Jahrgang 2014 Nummer 33

Von der Messerschmiede zu einem angesehenen Wirtshaus

Gasthof Messerschmied in Rottau mit einer Tradition von mehr als 150 Jahren

Gasthof Messerschmied beim Hütter im Jahre 1900.
Lorenz Hütter, Wirt des Gasthauses Messerschmied in Rottau, 1890.
Gasthof Hilger im Jahre 1905.
Bieranlieferung beim Gasthof Hilger 1905.
KdF-Einzug in Rottau am 3. August 1935.
Berggasthof Adersberg (750 m) bei Rottau am Chiemsee, 1934.
Feuerwehr-Requisitenhaus direkt neben dem Gasthof Messerschmied.

Im Zentrum Rottaus direkt an der Bundesstraße steht der Gasthof Messerschmied.

Er ist nicht nur räumlicher Mittelpunkt der ehemaligen eigenständigen Gemeinde sondern auch gesellschaftlicher und kultureller Mittelpunkt über mehr als 150 Jahre.

Vor 1838 wurde das Haus des späteren Gasthofes wahrscheinlich von Josef Weißenbacher erbaut. Am 10. Mai 1838 erwarb er dazu von Johann Mayer, dem Inhaber des Tischlmühlgütls in Rottau die Messerschmiedgerechtsame mit dem Schleifmühlrecht um 50 Gulden. Auf den Jahrmärkten im Chiemgau bot er von da an seine Erzeugnisse an und war dadurch weit und breit bekannt.

Hierzu ist in einem Artikel des Traunsteiner Wochenblattes zu lesen (Erscheinungstermin unklar):

»Der Messerschmied von Rottau
Ein verschwundenes Gewerbe des Chiemgaus

Nur ein Wirtshausname erinnert noch an ein altes Chiemgauer Gewerbe, an den Messerschmied in Rottau. Im Gasthaus war die Werkstätte untergebracht, wo einmal auch Kreuzer geschlagen wurden, doch mit schlechtem Erfolg. Draußen am Saliterbach stand die Schleifmühle, die von einem Wasserrad betrieben wurde. Alte Leute erinnern sich noch gut an diesen Betrieb. Auf den Jahrmärkten fehlte der Messerschmied von Rottau nirgends. Am 22. Juni 1833 erhielt Josef Weißenbacher, Messerschmiedmeister, vom Landgericht Traunstein die Erlaubnis, mit seinen selbstgefertigten Messerschmiedwaren auf öffentliche Märkte des Königreiches Bayern zu ziehen.

Die Zunftgerechtsamkeit lag aber auf der Tischlmühle. So erwarb laut Kaufbrief vom 10. März 1838 Josef Weißenbacher von den Tischlmühl-Eheleuten Johann und Anna Mayer die Messerschmied-Gerechtsamkeit mit Schleifmühle um 50 Gulden. Am 14. Dezember 1838 stellte die Gemeinde ein Zeugnis aus, daß es nachgewiesen sei, daß das Handwerk eines Messerschmiedes in Rottau in Bezug auf das Verbot des Tragens von spitzen Messern eine Familie mit 12 Köpfen nicht ernähren kann. So wäre es angebracht, dort eine Bierwirtschaft zu eröffnen, da eine solche in Rottau notwendig sei. Amtlicherseits wurde diese Bitte abgelehnt.

Die Tochter Rosina Weißenbacher heiratete am 23. November 1848 den 1824 zu Wormding geborenen, geprüften Messerschmied Lorenz Hütter, der die Konzession für die Wirtschaft erstritt. 1898 feierten beide die Goldene Hochzeit, starben aber bald darauf. Deren Sohn Lorenz Hütter übernahm das Erbe, die Wirtschaft mit Messerschmiede im Jahre 1882. Auch er bereiste die Märkte und ist allen alten Chiemgauern in Erinnerung. Er schloß mit Elise Furtner, Fembachertochter von Bernau den Ehebund, als zweite Ehefrau von Anna Plenk von Gschwendt. H.«

