Was sich hinter Kreuzwegen und in Kirchenfresken verbirgt
Kurioses und Merkwürdiges in Gotteshäusern




In der Klosterkirche Sankt Margareta im ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift Baumburg kann der aufmerksame Betrachter zum Beispiel an der siebten Kreuzwegstation Merkwürdiges entdecken: Die Schächer, die Jesus zur Kreuzigungsstätte führen, tragen eine Fahne, deren Stange der österreichische Doppeladler ziert. Im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges musste Kurfürst Max Emanuel Bayern verlassen und Österreich besetzte das Land. Dass man die Österreicher als jene darstellte, die Jesus gefangen nahmen, sollte wohl eine Spitze gegen die verhasste Besatzungsmacht sein. So jedenfalls interpretiert es Ruhestandspfarrer Josef Stigloher, den wir für diesen Beitrag in den Chiemgaublättern in Willing bei Bad Aibling befragten. Stigloher war von 1977 bis 2012 Pfarrer in Baumburg und ist jetzt als Ruhestandsgeistlicher in der Stadtkirche Bad Aibling tätig.
Der Kreuzweg wurde vermutlich nach 1700 in der damals sehr hoch angesehenen Werkstatt von Johann Nepomuk della Croce in Burghausen angefertigt. Das Verhältnis zwischen Bayern und Österreich war zu jener Zeit alles andere als gut. Und so hat der Künstler mit diesem Bild die verhassten Österreicher zu den Schergen gemacht, die Christus gefangen genommen und an die Richtstätte geführt haben.
Auf einem anderen Kreuzweg ist Reichskanzler Otto von Bismarck als Scherge dargestellt. Die Kreuzwegstationen sind in Kiedrich im Rheingau. Eigentlich ist der Ort bei Kunstfreunden als »Schatzkästlein der Gotik« bekannt. Neben der Pforte zum Kirchhof entdeckt man an der fünften Kreuzwegstation eine außergewöhnliche Interpretation der Passion Christi: rechts der Messias mit dem Kreuz und links ein Wächter mit buschigem Schnauzbart, der sich die Szenerie anschaut. Es besteht kein Zweifel, dass der Künstler hier Fürst Otto von Bismarck abgebildet hat. Der Künstler hat damit seine ablehnende Haltung dem Reichskanzler gegenüber und zu dem im 19. Jahrhundert tobenden Kulturkampf in Stein gemeißelt.
Hier noch ein Beispiel aus unserer Region, das zeigt, wie auch Handwerker sich in Kunstwerken kritisch äußern können. Die Pfarrkirche Feichten im Landkreis Altötting wurde im Jahr 2014 renoviert. Ein Gerüst wurde aufgestellt, damit die Kirchenmaler die Motive des Deckengemäldes genauer unter die Lupe nehmen konnten. Da entdeckten sie, dass die Restauratoren, die hier Ende des 19. Jahrhunderts am Werk gewesen sind, ihren Arbeitsplatz nicht sonderlich geschätzt haben. Auf die aufgeschlagenen Buchseiten, die der heilige Ambrosius in Händen hält, schrieben sie: »Oh heiliger Ambrosius, in Feichten gar nichts los ist«. Im Buch von Papst Gregor dem Großen wurde folgender Text entdeckt: »Auf alle Blätter möcht ich schreiben, nicht angemalt in Feichten bleiben«. Diese historischen »Graffiti« stehen heute unter Denkmalschutz. Der Trostberger Kirchenmaler Franz Josef Soll hat sich im Jahre 1763 selbst ins Deckengewölbe des rechten Seitenschiffes integriert. Das Selbstbildnis hält einen Brief mit dem Absender Josef in Händen.
Kurioses kann man auch in der Martinskirche in Landshut entdecken. Das Gotteshaus hat mit 130 Metern nicht nur den höchsten Kirchturm in Bayern; man findet auch Abbildungen von Adolf Hitler und anderen Nazi-Größen, nämlich Joseph Goebbels und Hermann Göring. Abgebildet sind sie in den bunten Kirchenfenstern und ihre Funktion ist die von Folterknechten.
Mit diesen vier Beispielen soll es genug sein. Sie zeigen, dass sich schon zu allen Zeiten Künstler ihre Freiheiten genommen haben – selbst in Gotteshäusern.
Klaus Oberkandler
13/2017