Vor 150 Jahren nach Pozuzo (Peru) ausgewandert
Peru wollte deutsche Einwanderer – Teil II

Das Haus eines deutschen Kolonisten am Pozuzo
Im Mai 1858 machten sich die Männer auf den Weg. Freiherr von Schütz der am Tage zuvor in Santa Cruz eingetroffen war, hatte sich ihnen freiwillig angeschlossen und teilte mit seinem Freund Pfarrer Joseph Egg drei Tage lang alle Mühen, bis sie am Pozuzo eintrafen. Hier wurden dann die Ländereien verteilt und auf den Vorschlag Eggs pflanzte jeder Ansiedler für sich soviel, dass er nach Vollendung des Weges auf eigenen Grund das Nötigste vorfand. Erst im Jahre 1859 konnten dann die Ansiedler, die auf 170 Personen zusammengeschmolzen waren, endgültig ihre neue Heimat beziehen. Der Weg nach Pozuzo, ein schlechter Saumpfad mit vielen Zickzackwindungen, war erst kurz vorher fertiggestellt worden. Zwei Jahre lang waren die Einwanderer, durch die unverzeihliche Vernachlässigung der Regierung, seit ihrer Landung in Peru hingehalten worden. Dem Geist der Ordnung und des Fleißes, der das neue Gemeinwesen durchwehte, verdanken es die Siedler, dass die Ansiedlung schon nach einigen Jahren sich im guten Zustand befand.
Dem Freiherrn Schütz von Holzhausen wurde Jahre später von der peruanischen Regierung derselbe Vertrag angeboten, um wiederum deutsche Auswanderer in Peru anzusiedeln, doch er lehnte diesmal ab. So schloss die Regierung im Jahre 1867 mit J. P. Martin (peruanischer Konsul in Gent) und Santiago Scotland (peruanischer Konsul in Amsterdam) einen Vertrag über die Einführung deutscher Auswanderer ab. Die Unternehmer versprachen den Einwanderern freie Reise und Verköstigung von Antwerpen bis zum Mario, circa 40 Kilometer von Pozuzo entfernt, und dort freie Verpflegung der ersten sechs Monate. Die peruanische Regierung versprach ferner Ländereien als freies Eigentum, sowie die nötigen Ackergeräte. Diese Leute, meist aus Tirol stammend, waren ohne Auswahl von den Auswanderungsagenten angeworben worden und bestand zum Teil aus arbeitsscheues Gesindel, das nur schwer in Ordnung gehalten werden konnte.
Im Jahre 1868 verließen diese Europa mit Ziel Südamerika. Sie kamen im Oktober des gleichen Jahres, bei beginn der Regenzeit in Pozuzo an. Der noch nicht vollendete Weg zum Mario war schon so zerfallen, dass die Ankömmlinge vorerst in der alten Kolonie bleiben mussten. Da der Weg auch 1869 und 1870 nicht hergestellt wurde, mussten die Einwanderer, deren ursprüngliche Anzahl von 320 Personen auf etwa 200 zusammengeschmolzen war, von der Regierung unterhalten werden. Während die Ansiedler von Pozuzo durch Lieferung von Lebensmittel an die Neuankommenden einen Verdienst fanden, gewöhnten sich diese, da kein Zwang zur Arbeit vorlag, ans Faulenzen und Rumtrinken. Der Ansiedler von Pozuzo musste arbeiten um seine Familie ernähren zu können, der Neuankömmling aber führte, ohne zu arbeiten, ein besseres Leben. Es war ein Glück für Pozuzo als die Lieferungen von Lebensmitteln endlich aufhörten und die Arbeitsscheuen darauf die Ansiedlung verließen. Die noch gebliebenen 150 Personen siedelten sich an den beiden Ufern des Pozuzo, unterhalb der ersten Ansiedlung, und am rechten Ufer des Huancamba an. Ihre Ansiedlung am Tale des Mario war aufgegeben worden.