In den Jahren nach 1838 nachdem die Gemeinde Rottau dem Lorenz Hütter in seinem Zeugnis vorschlug, eine Bierwirtschaft zu errichten, versuchte er eine Ausschankgenehmigung zu bekommen. Aber er hatte nicht mit der starren Haltung des Hefterwirts zu Grassau, Peter Schwarzenböck, gerechnet. So entspann sich eine hitzige Auseinandersetzung über viele Jahre. Hierzu erschien ca. 1940 folgender Artikel (genaues Datum und Zeitung unbekannt, wahrscheinlich Traunsteiner Wochenblatt):

»Durstige Kehlen riefen nach Bier
Wie die Rottauer vor 90 Jahren um eine Wirtschaft kämpften

Rottau hatte vor 90 Jahren noch kein Wirtshaus. Wiederholt ist die Gemeinde mit einem Gesuch beim Landgericht Traunstein vorstellig geworden mit der Begründung, daß dieser Ort mit Begräbnisstätte ¾ Stunden von Grassau und eine Stunde von Bernau entfernt sei. Die Anwohner der Berghäuser müßten sogar zwei Stunden laufen, bis sie an ein Wirtshaus kämen. Die Wirtschaftskonzession sollte dem am 23. November 1848 nach Rottau gekommenen Messerschmied Lorenz Hütter, der sich mit Marie Weißenbacher verehelicht hatte, übergeben werden. Doch an amtlichen Stellen war lang kein Gehör für seine Bierschenke, die eine Winkelwirtschaft würde, zu finden. Eine besondere Rolle als Gegner spielte der Hefterwirt von Grassau, Peter Schwarzenböck – ein altes, heute erloschenes Wirtsgeschlecht. Peter Schwarzenböck war es auch, der es durchsetzte, daß die Eisenbahn seinerzeit nicht die geplante Linie Bernau-Rottau-Grassau nahm.(1)

Auf die neuerliche Ablehnung der Wirtschaftsgerechtsamkeit für Rottau hat die Gemeinde und Armenpflege am 8. April 1850 eine gar geharnischte und unzweideutige Erwiderung gegeben. Auszugweise soll sie hier folgen.

1. Ist die Angabe des Peter Schwarzenböck, Hefterwirt zu Grassau, welche am 28. Jänner beim Landgericht zu Traunstein gegeben, nämlich, daß der Weg nach Grassau wie auch nach Bernau nur eine halbe Stunde betrage, eine ganz unwahre, denn nach beiden Orten beträgt sie eine gute Poststunde. Die diesseits zur Gemeinde gehörigen Berghäuser haben zum nächsten Wirtshaus zwei gute Poststunden. In Rottau, das eine Kirche mit Begräbnisplatz hat, ist ein Wirtshaus ein wahres Bedürfnis und kein Luxus.

2. Was die Angabe anbelangt, daß der Sommerkeller des Schwarzenböck(2) nur eine halbe Stunde von Rottau liege und bequem zu erreichen sei, so muß der Wahrheit gemäß gesagt werden, daß damit den Rottauern nichts gedient ist, denn derselbe wird nur geöffnet, wenn sich mehrere Gäste anmelden. Um wieder durstig umzukehren, dazu finden die Rottauer sehr wenig Lust.

3. Die Qualität des dort ausgeschenkten Bieres ist nicht sehr zu rühmen und könnte besser sein.

4. Was Schwarzenböck über den Leumund des Gesuchsstellers Hütter sagt, muß als Verleumdung erklärt werden usw.

Es hat noch manchen Kampf gekostet, bis die Rottauer, die sich nachher als bierfeste Mannen zeigten, des Vertrauens zur Eröffnung einer Gastwirtschaft würdig befunden wurden. Die Rottauer, ein offener und gerechter Bauernschlag, haben von jeher, wenn wir in den Geschichtsbüchern blättern, ein derbes und gerades Wort gefunden, wie es uns zum Beispiel auch Petz in den Rottauer Forstrechtsprozessen erzählt. Der alte Messerschmied Lorenz Hütter, Rottaus erster Wirt, ist noch den betagten Chiemgauern in Erinnerung, denn er war auf den Märkten im Chiemgau mit seinem Messerstand zu sehen und draußen am Saliterbach trieb das Wasserrad seine Schleife. Am 15. Mai 1860 brannten die Gebäudlichkeiten beim Messerschmied ab. Der alte Haus- und Geschäftsname ist aber bis zum heutigen Tag auf der Gaststätte geblieben. Ha.«

