Jahrgang 2011 Nummer 14

Unter den Augen der »Patrona Bavariae«“ fing alles an

Die Gebirgsschützenkompanie Traunstein feiert das 25. Jubiläum ihrer Wiedergründung

Die neue Fahne der Traunsteiner Gebirgsschützen wurde am 4. Juli 1987 von Stadtpfarrer Franz Mooslechner geweiht.

Die neue Fahne der Traunsteiner Gebirgsschützen wurde am 4. Juli 1987 von Stadtpfarrer Franz Mooslechner geweiht.
Die Wiedergründungsurkunde der Gebirgsschützenkompanie Traunstein.

Die Wiedergründungsurkunde der Gebirgsschützenkompanie Traunstein.
Reichenhaller Gebirgsschützen um 1850

Reichenhaller Gebirgsschützen um 1850
Die Gebirgsschützenkompanie Traunstein feiert in diesem Jahr das 25. Jubiläum ihrer Wiedergründung. Aus diesem Anlass wurde sie vom Bund der Bayerischen Gebirgsschützenkompanien mit der Organisation und Durchführung des Patronatstages, dem höchsten Feiertag der Gebirgsschützen, betraut. Am 8. Mai wird der Festtag in Traunstein mit einem Festgottesdienst auf dem Stadtplatz und einem farbenfrohen Festzug von mehreren tausend Gebirgsschützen durch die Traunsteiner Innenstadt begangen. Am Tag davor findet im Festzelt an der Siegsdorfer Straße ein großer Festabend mit mehreren Musikkapellen und verschiedenen Darbietungen statt.

Angefangen hat alles unter den Augen der »Patrona Bavariae« im November 1984. Die Bewohner der Schaumburgerstraße (ehemals »Schrödlgasse«) feierten damals die Rückkehr der »Patrona Bavariae« an ihren alten Platz hoch droben am so genannten »Reiter-Eck«. Zu diesem Anlass war auch die Gebirgsschützen Wössen/Achental aufmarschiert, die den Ehrensalut für die Schutzpatronin der Gebirgsschützen schoss. Der Gauhauptmann des Gebirgsschützenbataillons Inn-Chiemgau, Anton Greimel, wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass es auch in Traunstein vor 1810 Gebirgsschützen gegeben hat, die sich an den Kämpfen gegen Tirol beteiligt haben. Dies war insofern wichtig, da nur Orte, in denen vor 1810 Gebirgsschützen waren, zur Wiedergründung einer Kompanie berechtigt sind. Die Schrödlgasse kann also mit Fug und Recht als »Geburtsort« der Gebirgsschützenkompanie Traunstein bezeichnet werden.

Der Hinweis von Gauhauptmann Greimel wurde von Walter Dandl aufgegriffen und weiter verfolgt. Am 21. Februar 1985 trafen sich 16 Traunsteiner Bürger beim »Hansl-Wirt«. Es wurde ein Arbeitskreis gegründet, der sich Gedanken über eine mögliche Wiedergründung machen sollte. Die Mitglieder waren Karl Weilharter senior, Georg Zeilinger, Helmut Henn und Heini Hächer. Bereits am 10. April 1985 entstand der »Interessenkreis zur Wiedergründung einer Gebirgsschützenkompanie Traunstein«, der alte Urkunden und Schriftstücke sammelte, um den erforderlichen Nachweis für den Antrag zur Wiedergründung beim Bund der Bayerischen Gebirgsschützenkompanien zu sammeln. Gestöbert wurde dafür im Bayerischen Staatsarchiv, im Stadtarchiv Traunstein und bei der Kgl. priv. Feuerschützengesellschaft Traunstein. Nach der Prüfung durch den Gauhauptmann wurde der Antrag dem Bund der Bayerischen Gebirgsschützenkompanien zugeleitet. Am 9. Oktober 1985 nahm die Versammlung der Gauhauptleute den Antrag einstimmig an. Die Traunsteiner Gebirgsschützen wurden als 14. Kompanie in das Bataillon Inn/Chiemgau aufgenommen. In der Versammlung vom 13. November 1985 trat der Arbeitskreis mit Karl Weilharter senior, Hermann Egger, Walter Dandl, Helmut Henn, Toni Münch und Georg Schießl zurück und es erfolgte die Wahl einer kommissarischen Hauptmannschaft mit Hauptmann Georg Schießl, Oberleutnant Karl Weilharter sowie den Leutnanten Helmut Henn und Achim Wendt. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die Gründungsversammlung vorzubereiten.

