Vor 70 Jahren kam Hitler an die Macht
Die Machtübernahme hinterließ auch bei den regionalen Medien ihre Spuren

Georg Eisenberger, der als Abgeordneter für den Bauernbund gegen die Nazis kämpfte.
Bunt gemischt werben die Überschriften der Zeitungen zum Kauf entgegen, wenn wir an einem Kiosk vorbeigehen. Eine Zeitungsvielfalt hat es auch früher gegeben, in der Zeit der Demokratie vor 1933, vor der Hitlerzeit, auch in Traunstein, im Chiemgau oder im Rupertiwinkel. Politisch haben damals bei uns die Volkspartei und der Bauernbund mit dem Abgeordneten Georg Eisenberger, dem Hutzenauer aus Ruhpolding eine tragende Rolle gespielt. Nicht uninteressant ist es dazu, in unserem damaligen »Wochenblatt« vor 70 Jahren zu blättern. Nur eine gute Woche vor dem so genannten »Machtantritt« Hitlers kann man auf Seite eins lesen:
Wie die Nazisozi in Wirklichkeit ausschauen? – Von Georg Eisenberger, Ruhpolding
»Am 16. Oktober 1931 hätten die Nazis die Gelegenheit gehabt, im Deutschen Reichstag ihr trust- und syndikatfeindliches Herz zu zeigen. Ein Antrag verlangte unter anderem die Senkung der überhöhten Kartellpreise und die Einführung einer strafferen Kartellkontrolle. Die 107 Abgeordneten stimmten aber geschlossen gegen den Antrag. ... In Hitlers »Arbeiter«-Partei sind Hohenzollernprinzen als »Schwerarbeiter« tonangebend. ... Parteisubventionen werden an die Nazi auf die einzelnen Brikettbetriebe unter Unkosten verbucht, das heißt diese Millionen werden auf die Kohlenpreise geschlagen, welche auch die ärmsten Kohlenverbraucher mitbezahlen müssen. ... Hitler soll nach einem Flugblatt die Herabsetzung der Ministergehälter in den von den Nazi geleiteten Ländern durchgesetzt haben, das Gegenteil ist der Fall. ...Zweihundert Ausschußsitzungen haben die Nazisozi im Reichstag geschwänzt! Stattdessen sind sie im Lande herumgereist, haben das Maul aufgerissen, geschimpft und gelogen, daß sich die Balken bogen.«
Noch heute konnte man im Januar 1933 solche Zeilen nicht verbieten. Am 27. Januar lesen wir im »Wochenblatt«:
»Die Warnung vor Staatsstreich. Der Parteivorstand der sozialdemokratischen Partei erhebt schärfsten Protest gegen den Plan der Proklamierung eines so genannten Notstandsrechts. Seine Verwirklichung würde auf einen Staatsreich hinauslaufen, der dem Volk seine verfassungsmäßigen Rechte raubt.« Schon einen Tag später lesen wir: »Schleichers Schicksal besiegelt und Bildung einer Mehrheitsregierung unter Führung Hitlers?«
Einen Monat später reist Dr. Wilhelm Högner nach Traunstein, um dort noch einmal öffentlich bei der Sozialdemokratischen Partei im so genannten Huttersaal zu sprechen: »Entscheidungskampf für Freiheit, Arbeit und Brot. Volksgenossen aller Stände kommt in diese Kundgebung. Es geht um Eure Zukunft.« Tagszuvor hatten bereits die Nazi mit einer Anzeige in den Wochinger Saal eingeladen. Der Sonntag brachte vormittags einen »großen S.A.=Aufmarsch in Traunstein« und es spielte die Kapelle der Leibstandarte München. Es folgte eine Ansprache auf dem Stadtplatz, dann ein Lichtbildervortrag im Wochinger Saal mit dem Hinweis. »Niemand versäume diesen Vortrag, der das NS-Arbeitsprogramm in der Tat vorführt. Die Lügner unserer Gegner werden durch diesen Vortrag zunichte.« Aber auch die Überschrift ist damals im »Wochenblatt« zu entdecken. Zeitungsverbote.
Im März 1933 beginnen dann bereits auch bei uns die Verhaftungswellen: »Aktion gegen die Kommunisten.
Traunstein. Wie wir erfahren, haben neuerliche Haussuchungen wieder verschiedenes Material zu Tage gefordert. Vorerst wurde Stadtrat Braxenthaler in Haft genommen. Die grüne Polizei wurde durch Münchner Landespolizei verstärkt.
Trostberg. Im Vollzuge gegen die Kommunistische Partei wurden der Führer der Trostberger Organisation Maier und der ebenfalls der KPD angehörige Gschirr in Schutzhaft genommen und nach Traunstein eingeliefert.