Die Ansiedlung am Pozuzo liegt durchschnittlich 800 Meter hoch. Am Fluss unten 752 m, am Osthang der Anden, die hier rasch abfallen. Der Fluss Pozuzo ist daher sehr reißend und die Überquerung mit dem Kahn lebensgefährlich. Die Entfernung von Pozuzo nach der Hauptstadt Lima, am großen Ozean, beträgt circa 450 Kilometer, wobei die Anden die hier dazwischen liegen, bis weit über 6000 m hoch aufragen. Höchster Berg in Peru ist der 6778 m hohe Huascaran, zweit höchster der 6632 m hohe Yarupaya, der sich etwa 150 Kilometer westlich von Pozuzo erhebt. Die Schneefallgrenze liegt in diesem Gebiet in einer Höhe von 5000 m.
Das Klima der Ansiedlung, ist durch die gesunde Gebirgsluft, günstig. Von den ersten Ansiedlern starb der Altbürgermeister Joseph Gstir, aus Stams in Tirol, erst im 90sten Lebensjahr. Das Thermometer kann im Hochsommer (Januar) bis 37 Grad Celsius steigen, während es im Winter (Juli) bis auf plus 12 Grad fallen kann, was hier schon als sehr kalt empfunden wird. Wir sind hier circa 1200 Kilometer südlich des Äquators. Die Niederschläge am Osthang der Anden sind häufig und ergiebig, so dass der Boden nie an Feuchtigkeit leidet. Aus diesen Grund werden die Häuser gerne auf Pfähle gebaut, um trockener zu wohnen.
Entsprechend der Niederschläge ist auch die Wasserführung der Bäche und Flüsse, besonders in der Regenzeit. Die Wasser des Pozuzo gelangen letztlich in den Ucayali. Dieser entsteht durch den Zusammenfluss von Urubamba und des Tampo, der sich oberhalb Ene nennt. Im Oberlauf von der Quelle her heißt er Apurimac (in der Quincha Indianersprache »Der große Rauscher«). Er entspringt in fast 5300 Meter Höhe, am Osthang der Kordillere de Chicla, im Süden Peru, etwa 150 Kilometer vom Pazifik (Stiller Ozean) entfernt. Der Zusammenfluss des Tampo und Urubamba erfolgt bei 260 m über dem Meer. Circa 1000 Kilometer hat er bis hierher zurückgelegt bei einen Höhenunterschied von 5000 m. Es ist schon angebracht wenn ihn die Indianer »den großen Rauscher« nannten, beim durchbrausen der tiefen, steilen und engen Felsschluchten. Nochmals 1000 Kilometer sind es bis zum Vereinen des Ucayal mit dem Maranon.
Die Vereinigung der beiden Flüsse, unterhalb des Dorfes Nauta, erfolgt auf einer Höhe von 114 m über dem Meer. Etwa 1800 m ist der Strom, jetzt Amazonas genannt, breit. Bis zu 16 m kann der Pegelstand, zwischen Niedrig- und Hochwasser steigen. Wenn man bedenkt, dass der Strom von hier noch etwa 4500 Kilometer zurückzulegen hat um den Atlantischen Ozean zu erreichen, kann man sich vorstellen zu welcher Seenlandschaft der Amazonas bei Hochwasser verwandeln kann. Seine jährliche Mittlere Wassermenge beträgt bei seiner Mündung 120 000 Kubikmeter pro Sekunde, die der Donau 6240, das nur zum Vergleich. Bis zu 600 Kilometer Stromaufwärts können sich Ebbe und Flut bemerkbar machen. Die Ansiedler von Pozuzo machten nach ihrer Ankunft den Boden kulturfähig. Angebaut wurden vor allem: Yuca (eine Kartoffel ähnliche Wurzelpflanze), Reis, Mais, Bananen, Zuckerrohr, auch Kaffee, Tabak und Coca. Mit Fleisch war es am Anfang schlecht bestellt, nur durch die Jagd konnte man hier etwas Abhilfe schaffen. Die Folge war, dass diese bald wenig mehr einbrachte. Durch einen bemerkungswerten Umstand wurde dann doch Abhilfe geschaffen. Die Ansiedler verdankten dies dem reichen in Lima ansässigen Hamburger Israeliten Johann S. Renner, der die Kolonie in ihren ersten schweren Anfängen 1858 besuchte und jeden Familienvater eine Kuh, ein Mutterschwein und eine Ziege, zusammen 180 Stück Vieh schenkte. Auch den Ankauf und Transport hatte dieser edle Menschenfreund bestritten, was ihm mehr als 1000 Dollar kostete.