Am 23. November 1848 übergab der verwitwete Messerschmied Josef Weißenbacher sein Anwesen mit der Messerschmiedsgerechtsame und der Schleifmühle an seine Tochter Rosina um die Übergabesumme vom 1000 Gulden. Wegen der vielen Schulden, welche auf dem Anwesen lagen, wurde die Erbin davon befreit, ihren Geschwistern Johann Ertl zu Rottau, Theres, verehelichte Ecker, Katharina, Klara und Anna ein Heiratsgut mitzugeben.

Am 27. November 1848 heiratete der gelernte Messerschmied Lorenz Hütter von Wonerding (oder Wormding) die 28-jährige Rosina Weißenbacher. Er brachte als Heiratsgut 70 Gulden ein.

1850 war es ihm dann endlich gelungen, eine Ausschankgenehmigung zu erhalten und so konnte er auch mit dem Bau des Gasthauses beginnen.

1853 wurde eine weitere Gaststätte in Rottau vom Hufschmied Michael Hilger errichtet, der mit Theresia, geb. Heitzmann, Schmiedstochter aus Piesenhausen, verehelicht war. Neben dem Bierausschank bot er in dem späteren Gasthof Hilger auch Übernachtungsmöglichkeiten für fahrende Gesellen an. Bis 1970 bestand der Gasthof in Rottau und war bis 1958 auch Stammlokal des Trachtenvereins D’Gederer.

Der 15. Mai 1860 warf den jungen Gastwirt Lorenz Hütter aber wieder zurück, als die Gebäudlichkeiten des Gasthofs Hütter abbrannten. Zumindest erhielt er von den Versicherungen 370 Gulden Entschädigung für den Immobilienschaden gezahlt.

Am 6. März 1882 übergab der Rottauer Wirt sein Anwesen an seinen Sohn Lorenz Hütter. Schon am 25. Juli wurde seine Braut Elise Furtner, Bauerstochter aus Bernau, als Miteigentümerin eingetragen. Die Hochzeit erfolgte am 7. August 1882. In den folgenden Jahren wurde ein neuer Backofen und dann 1887 ein Feuerlöschrequisitenhaus errichtet.

Am 29. Januar 1901 verstarb die Ehefrau im Alter von 43 Jahren an Influenza-Herzlähmung. Lorenz Hütter war nun Alleinbesitzer des Gasthofes.

Bereits am 21. 10. 1901 heiratete Hütter die 39-jährige Kellnerin Anna Plenk, Bauerstochter aus Gschwendt bei Niederaschau. 1906 wurde ein Waschhaus angebaut.

1913 verstarb Lorenz Hütter und seine Frau wurde Alleineigentümerin des Anwesens und alleinige Wirtin. Damit verschwand zwar der Familienname Hütter vor nunmehr 100 Jahren, aber noch heute geht man in Rottau zum ‚Hütter’.

1921 wurde ein Eiskeller angebaut.

Am 22. Oktober 1923 heiratet die 62-jährige Gastwirtin Anna Hütter den 39-jährigen Ludwig Praßberger, Bauernsohn aus Farbing.

Nach dem Tod der Ehefrau am 19. Juni 1929 wurde der Witwer Alleineigentümer. Er heiratete am 11. November des gleichen Jahres die 30-jährige Kassiererin Luise Tächl, welche auch Miteigentümerin des Gasthauses wurde.

Sie verstarb bereits am 22. Juni 1931, sodass Ludwig Praßberger den Betrieb allein führen musste. Während dieser Zeit kamen nur vereinzelte Sommerfrischler nach Rottau, auch wenn schon langsam der Durchgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen einsetzte.