Bad Reichenhall. Das Verkehrslokal der KPD wurde von der Polizei durchsucht.«
Stadtrat ehrt Hindenburg und Hitler
Am 1. April 1933 ist es dann so weit, dass wir auch aus »Traunstein« solche Überschriften vorgesetzt bekommen und wir lesen: »Eine denkwürdige Sitzung - Wahrscheinlich die letzte dieses Stadtrates. Es war eine historische Sitzung. Vom Rathaus wehen die neuen Flaggen des neuen Reiches.« (Hinweis zur Erinnerung: Noch durfte damals neben der Hakenkreuzfahne auch die alte Reichflagge Schwarz-Weiß-Rot aufgezogen werden). »... Herr Sonderkommissar van der Osten und SA in Uniform sind anwesend, eine feierliche, ernste Stille herrscht im Saale. Traunsteins damaliger Erster Bürgermeister Dr. Vonficht führt dazu unter anderem aus: »Unser Reichspräsident von Hindenburg und die Mehrheit des deutschen Volkes haben sich dafür entschieden, daß die große nationale Bewegung zur Verantwortung und Leitung berufen werden soll. Diese Entscheidung ist für uns alle Befehl.« Wie sich die Entscheidung dann auswirkte, haben wir bald erfahren und wir Senioren erinnern uns sehr gut daran. Es kamen keine »Guten« Zeiten!
Auch daran sei erinnert. In Traunstein hat es damals vor 70 Jahren noch drei Zeitungen gegeben, das konservative »Traunsteiner Tagblatt«, eine liberale, das »Traunsteiner Wochenblatt« und bereits die Nazi-Zeitung »Chiemgau-Boten«. Ab 1936 durfte nur noch die Nazi-Zeitung erscheinen. Kommentar überflüssig! Der Druck fand zwar weiterhin mit der Wochenblatt-Maschine statt, denn dort hatte man ja die bessere Druckmaschine, allerdings war es dem Zeitungsverleger des »Traunsteiner Wochenblattes« verboten, die Redaktion zu betreten. Auch durften keine Artikel von ihm veröffentlicht werden.
Die Bevölkerung hatte sich freilich noch nicht so schnell umgestellt, wie wir über die Traunsteiner Stadtratssitzung vom 1. April 1933 lesen konnten. Diesbezüglich sollen hier Zeilen mit einem Wochenblatt-Bericht vom 14. Februar 1933 kommen: »Traunstein. Für den Chiemgauer Katholikentag am 13. und 14. Mai ist für den Abend des ersten Tages eine kurze Maiandacht mit anschließendem Flammenmarsch der Jugend durch die Stadt, an dem sich auch Kardinal Dr. Faulhaber beteiligen wird, vorgesehen. Den Abschluß dieser abendlichen Kundgebung bildet eine Sprechchorveranstaltung. Mit einer Predigt und Messe des Erzbischofs wird am 14. Mai der Hauptfesttag eingeleitet.« Ich selber war damals in der ersten Klasse des Gymnasiums und erinnere mich noch gut, dass ich in »weißem« Hemd und schwarzer Hose mit anderen Buben und Mädchen daran teilnehmen durfte. Noch war das »Braunhemd« der Hitlerjugend erst im Kommen, aber es war schon da, auch in Traunstein. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Tatsache, wie man (SA?) 1934 vom Balkon des Pfarrhofes ein Stück heruntersprengte und über die Pfarrei Traunstein für ein halbes Jahr den »Kleinen Kirchenbann« verhängte.
JM
5/2003
Wie die Nazisozi in Wirklichkeit ausschauen? – Von Georg Eisenberger, Ruhpolding
»Am 16. Oktober 1931 hätten die Nazis die Gelegenheit gehabt, im Deutschen Reichstag ihr trust- und syndikatfeindliches Herz zu zeigen. Ein Antrag verlangte unter anderem die Senkung der überhöhten Kartellpreise und die Einführung einer strafferen Kartellkontrolle. Die 107 Abgeordneten stimmten aber geschlossen gegen den Antrag. ... In Hitlers »Arbeiter«-Partei sind Hohenzollernprinzen als »Schwerarbeiter« tonangebend. ... Parteisubventionen werden an die Nazi auf die einzelnen Brikettbetriebe unter Unkosten verbucht, das heißt diese Millionen werden auf die Kohlenpreise geschlagen, welche auch die ärmsten Kohlenverbraucher mitbezahlen müssen. ... Hitler soll nach einem Flugblatt die Herabsetzung der Ministergehälter in den von den Nazi geleiteten Ländern durchgesetzt haben, das Gegenteil ist der Fall. ...Zweihundert Ausschußsitzungen haben die Nazisozi im Reichstag geschwänzt! Stattdessen sind sie im Lande herumgereist, haben das Maul aufgerissen, geschimpft und gelogen, daß sich die Balken bogen.«
Noch heute konnte man im Januar 1933 solche Zeilen nicht verbieten. Am 27. Januar lesen wir im »Wochenblatt«:
»Die Warnung vor Staatsstreich. Der Parteivorstand der sozialdemokratischen Partei erhebt schärfsten Protest gegen den Plan der Proklamierung eines so genannten Notstandsrechts. Seine Verwirklichung würde auf einen Staatsreich hinauslaufen, der dem Volk seine verfassungsmäßigen Rechte raubt.« Schon einen Tag später lesen wir: »Schleichers Schicksal besiegelt und Bildung einer Mehrheitsregierung unter Führung Hitlers?«
Einen Monat später reist Dr. Wilhelm Högner nach Traunstein, um dort noch einmal öffentlich bei der Sozialdemokratischen Partei im so genannten Huttersaal zu sprechen: »Entscheidungskampf für Freiheit, Arbeit und Brot. Volksgenossen aller Stände kommt in diese Kundgebung. Es geht um Eure Zukunft.« Tagszuvor hatten bereits die Nazi mit einer Anzeige in den Wochinger Saal eingeladen. Der Sonntag brachte vormittags einen »großen S.A.=Aufmarsch in Traunstein« und es spielte die Kapelle der Leibstandarte München. Es folgte eine Ansprache auf dem Stadtplatz, dann ein Lichtbildervortrag im Wochinger Saal mit dem Hinweis. »Niemand versäume diesen Vortrag, der das NS-Arbeitsprogramm in der Tat vorführt. Die Lügner unserer Gegner werden durch diesen Vortrag zunichte.« Aber auch die Überschrift ist damals im »Wochenblatt« zu entdecken. Zeitungsverbote.