Von da an konnten die Ansiedler Viehzucht treiben und hatten auch Fleisch, Fett und Milch. Eine Rohcocainfabrik die in Pozuzo errichtet wurde, sicherte den Ansiedlern die Abnahme ihrer gewonnenen Cocablätter. Schon nach 20 Jahren der ersten Ansiedlung gab es eine beachtliche Ausfuhr. Zu leiden hatte diese unter den weiten Entfernungnen und durch die schlechten Wegeverhältnisse im Gebirge, die in der Regenzeit oft unpassierbar wurden. Die Wege waren oft durch Hochwasser unterspült und durch Bergrutsche verlegt. Während Brücken und Stege meist weggespült wurden. Eine große Errungenschaft stellte die erste über den Pozuzo 1890 erbaute Drahtseilbrücke (genannt Kaiser Wilhemsbrücke) dar, die sich bewährte.
Günstig für die Ansiedler schien sich der Bau der 220 Kilometer langen Eisenbahn von Callo (der Hfen von Lima am Pazifik) nach Oroya 3785 m hochgelegen, auszuwirken. Die Oroyabahn wurde nach einer Bauzeit von 22 Jahren, infolge eines Krieges und des folgenden Staatsbankrottes, im Jahre 1892 fertiggestellt. Die Hälfte der Strecke von Pozuzo nach Lima konnte nun mit der Bahn zurückgelegt werden. Die höchste Stelle von 4780 m über dem Meer erreicht sie nach 170 Kilometer, beim verlassen des Galeretunnel, fast so hoch wie der Montblanc 4810 m, der höchste Berg Europas.
Die Ansiedler von Pozuzo waren von Anfang an bestrebt die kuturellen Gegebenheiten ihrer Heimat hier fortzusetzen. Für die Bedürfnisse von Kirche und Schule hatte nach dem Gesetz der peruanische Staat aufzukommen, doch dieser hatte oft kein Geld und Pozuzo lag weit ab am Rande des Urwaldes. So mussten sie sich bis zum Jahre 1876 mit einer hölzernen Notkirche begnügen, bis sie selbst die mit Steinen gebaute Kirche herstellen konnten. Ähnlich verhielt es sich mit der Schule. Jahreland waren die Eltern auf Privatunterricht und den guten Willen ihres Pfarrers angewiesen, der die Kinder bis 1865 ganz allein unterrichtete. Auch danach kam es etliche Male zur selben Situation wenn das Gehalt des Lehrers ausblieb. Wie der Pfarrer sein Haus allein bauen musste, so hat auch der Staat nicht für ein Schulhaus gesorgt.
Das Bindeglied zwischen den Rheinländern und Tirolern war von Anfang an der Pfarrer Joseph Egg. Dieser wurde am 13. März 1820 in Innsbruck geboren, ging dort aufs Gymnasium und studierte dann in Brixen Theologie, wo er 1843 zum Priester geweiht wurde. Er war dann 13 Jahre lang im Dienste der Seelsorge seiner Diözese tätig, zuletzt als Kaplan in Wald bei Imst (Tirol). Von Freiherrn von Schütz, dem er von P. Augustin Schere, Pfarrer von Stans empfohlen worden war, im Jahre 1856 für die Tiroler Kolonie in Peru gewonnen, begleitete er diese mit dorthin und teilte seitdem Freud und Leid mit ihnen.
Pfarrer Joseph Egg war nicht nur der geistige Vater und Lehrer, sondern auch der »leibliche Arzt und Seelsorger« im wahrsten Sinne des Wortes. Der mit ausgewanderte Arzt verließ die Kolonie gleich nach Ankunft in Peru und der zweite Tiroler Geistliche verließ sie später. Die Verhältnisse, unter denen der Pfarrer wirkte, waren zeitweise sehr drückend. Da sein Gehalt von der Regierung in der Regel ausblieb, war der Pfarrer in seinem Alter noch genötigt, mit seiner Hände arbeit sein Brot zu verdienen. Er verfertigte an der Drehbank besonders Spinnräder aus Mahagoni, die er verkaufte.