Nach der Machtübernahme durch die Nazis profitierte auch Rottau und damit die bestehenden drei Gasthöfe, neben dem Gasthof Messerschmied auch der Gasthof Hilger und der Berggasthof Adersberg (eröffnet 1928) vom aufkommenden Fremdenverkehr durch die Kraft-durch-Freude-Organisation.

Sowohl die Begrüßung als auch die Verabschiedung der Gäste fanden häufig in den Räumlichkeiten beim Gasthof Messerschmied statt. In den Obergeschoßen wurden auch vermehrt Zimmer für die Sommerfrischler aus ganz Deutschland eingerichtet.

Die Gäste kamen zumeist am Bahnhof in Bernau an und wurden teils mit Blasmusik auf Pferdefuhrwerken nach Rottau geleitet.

Nach Beginn des Krieges und bis etwa 1950 kamen kaum noch Sommerfrischler nach Rottau.

So musste der Wirt mit den Einnahmen auskommen, welches er bei den Einheimischen erzielte. Einer Preisliste von 1949 ist zu entnehmen, dass 1949 das Doppelzimmer fünf Mark kostete, bei Vollpension mit Frühstück und zwei Hauptmahlzeiten 14 Mark, für Einzelzimmer jeweils die Hälfte. Im Zimmerpreis inbegriffen war auch die Heizung, das Putzen der Schuhe und das Ausbürsten der Kleidung.

Zum Ende der 50er Jahre ging es dann weiter aufwärts.

Nachdem der in Rottau bestehende Saal beim Fleierl-Wirt, dem Gasthof Hilger, für den Trachtenverein als Vereinslokal nicht mehr den Anforderungen genügte und dort Baumaßnahmen nicht mehr zu verwirklichen waren, erklärten sich Luise und Ludwig Praßberger sen. bereit, einen neuen Saal zu bauen. Auf Drängen des Trachtenvereins D’Gederer sicherten die Wirtsleute schriftlich zu, dass darin alle öffentlichen Theater- und Tanzveranstaltungen stattfinden würden.

So fand am 6. Juli 1957 im neuerbauten Messerschmied-Saal der 1. Heimatabend statt. Der neuerbaute Saal stellte sich in der Folgezeit als großer Gewinn für den Verein und die ganze Dorfgemeinschaft dar. Auch die Theaterspieler des Trachtenvereins nutzten die neuen Räumlichkeiten. Am 2. März 1958 führten sie das Stück »Bergheimat« auf. Es folgten in den folgenden Jahren noch die Stücke »Der Satan vom Brandnerhof«, »Der Kreuzhofbauer«, und erneut »Bergheimat« bis dass das Theaterspielen in Rottau über längere Zeit einschlief.

Am 4. Oktober 1963 erbte der Sohn Ludwig Praßberger die Gastwirtschaft. Er betrieb den Betrieb mit großem Erfolg sowohl bei den Einheimischen als auch den vielen Gästen bis zu seinem Tod 2001. Im Gegensatz zu vielen Gastwirtschaften erhielt sich hier die Tradition der Stammtische und auch die regelmäßigen Kartenrunden mit Schafkopf, Watten, Biadn (Bieten) und Grasobern. Aber auch für die von Reit im Winkl durchreisenden Winterurlauber lohnte sich immer ein Stopp beim Messerschmied.

2002 übernahm der 1990 adoptierte Sohn Hubert Praßberger den für Rottau so wichtigen Betrieb.

Nachdem 1970 der Gasthof Hilger geschlossen hatte, gibt es heute noch vier funktionierende Gaststätten, welche den Einheimischen und Gästen als Treffpunkte dienen, neben dem Gasthof Messerschmied und dem Berggasthof Adersberg auch der Gasthof Fischerstüberl und das Restaurant Café König. In wechselnder Reihenfolge finden bei den im Dorf befindlichen Gaststätten auch die Bürgerversammlungen der Marktgemeinde Grassau für Rottau statt.


Olaf Gruß


1: Diese Aussage lässt sich aber nicht belegen
2: Später vermutlich Petrinenhof in Kuchln

 

33/2014