Im März 1933 beginnen dann bereits auch bei uns die Verhaftungswellen: »Aktion gegen die Kommunisten.
Traunstein. Wie wir erfahren, haben neuerliche Haussuchungen wieder verschiedenes Material zu Tage gefordert. Vorerst wurde Stadtrat Braxenthaler in Haft genommen. Die grüne Polizei wurde durch Münchner Landespolizei verstärkt.
Trostberg. Im Vollzuge gegen die Kommunistische Partei wurden der Führer der Trostberger Organisation Maier und der ebenfalls der KPD angehörige Gschirr in Schutzhaft genommen und nach Traunstein eingeliefert.
Bad Reichenhall. Das Verkehrslokal der KPD wurde von der Polizei durchsucht.«
Stadtrat ehrt Hindenburg und Hitler
Am 1. April 1933 ist es dann so weit, dass wir auch aus »Traunstein« solche Überschriften vorgesetzt bekommen und wir lesen: »Eine denkwürdige Sitzung - Wahrscheinlich die letzte dieses Stadtrates. Es war eine historische Sitzung. Vom Rathaus wehen die neuen Flaggen des neuen Reiches.« (Hinweis zur Erinnerung: Noch durfte damals neben der Hakenkreuzfahne auch die alte Reichflagge Schwarz-Weiß-Rot aufgezogen werden). »... Herr Sonderkommissar van der Osten und SA in Uniform sind anwesend, eine feierliche, ernste Stille herrscht im Saale. Traunsteins damaliger Erster Bürgermeister Dr. Vonficht führt dazu unter anderem aus: »Unser Reichspräsident von Hindenburg und die Mehrheit des deutschen Volkes haben sich dafür entschieden, daß die große nationale Bewegung zur Verantwortung und Leitung berufen werden soll. Diese Entscheidung ist für uns alle Befehl.« Wie sich die Entscheidung dann auswirkte, haben wir bald erfahren und wir Senioren erinnern uns sehr gut daran. Es kamen keine »Guten« Zeiten!
Auch daran sei erinnert. In Traunstein hat es damals vor 70 Jahren noch drei Zeitungen gegeben, das konservative »Traunsteiner Tagblatt«, eine liberale, das »Traunsteiner Wochenblatt« und bereits die Nazi-Zeitung »Chiemgau-Boten«. Ab 1936 durfte nur noch die Nazi-Zeitung erscheinen. Kommentar überflüssig! Der Druck fand zwar weiterhin mit der Wochenblatt-Maschine statt, denn dort hatte man ja die bessere Druckmaschine, allerdings war es dem Zeitungsverleger des »Traunsteiner Wochenblattes« verboten, die Redaktion zu betreten. Auch durften keine Artikel von ihm veröffentlicht werden.
Die Bevölkerung hatte sich freilich noch nicht so schnell umgestellt, wie wir über die Traunsteiner Stadtratssitzung vom 1. April 1933 lesen konnten. Diesbezüglich sollen hier Zeilen mit einem Wochenblatt-Bericht vom 14. Februar 1933 kommen: »Traunstein. Für den Chiemgauer Katholikentag am 13. und 14. Mai ist für den Abend des ersten Tages eine kurze Maiandacht mit anschließendem Flammenmarsch der Jugend durch die Stadt, an dem sich auch Kardinal Dr. Faulhaber beteiligen wird, vorgesehen. Den Abschluß dieser abendlichen Kundgebung bildet eine Sprechchorveranstaltung. Mit einer Predigt und Messe des Erzbischofs wird am 14. Mai der Hauptfesttag eingeleitet.« Ich selber war damals in der ersten Klasse des Gymnasiums und erinnere mich noch gut, dass ich in »weißem« Hemd und schwarzer Hose mit anderen Buben und Mädchen daran teilnehmen durfte. Noch war das »Braunhemd« der Hitlerjugend erst im Kommen, aber es war schon da, auch in Traunstein. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Tatsache, wie man (SA?) 1934 vom Balkon des Pfarrhofes ein Stück heruntersprengte und über die Pfarrei Traunstein für ein halbes Jahr den »Kleinen Kirchenbann« verhängte.
JM
5/2003