Um so verständlicher war es für die Gemeinde, sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum 1893, als ein wahres Freudenfest zu feiern. Hier wurde alles aufgeboten, von den Kranzljungfrauen, bis zu den Tiroler Schützen mit ihren prächtigen Hüten und Stutzen. Es wurde ein Feuerwerk abgebrannt und die weltliche Feier gestaltete sich zu einem wahren Volksfest. So ehrten sie ihren alten Pfarrer, der mit jeder Faser seines Herzens an seinem Schmerzenskinde hing, und als er im Jahre 1889 als Kandidat für den erledigten bischöflichen Stuhl von Huanuco genannt wurde, erklärte er sofort und entschieden, dass er sich von der Kolonie niemals trennen werde.
Siegfried Moll
Teil 1 in den Chiemgau-Blättern Nr. 28/2007, Teil 3 in Nr. 30/2007
29/2007
Dem Freiherrn Schütz von Holzhausen wurde Jahre später von der peruanischen Regierung derselbe Vertrag angeboten, um wiederum deutsche Auswanderer in Peru anzusiedeln, doch er lehnte diesmal ab. So schloss die Regierung im Jahre 1867 mit J. P. Martin (peruanischer Konsul in Gent) und Santiago Scotland (peruanischer Konsul in Amsterdam) einen Vertrag über die Einführung deutscher Auswanderer ab. Die Unternehmer versprachen den Einwanderern freie Reise und Verköstigung von Antwerpen bis zum Mario, circa 40 Kilometer von Pozuzo entfernt, und dort freie Verpflegung der ersten sechs Monate. Die peruanische Regierung versprach ferner Ländereien als freies Eigentum, sowie die nötigen Ackergeräte. Diese Leute, meist aus Tirol stammend, waren ohne Auswahl von den Auswanderungsagenten angeworben worden und bestand zum Teil aus arbeitsscheues Gesindel, das nur schwer in Ordnung gehalten werden konnte.
Im Jahre 1868 verließen diese Europa mit Ziel Südamerika. Sie kamen im Oktober des gleichen Jahres, bei beginn der Regenzeit in Pozuzo an. Der noch nicht vollendete Weg zum Mario war schon so zerfallen, dass die Ankömmlinge vorerst in der alten Kolonie bleiben mussten. Da der Weg auch 1869 und 1870 nicht hergestellt wurde, mussten die Einwanderer, deren ursprüngliche Anzahl von 320 Personen auf etwa 200 zusammengeschmolzen war, von der Regierung unterhalten werden. Während die Ansiedler von Pozuzo durch Lieferung von Lebensmittel an die Neuankommenden einen Verdienst fanden, gewöhnten sich diese, da kein Zwang zur Arbeit vorlag, ans Faulenzen und Rumtrinken. Der Ansiedler von Pozuzo musste arbeiten um seine Familie ernähren zu können, der Neuankömmling aber führte, ohne zu arbeiten, ein besseres Leben. Es war ein Glück für Pozuzo als die Lieferungen von Lebensmitteln endlich aufhörten und die Arbeitsscheuen darauf die Ansiedlung verließen. Die noch gebliebenen 150 Personen siedelten sich an den beiden Ufern des Pozuzo, unterhalb der ersten Ansiedlung, und am rechten Ufer des Huancamba an. Ihre Ansiedlung am Tale des Mario war aufgegeben worden.
Die Ansiedlung am Pozuzo liegt durchschnittlich 800 Meter hoch. Am Fluss unten 752 m, am Osthang der Anden, die hier rasch abfallen. Der Fluss Pozuzo ist daher sehr reißend und die Überquerung mit dem Kahn lebensgefährlich. Die Entfernung von Pozuzo nach der Hauptstadt Lima, am großen Ozean, beträgt circa 450 Kilometer, wobei die Anden die hier dazwischen liegen, bis weit über 6000 m hoch aufragen. Höchster Berg in Peru ist der 6778 m hohe Huascaran, zweit höchster der 6632 m hohe Yarupaya, der sich etwa 150 Kilometer westlich von Pozuzo erhebt. Die Schneefallgrenze liegt in diesem Gebiet in einer Höhe von 5000 m.
