Urlaubersonderzug wurde 1933 nach Ruhpolding umgeleitet
Ein Jahr später erster Kurhausbau – Vor 50 Jahren Neubeginn in Ruhpolding mit großer »Dr. Degener-Ehrung«

Täglich werden wir massiv umworben, in den Urlaub zu fahren, immer weiter, abgeholt an der Haustüre, zum Flughafen gebracht, von dort in die weite Welt geflogen. Unsere Sommerfrischlerorte sind ja schon lange nicht mehr gefragt, nicht mehr gut genug. Wir Senioren haben das zwar noch im Kopf, wie das zu unserer Kinderzeit, etwa in den zwanziger Jahren, gewesen ist. Da hat es bei uns ja schon die »Fremden« gegeben. Der Begriff »Fremder« ist dabei nicht herabwürdigend gewesen, das sind vielmehr die Gäste aus der Stadt gewesen, die sich so einen Urlaub bei uns oder drüben in Österreich haben leisten können. Die meisten sind dazu mit dem Zug gekommen, mit dem Automobil fast noch gar nicht.
Reisebüros hat es freilich auch damals schon gegeben, droben in den Großstädten, in Berlin, Hamburg oder in Köln, und »organisiert« wurden die Sommerfrischler zu den Alpen gebracht, etwa nach Österreich, sogar schon zugweise, mit einem »Sonderzug«. Freilich meistens noch nicht so bequem wie heute, aber in so genannten Schnellzugwagen III. Klasse, vier Sitze nebeneinander, Holzbänke, acht Passagiere in einem Abteil. Bis man von Hamburg da zu uns heruntergekommen ist, da hat der Zug schon einen Tag und eine Nacht gebraucht. Von Berlin her etwa ging es mit dem Dampfzug über Hof, Regensburg, Landshut, das ist kilometermäßig ja auch näher gewesen als über München.
Aber jetzt brauchen wir noch eine andere Erinnerung! Vor 70 Jahren, 1933, haben bekanntlich die Nazi bei uns schon das Regieren angefangen, und ganz plötzlich über Nacht ist die Anordnung gekommen, dass wir ins »Ausland« nur mehr dürfen, wenn ein Reisender 1000 Mark zahlt. Das Fahren nach Österreich hinüber ist schlagartig aus gewesen. Was das wirtschaftlich für unsere Österreich-Nachbarn bedeutet hat, darüb er ließe sich ein ganzes Buch schreiben. Ausgerechnet zu Pfingsten 1933 ist damals so ein ganzer Urlauberzug von dem großen Reisebüro Dr. Degener mit fast 400 Berlinern mit Ziel Hallein unterwegs gewesen, um in der dortigen schönen Alpengegend Urlaub zu machen.
Beim Landshuter Bahnhofswirt Namberger versuchte Dr. Degener der Überlieferung nach, nach einem Ausweg. Und ausgerechnet dieser Wirt kannte das damals noch recht bescheidene Ruhpolding drinnen in den Chiemgauer Bergen, am Ende der Lokalbahnstrecke Traunstein-Ruhpolding. Goldschmiedemeister Kögl war damals für die Zimmervermittlung tätig. Übers Telefon von Ruhpolding nach Landshut wurde versprochen, 380 freie Fremdenbetten für die Berliner Gäste zu organisieren.
