem Maße abgebaut wurde. Die angrenzenden Böden zeigen anmoorigen Charakter und werden durch Drainagegräben zum See hin entwässert; darunter liegen mit Sicherheit feine Seesedimente aus der Zeit, in der der postglaziale See bis zu den örtlichen Moränen reichte. Ein umlaufender Graben ist kaum andeutungsweise erkennbar, Ansätze dazu könnten auch als Viehgangeln gedeutet werden.
Welchen Sinn hätte es gehabt, riesige Mengen an Kies über Kilometer hinweg hierher zu karren? Hätte jemand hier eine Wehranlage errichten wollen, dann hätte er wohl zunächst einen tiefen Graben ausgehoben und das Material für die Aufschüttung des Hügels im Zentrum verwendet. Dann aber bestände dieser aus feinem Seesediment und nicht aus Kies, der ohnehin für Bauten weniger belastbar ist als dicht gepacktes Sedimentmaterial. Welche andere Erklärung wäre dann für die Entstehung des Hügels denkbar?
Die Antwort könnte wiederum die Glazialmorphologie leisten. Meines Erachtens handelt es sich bei dem Fischinger Hügel um die späteiszeitliche Verfüllung einer großen Gletschermühle, die sich dort im vorderen Zungenbereich des zusammenbrechenden Eislobus gebildet hatte und bis zur Gletscherbasis durchgebrochen ist. Die spätglazialen Schmelzwasserströme, welche die weiter südlich liegenden Terrassen von Taching angelegt haben, könnten samt ihrem mitgeführten Sand und Kies in die Mühle gestürzt sein und diese am Boden der Eismassen abgelagert haben. Da sich der Gletscher im ausklingenden Würm-Komplex mangels Eisnachschub nicht mehr bewegte, konnte er den subglazial geformten Hügel nicht mehr ausräumen. Dieser blieb unangetastet im Seebecken zurück. Außer dem Kiesabbau sind keine Spuren eines menschlichen Eingriffs erkennbar. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass dieses »Naturdenkmal« wohl niemals eine »Burg« trug.
Zusammenfassung
Sollte sich die hier vorgestellte Theorie als richtig erweisen, wäre in vielen Fällen zu prüfen, ob es sich bei einem Burgstall tatsächlich in der Basis um ein Artefakt, also um eine künstlich aufgeschüttete Anlage handelt, insbesondere dann, wenn die topographische Lage, die Höhenstellung und militärische Aspekte Zweifel an der optimalen Standortwahl lassen. Es wäre dann zu überlegen, ob man bestimmte Lagenachteile in Kauf nahm, um sich eine Menge Arbeit zu ersparen, weil die Natur die Basis für eine Wohn- und Wehranlage schon vorgab.
Die hier skizzierten Feststellungen müssten dann analog auch in allen anderen Bereichen der alpinen Vorlandvereisung gelten, wo ja gleiche Bedingungen herrschten, zumindest im nördlichen Alpenvorland. Für den südlichen Alpenrand gelten etwas andere Voraussetzungen, aber grundsätzlich ist die Entstehung von Kames und ähnlichen Erscheinungen auch dort naheliegend.
Der hier geschilderte Ansatz scheint im Bereich der Heimatpflege und -forschung nicht unbedingt auf Anklang zu stoßen. Vielleicht kann dieser Artikel den Anstoß zu weiterführenden Diskussionen und Überlegungen geben.
Willibald Fritz
Literatur:
Ehlers, Jürgen: Das Eiszeitalter, Heidelberg, 2011.
Fritz, Willibald: Wie entstand die Landschaft um Waging? Sonderheft des Vereins für Heimatpflege und Kultur Waginger See e.V., April 1991.
Fritz, Willibald: Wie unsere Landschaft entstand, in: Heimatbuch Waging am See, Band 1, S. 21 - 63, 2015.
Freundliche Auskünfte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege und von Herrn Siegfried Müller, Heimatforscher, Tengling.
3/2017