Das Klima der Ansiedlung, ist durch die gesunde Gebirgsluft, günstig. Von den ersten Ansiedlern starb der Altbürgermeister Joseph Gstir, aus Stams in Tirol, erst im 90sten Lebensjahr. Das Thermometer kann im Hochsommer (Januar) bis 37 Grad Celsius steigen, während es im Winter (Juli) bis auf plus 12 Grad fallen kann, was hier schon als sehr kalt empfunden wird. Wir sind hier circa 1200 Kilometer südlich des Äquators. Die Niederschläge am Osthang der Anden sind häufig und ergiebig, so dass der Boden nie an Feuchtigkeit leidet. Aus diesen Grund werden die Häuser gerne auf Pfähle gebaut, um trockener zu wohnen.
Entsprechend der Niederschläge ist auch die Wasserführung der Bäche und Flüsse, besonders in der Regenzeit. Die Wasser des Pozuzo gelangen letztlich in den Ucayali. Dieser entsteht durch den Zusammenfluss von Urubamba und des Tampo, der sich oberhalb Ene nennt. Im Oberlauf von der Quelle her heißt er Apurimac (in der Quincha Indianersprache »Der große Rauscher«). Er entspringt in fast 5300 Meter Höhe, am Osthang der Kordillere de Chicla, im Süden Peru, etwa 150 Kilometer vom Pazifik (Stiller Ozean) entfernt. Der Zusammenfluss des Tampo und Urubamba erfolgt bei 260 m über dem Meer. Circa 1000 Kilometer hat er bis hierher zurückgelegt bei einen Höhenunterschied von 5000 m. Es ist schon angebracht wenn ihn die Indianer »den großen Rauscher« nannten, beim durchbrausen der tiefen, steilen und engen Felsschluchten. Nochmals 1000 Kilometer sind es bis zum Vereinen des Ucayal mit dem Maranon.
Die Vereinigung der beiden Flüsse, unterhalb des Dorfes Nauta, erfolgt auf einer Höhe von 114 m über dem Meer. Etwa 1800 m ist der Strom, jetzt Amazonas genannt, breit. Bis zu 16 m kann der Pegelstand, zwischen Niedrig- und Hochwasser steigen. Wenn man bedenkt, dass der Strom von hier noch etwa 4500 Kilometer zurückzulegen hat um den Atlantischen Ozean zu erreichen, kann man sich vorstellen zu welcher Seenlandschaft der Amazonas bei Hochwasser verwandeln kann. Seine jährliche Mittlere Wassermenge beträgt bei seiner Mündung 120 000 Kubikmeter pro Sekunde, die der Donau 6240, das nur zum Vergleich. Bis zu 600 Kilometer Stromaufwärts können sich Ebbe und Flut bemerkbar machen. Die Ansiedler von Pozuzo machten nach ihrer Ankunft den Boden kulturfähig. Angebaut wurden vor allem: Yuca (eine Kartoffel ähnliche Wurzelpflanze), Reis, Mais, Bananen, Zuckerrohr, auch Kaffee, Tabak und Coca. Mit Fleisch war es am Anfang schlecht bestellt, nur durch die Jagd konnte man hier etwas Abhilfe schaffen. Die Folge war, dass diese bald wenig mehr einbrachte. Durch einen bemerkungswerten Umstand wurde dann doch Abhilfe geschaffen. Die Ansiedler verdankten dies dem reichen in Lima ansässigen Hamburger Israeliten Johann S. Renner, der die Kolonie in ihren ersten schweren Anfängen 1858 besuchte und jeden Familienvater eine Kuh, ein Mutterschwein und eine Ziege, zusammen 180 Stück Vieh schenkte. Auch den Ankauf und Transport hatte dieser edle Menschenfreund bestritten, was ihm mehr als 1000 Dollar kostete.
Von da an konnten die Ansiedler Viehzucht treiben und hatten auch Fleisch, Fett und Milch. Eine Rohcocainfabrik die in Pozuzo errichtet wurde, sicherte den Ansiedlern die Abnahme ihrer gewonnenen Cocablätter. Schon nach 20 Jahren der ersten Ansiedlung gab es eine beachtliche Ausfuhr. Zu leiden hatte diese unter den weiten Entfernungnen und durch die schlechten Wegeverhältnisse im Gebirge, die in der Regenzeit oft unpassierbar wurden. Die Wege waren oft durch Hochwasser unterspült und durch Bergrutsche verlegt. Während Brücken und Stege meist weggespült wurden. Eine große Errungenschaft stellte die erste über den Pozuzo 1890 erbaute Drahtseilbrücke (genannt Kaiser Wilhemsbrücke) dar, die sich bewährte.