Nachmittags sollte der Zug ankommen. In einer Wochenblatt-Ausgabe vom 23. Mai 1953 lässt sich nachlesen, was sich dann zu Pfingsten 1933 in Ruhpolding abspielte: »Der Vorsitzende des Verkehrsvereins Dr. Schiffer begann mit einer fieberhaften Arbeit: Vermieter feststellen, Kofferträger finden. Musikkapelle her. Und tatsächlich am Nachmittag konnte der irregefahrene Sonderzug unter Marschmusik im Ruhpoldinger Bahnhof einrollen. Alles klappte. Sogar einem Heimatabend mit Plattlern stellte man am nächsten Abend auf die Beine!«
Doch lesen wir in unserer Zeitung weiter: »Der Erfolg war für Dr. Degener Anlass, Ruhpolding ganz groß zu starten. Leipzig und Berlin, das waren die Brennpunkte der gewaltig einsetzenden Werbung. Allmählich spielte sich die Sache ein, die Sonderzüge kamen Sonntag für Sonntag, die Organisation wurde immer reibungsloser. 1934 baute man das Kurhaus. Aber für die wachsende Menge der Gäste wurde auch dieses im ersten Jahre zu klein und man musste es im gleichen Jahre noch umbauen und erweitern. Die Gästezahlen waren interessant und imponierend. 1932 waren es 2028 Gäste mit 32 908 Übernachtungen, es waren 1884 Sommer- und vorerst nur 144 Wintergäste. 1933 kamen schon 5853 Fremde mit 68 869 Übernachtungen... Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, konnte Dr. Degener bereits 64 357 Gäste (zum größten Teil Berliner und Leipziger) mit 782 714 Übernachtungen verzeichnen.«
Wie es nach Kriegsende wieder mit dem Tourismus begann, wollen wir auch im »Wochenblatt« nachlesen: »1945 begann der unentwegte Dr. Degener wieder von vorne anzufangen. Zuerst – 1947 – zog er ein Reisebüro in Traunstein auf. Dann wurde die »Arbeitsgemeinschaft DER-Gesellschaftsreisen« gegründet, später die »Touropa«, bei der Dr. Degener Partner und geschäftsführender Leiter wurde. Seit 1948 rollen die Sonderzüge nun wieder regelmäßig in den lieblichen Ort im Trauntal.«
1953: 20. Geburtstagsfeier Ruhpoldings als Kurort
»Ruhpolding, 29. Mai 1953. Wenn man bedenkt, dass vor 20 Jahren der erste Dr. Degener-Sonderzug mit 380 Gästen hier einlief und erfährt, dass seitdem 140 000 Gäste mit rund 1,7 Millionen Übernachtungen hier Erholung fanden, dann kann man die Entwicklung unseres hübschen Gebirgsdorfes wohl erst so richtig ermessen. Es war klar, dass Ruhpolding es sich nicht nehmen lassen würde, schon vor der Einfahrt des blumengeschmückten Sonderzuges mit der Feier des Tages zu beginnen. Mit einem Ständchen für den Sonderzugvater Dr. Carl Degener, von den 35 Mann starken Vereinigten Musikkapellen geschmettert, ging es schon am frühen Morgen los. Um 11 Uhr hatte dann der Verkehrsverein zu einem Frühschoppen im Wintergarten des Kurhauses eingeladen« und die Feierlichkeiten endeten erst spät mit einem »schönen Abend mit allem, was der Jubiläumsort an folkloristischen Kostbarkeiten zu bieten hat.«
JM
19/2003
Reisebüros hat es freilich auch damals schon gegeben, droben in den Großstädten, in Berlin, Hamburg oder in Köln, und »organisiert« wurden die Sommerfrischler zu den Alpen gebracht, etwa nach Österreich, sogar schon zugweise, mit einem »Sonderzug«. Freilich meistens noch nicht so bequem wie heute, aber in so genannten Schnellzugwagen III. Klasse, vier Sitze nebeneinander, Holzbänke, acht Passagiere in einem Abteil. Bis man von Hamburg da zu uns heruntergekommen ist, da hat der Zug schon einen Tag und eine Nacht gebraucht. Von Berlin her etwa ging es mit dem Dampfzug über Hof, Regensburg, Landshut, das ist kilometermäßig ja auch näher gewesen als über München.
Aber jetzt brauchen wir noch eine andere Erinnerung! Vor 70 Jahren, 1933, haben bekanntlich die Nazi bei uns schon das Regieren angefangen, und ganz plötzlich über Nacht ist die Anordnung gekommen, dass wir ins »Ausland« nur mehr dürfen, wenn ein Reisender 1000 Mark zahlt. Das Fahren nach Österreich hinüber ist schlagartig aus gewesen. Was das wirtschaftlich für unsere Österreich-Nachbarn bedeutet hat, darüb er ließe sich ein ganzes Buch schreiben. Ausgerechnet zu Pfingsten 1933 ist damals so ein ganzer Urlauberzug von dem großen Reisebüro Dr. Degener mit fast 400 Berlinern mit Ziel Hallein unterwegs gewesen, um in der dortigen schönen Alpengegend Urlaub zu machen.
