Wallfahrtskirche Maria Eck
Wiedereröffnung vor 200 Jahren im Jahre 1813




Wer heute den Wallfahrtsort besucht, kann sich wohl kaum vorstellen, dass anfangs des 19. Jahrhunderts nicht viel gefehlt hätte, und die Wallfahrtskirche wäre eingerissen worden und damit die Wallfahrt nach Maria Eck für immer zum Erliegen gekommen. Es war schon so weit, dass die Wallfahrtskirche für die Wallfahrer geschlossen und ausgeräumt worden war, nur der opferbereite Einsatz der Chiemgauer und ihre Liebe zu ihrer Wallfahrtskirche rettete die Wallfahrt vor ihrem Untergang.
In diesem Jahr werden es 200 Jahre, dass die Wallfahrtskirche nach fast 10-jähriger Auseinandersetzung wieder eröffnet worden ist.
Wie kam es dazu, dass die blühende Wallfahrt sozusagen von heute auf morgen ein Ende finden sollte?
Die Wallfahrt geriet wie ein Blitz aus heiterem Himmel in die unheilvollen Mühlen der Zeitgeschichte, nämlich in die Wirren der Aufklärung und in ihrer Folge der Säkularisation.
In der Aufklärung glaubte man, die Volksfrömmigkeit auf das sogenannte »Vernunftgemäße« zurückschneiden zu müssen und unter anderem war man der Auffassung, dass für die Seelsorge die Pfarrarbeit genüge, und das hieß dann, dass man auf Wallfahrtsorte verzichten konnte.
Den Sinn und Wert von Wallfahrtsorten als Zufluchtsorte, in denen Menschen in ihren mannigfaltigen Anliegen und Nöten Hilfe suchen und finden, verkannte man ganz und gar.
Ein Kind der Aufklärung war die Säkularisation, in der der Staat sich das Recht anmaßte, Güter der Kirche in seinen Besitz zu nehmen.
Durch den Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 wurden alle Bistümer, Klöster und Stifte säkularisiert und aufgehoben. Die Aufhebung traf auch das Kloster Seeon und mit ihm das dazugehörige Maria Eck. Das Superiorat Maria Eck, zu dem neben der Wallfahrtskirche, auch ein Mesnerhaus, ein Wohnhaus für die Patres, eine Klosterwirtschaft, dazu noch Ökonomiegebäude mit Feldern und Wald gehörten, wurde durch Spezialbefehl vom 11. März 1803 aufgelöst.
Zunächst wurden die Güter von Maria Eck mit ihren Gebäulichkeiten veräußert. Dann ging es um die Wallfahrtskirche.
Den Behörden, die mit der Durchführung der Bestimmungen der Säkularisation beauftragt waren, war bei der Entscheidung, ob eine Kirche erhalten oder abgerissen werden sollte, wichtig, festzustellen, ob die Kirche für die pfarrliche Seelsorge gebraucht wurde. Was man den Behörden zugutehalten muss, dass sie nicht alleine entschieden, sondern den Pfarrer befragten, in dessen Pfarrsprengel die Kirche lag.
Im Fall der Wallfahrtskirche Maria Eck war der Pfarrvikar von Siegsdorf, Josef Lechner, zuständig.
Zum Schaden der Wallfahrtskirche war dieser aber von den Vorstellungen der Aufklärer infiziert, er konnte mit dem Wallfahrtswesen nichts anfangen und von daher war die Wallfahrtskirche für ihn unnötig; so war er ein großer Befürworter dafür, die Wallfahrtskirche abzureißen, und setzte sich dafür auch tatkräftig ein.
Es war also um das Bestehen der Wallfahrtskirche von vorneherein schlecht bestellt. Alles sprach dafür, dass das Aus der Wallfahrtskirche nicht abzuwenden war.
Und es wäre auch so gekommen, wenn nicht das gläubige Volk des Chiemgaus mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, sich gewehrt hätte und gegen diese Beschlüsse erbitterten Widerstand geleistet hätte, zum einen, dass sie trotz Verbot weiterhin ihre Wallfahrt nach Maria Eck machten wie z. B. Höslwang, die dafür sogar eine deftige Geldstrafe auf sich nahmen, zum anderen, dass sie immer wieder protestierten und Eingaben an die Behörden im Kreis und an die Regierung machten und auch bereit waren, die Wallfahrtskirche vor dem Einreißen zu schützen.
Die Entwicklung verlief zunächst eindeutig Richtung Abriss und Auflösung.
Es fing damit an, dass schon im September 1803 die kurfürstliche Direktion den Pfarrvikar von Siegsdorf beauftragte, die Aufsicht über die Wallfahrtskirche und ihre Gottesdienste zu übernehmen. Dieser nutzte diesen Auftrag gleich dazu, die Gottesdienste zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass die Votivgaben aus Wachs versteigert wurden.
Als er dann auch noch die Gottesdienstzeiten so ungünstig ansetzte, dass es für die meisten Wallfahrer unmöglich war, daran teilzunehmen, regte sich der erste größere Widerstand.