Günstig für die Ansiedler schien sich der Bau der 220 Kilometer langen Eisenbahn von Callo (der Hfen von Lima am Pazifik) nach Oroya 3785 m hochgelegen, auszuwirken. Die Oroyabahn wurde nach einer Bauzeit von 22 Jahren, infolge eines Krieges und des folgenden Staatsbankrottes, im Jahre 1892 fertiggestellt. Die Hälfte der Strecke von Pozuzo nach Lima konnte nun mit der Bahn zurückgelegt werden. Die höchste Stelle von 4780 m über dem Meer erreicht sie nach 170 Kilometer, beim verlassen des Galeretunnel, fast so hoch wie der Montblanc 4810 m, der höchste Berg Europas.
Die Ansiedler von Pozuzo waren von Anfang an bestrebt die kuturellen Gegebenheiten ihrer Heimat hier fortzusetzen. Für die Bedürfnisse von Kirche und Schule hatte nach dem Gesetz der peruanische Staat aufzukommen, doch dieser hatte oft kein Geld und Pozuzo lag weit ab am Rande des Urwaldes. So mussten sie sich bis zum Jahre 1876 mit einer hölzernen Notkirche begnügen, bis sie selbst die mit Steinen gebaute Kirche herstellen konnten. Ähnlich verhielt es sich mit der Schule. Jahreland waren die Eltern auf Privatunterricht und den guten Willen ihres Pfarrers angewiesen, der die Kinder bis 1865 ganz allein unterrichtete. Auch danach kam es etliche Male zur selben Situation wenn das Gehalt des Lehrers ausblieb. Wie der Pfarrer sein Haus allein bauen musste, so hat auch der Staat nicht für ein Schulhaus gesorgt.
Das Bindeglied zwischen den Rheinländern und Tirolern war von Anfang an der Pfarrer Joseph Egg. Dieser wurde am 13. März 1820 in Innsbruck geboren, ging dort aufs Gymnasium und studierte dann in Brixen Theologie, wo er 1843 zum Priester geweiht wurde. Er war dann 13 Jahre lang im Dienste der Seelsorge seiner Diözese tätig, zuletzt als Kaplan in Wald bei Imst (Tirol). Von Freiherrn von Schütz, dem er von P. Augustin Schere, Pfarrer von Stans empfohlen worden war, im Jahre 1856 für die Tiroler Kolonie in Peru gewonnen, begleitete er diese mit dorthin und teilte seitdem Freud und Leid mit ihnen.
Pfarrer Joseph Egg war nicht nur der geistige Vater und Lehrer, sondern auch der »leibliche Arzt und Seelsorger« im wahrsten Sinne des Wortes. Der mit ausgewanderte Arzt verließ die Kolonie gleich nach Ankunft in Peru und der zweite Tiroler Geistliche verließ sie später. Die Verhältnisse, unter denen der Pfarrer wirkte, waren zeitweise sehr drückend. Da sein Gehalt von der Regierung in der Regel ausblieb, war der Pfarrer in seinem Alter noch genötigt, mit seiner Hände arbeit sein Brot zu verdienen. Er verfertigte an der Drehbank besonders Spinnräder aus Mahagoni, die er verkaufte.
Um so verständlicher war es für die Gemeinde, sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum 1893, als ein wahres Freudenfest zu feiern. Hier wurde alles aufgeboten, von den Kranzljungfrauen, bis zu den Tiroler Schützen mit ihren prächtigen Hüten und Stutzen. Es wurde ein Feuerwerk abgebrannt und die weltliche Feier gestaltete sich zu einem wahren Volksfest. So ehrten sie ihren alten Pfarrer, der mit jeder Faser seines Herzens an seinem Schmerzenskinde hing, und als er im Jahre 1889 als Kandidat für den erledigten bischöflichen Stuhl von Huanuco genannt wurde, erklärte er sofort und entschieden, dass er sich von der Kolonie niemals trennen werde.
Siegfried Moll
Teil 1 in den Chiemgau-Blättern Nr. 28/2007, Teil 3 in Nr. 30/2007
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