Beim Landshuter Bahnhofswirt Namberger versuchte Dr. Degener der Überlieferung nach, nach einem Ausweg. Und ausgerechnet dieser Wirt kannte das damals noch recht bescheidene Ruhpolding drinnen in den Chiemgauer Bergen, am Ende der Lokalbahnstrecke Traunstein-Ruhpolding. Goldschmiedemeister Kögl war damals für die Zimmervermittlung tätig. Übers Telefon von Ruhpolding nach Landshut wurde versprochen, 380 freie Fremdenbetten für die Berliner Gäste zu organisieren.
Nachmittags sollte der Zug ankommen. In einer Wochenblatt-Ausgabe vom 23. Mai 1953 lässt sich nachlesen, was sich dann zu Pfingsten 1933 in Ruhpolding abspielte: »Der Vorsitzende des Verkehrsvereins Dr. Schiffer begann mit einer fieberhaften Arbeit: Vermieter feststellen, Kofferträger finden. Musikkapelle her. Und tatsächlich am Nachmittag konnte der irregefahrene Sonderzug unter Marschmusik im Ruhpoldinger Bahnhof einrollen. Alles klappte. Sogar einem Heimatabend mit Plattlern stellte man am nächsten Abend auf die Beine!«
Doch lesen wir in unserer Zeitung weiter: »Der Erfolg war für Dr. Degener Anlass, Ruhpolding ganz groß zu starten. Leipzig und Berlin, das waren die Brennpunkte der gewaltig einsetzenden Werbung. Allmählich spielte sich die Sache ein, die Sonderzüge kamen Sonntag für Sonntag, die Organisation wurde immer reibungsloser. 1934 baute man das Kurhaus. Aber für die wachsende Menge der Gäste wurde auch dieses im ersten Jahre zu klein und man musste es im gleichen Jahre noch umbauen und erweitern. Die Gästezahlen waren interessant und imponierend. 1932 waren es 2028 Gäste mit 32 908 Übernachtungen, es waren 1884 Sommer- und vorerst nur 144 Wintergäste. 1933 kamen schon 5853 Fremde mit 68 869 Übernachtungen... Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, konnte Dr. Degener bereits 64 357 Gäste (zum größten Teil Berliner und Leipziger) mit 782 714 Übernachtungen verzeichnen.«
Wie es nach Kriegsende wieder mit dem Tourismus begann, wollen wir auch im »Wochenblatt« nachlesen: »1945 begann der unentwegte Dr. Degener wieder von vorne anzufangen. Zuerst – 1947 – zog er ein Reisebüro in Traunstein auf. Dann wurde die »Arbeitsgemeinschaft DER-Gesellschaftsreisen« gegründet, später die »Touropa«, bei der Dr. Degener Partner und geschäftsführender Leiter wurde. Seit 1948 rollen die Sonderzüge nun wieder regelmäßig in den lieblichen Ort im Trauntal.«
1953: 20. Geburtstagsfeier Ruhpoldings als Kurort
»Ruhpolding, 29. Mai 1953. Wenn man bedenkt, dass vor 20 Jahren der erste Dr. Degener-Sonderzug mit 380 Gästen hier einlief und erfährt, dass seitdem 140 000 Gäste mit rund 1,7 Millionen Übernachtungen hier Erholung fanden, dann kann man die Entwicklung unseres hübschen Gebirgsdorfes wohl erst so richtig ermessen. Es war klar, dass Ruhpolding es sich nicht nehmen lassen würde, schon vor der Einfahrt des blumengeschmückten Sonderzuges mit der Feier des Tages zu beginnen. Mit einem Ständchen für den Sonderzugvater Dr. Carl Degener, von den 35 Mann starken Vereinigten Musikkapellen geschmettert, ging es schon am frühen Morgen los. Um 11 Uhr hatte dann der Verkehrsverein zu einem Frühschoppen im Wintergarten des Kurhauses eingeladen« und die Feierlichkeiten endeten erst spät mit einem »schönen Abend mit allem, was der Jubiläumsort an folkloristischen Kostbarkeiten zu bieten hat.«
JM
19/2003