Gläubige von Siegsdorf, Bergen, Miesenbach und Inzell legten im März 1804 bei der Landesdirektion Beschwerde ein. Diese hatte aber keinen Erfolg, da die staatliche Behörde diese Beschwerde vom Pfarrvikar Lechner beurteilen ließ; dieser wies sie natürlich ab und betonte gleichzeitig, dass die Wallfahrtskirche nicht für Gottesdienste gebraucht würde.
So sprach die Landesregierung am 30. Juli 1804 die Entbehrlichkeit der Wallfahrtskirche Maria Eck aus und befahl die Schließung und Ausräumung der Kirche. Auch wurde der Abbruch der Kirche befohlen.
Nach der Sperrung der Kirche am 15. August 1804 erfolgte sofort die Ausräumung der Kirche. Die Kelche, Kirchengeräte und Paramente kamen nach München, einiges nach Siegsdorf. Die beiden Geistlichen verließen Maria Eck. Die Kirche wurde entweiht und es gab einen Gerichtsbeschluss, dass am 13. September 1806 das Gewölbe eingeschlagen werden sollte. Durch eine gezielte Indiskretion des Maurermeisters, der über den Auftrag seinem Bruder in Siegsdorf berichtete, wurde das Vorhaben in Windeseile unter der Bevölkerung bekannt. Die einheimischen Bauern und Holzknechte scharten sich auf die Nachricht hin um die Wallfahrtskirche und verhinderten den Abbruch der Gewölbe und sonstige Beschädigungen der Kirche.
Das war natürlich noch nicht die Rettung der Kirche.
Es folgten nun immer wieder Eingaben an die Regierung. Die Gemeinden um den Wallfahrtsort, Vachendorf, Bergen, Siegsdorf, Ruhpolding und Inzell taten sich zusammen, um die Wallfahrtskirche zu retten. Im März 1810 richteten diese Gemeinden an den König von Bayern ein Gesuch, worin sie um die Wiedereröffnung der schon sechs Jahre geschlossenen Wallfahrtskirche baten, und sich verpflichteten, für die Instandsetzung, Einrichtung und Erhaltung der Kirche aufzukommen.
Seitdem nennt man diese Gemeinden auch »die Garantiegemeinden von Maria Eck«, weil sie bereit waren, für den Unterhalt der Kirche aufzukommen und diese Zusage dann auch in die Tat umgesetzt haben.
Zunächst hatten diese Eingaben keinen Erfolg, ja es kamen noch weitere Tiefschläge dazu:
Es wurde von der Regierung des Salzachkreises beschlossen, das Gnadenbild, das Herzstück der Wallfahrtskirche, aus der Wallfahrtskirche zu entfernen. Am 24. Juni 1811 wurde das Gnadenbild nach Siegsdorf in die Pfarrkirche transferiert. Und am 25. Mai 1812 wurde vom Rentamt Traunstein die Kirche versteigert.
Inzwischen hatte aber der Widerstand Oberwasser gewonnen. Durch die verschiedenen Eingaben war inzwischen München hellhörig geworden, es gab auch bei Behörden und Regierungsstellen Fürsprecher, unter ihnen der Kronprinz Ludwig von Bayern.
So musste schon wenige Tage nach der Versteigerung der Kirche diese Versteigerung auf Anweisung der Regierung widerrufen werden und am 9. Oktober 1812 erfolgte der Beschluss der Spezial-Klosterkommission in München, dass die Kirche erhalten werden solle. Damit war die Wallfahrtskirche endgültig gerettet.
Daraufhin erteilte im Auftrag des bischöflichen Ordinariates in Freising der Dekan Obermaier von Haslach am 30. Juni 1813 der Kirche die neue Weihe. Nun fehlte in der Kirche noch das Wallfahrtsbild. Durch eine Bittschrift an den Kronprinzen anlässlich eines Besuches im Chiemgau im Oktober 1813 erreichten die Garantiegemeinden auch die Rückführung des Wallfahrtbildes im Dezember des gleichen Jahres.
So konnte die Wallfahrtskirche wieder in alter Herrlichkeit eingerichtet werden und die Wallfahrt erlangte in den Folgejahren eine neue Blüte.
13 Jahre später zeigten die Chiemgauer nochmals in besonderer Weise, was ihnen die Wallfahrtskirche wert war; in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von 31 Gemeinden mit 1457 Mann wurde im Oktober 1826 in 15 Tagen die Straße von Siegsdorf nach Maria Eck gebaut.
Dank dieses Einsatzes der Chiemgauer ist der Wallfahrtsort Maria Eck heute noch ein Kleinod dieser Gegend, ein Anziehungspunkt für die Gläubigen und aller, die Erholung suchen an Leib und Seele.
Pater Franz-Maria Endres
Quellenangabe:
Die Daten um die Vorgänge zur Schließung und Wiedereröffnung der Wallfahrtskirche Maria Eck entnahm ich vor allem dem Büchlein »Der Wallfahrtsort Maria Eck« von Edmund Wessig OFM Conv, 1975, Verlag Friede und Heil, Würzburg.
35/2013