Am 10. Januar 1986 erfolgte die Gründung im Saal des Hofbräuhauses Traunstein im Beisein zahlreicher Ehrengäste, darunter Oberbürgermeister Rudolf Wamsler und Stadtpfarrer Franz Mooslechner. Gekommen waren außerdem Vertreter des Stadtrates und der Bundeswehr sowie die Landes- und Gauhauptmannschaft und Ehrenabordnungen von zwölf Kompanien des Bataillons Inn-Chiemgau. Die neu gewählte Hauptmannschaft bildeten Georg Schießl (Hauptmann), Karl Weilharter senior (Oberleutnant), Helmut Henn (Leutnant und Kompanieschreiber) sowie Walter Dandl (Leutnant und Zahlmeister). Schießl meldete Landeshauptmann Andreas Stadler und Gauhauptmann Anton Greimel den Eintritt der Gebirgsschützenkompanie Traunstein als 39. Kompanie in den Bund und als 14. Kompanie in das Bataillon.

In den folgenden Monaten gab es viel zu tun, um die Traunsteiner Gebirgsschützenkompanie »ausrückungsfähig« zu machen: Es wurden Lehrgänge für die Waffensachkundeprüfung durchgeführt, die zum Erwerb des Karabiners 98k berechtigte. Die aktiven Gebirgsschützen wurden mit einer Montur eingekleidet. Achim Wendt führte die Formalausbildung durch. Am 4. Mai 1986 erfolgte die erste Ausrückung beim Patronatstag in Prien am Chiemsee. 36 Traunsteiner Gebirgsschützen marschierten hinter der Stadtmusik Traunstein durch den Ort. Dies war im Jahr 1986 jedoch erst der Beginn der Aktivitäten der neuen Gebirgsschützen-kompanie. Es folgten die erste Maiandacht in der Stadtpfarrkirche St. Oswald, die Teilnahme am Alpenregionsfest der Schützen aus Bayern, Tirol und Südtirol in Garmisch-Partenkirchen, das »Reichenhaller Püxenschießen«, das Bataillonsfest Inn-Chiemgau in Flintsbach, die Bergmesse der Gebirgsschützenkompanie Aibling auf der Dalsenalm bei Schleching, das Kompanieschießen mit dem Karabiner auf der Standortschießanlage der Bundeswehr in Trenkmoos und der Aufmarsch bei den Feiern zum Volkstrauertag auf dem Hohen Kreuz und am Kriegerdenkmal im Stadtpark. Weitere Höhepunkte waren das 675. Jubiläum der Kgl. priv. Feuerschützengesellschaft Traunstein sowie der Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß am 8. Oktober 1986 in Traunstein. Der bayerische Ministerpräsident ist Ehrenkommandant und Schirmherr aller bayerischen Gebirgsschützen.

Am 10. April 1987 fuhr die Traunsteiner Gebirgsschützenkompanie nach Unterwössen zum Patenbitten bei der Kompanie Wössen/Achental. Quasi als »Geburtshelfer« von 1984 ließen sich die Schützen aus dem Achental nicht lange bitten und übernahmen erfreut und gerne die Patenschaft für die bevor stehende Fahnenweihe. Die Hauptmannschaft fuhr mit einer Abordnung der bayerischen Gebirgsschützen nach Rom, um zusammen mit Joseph Kardinal Ratzinger dessen 60. Geburtstag zu feiern. Beim Patronatstag in Rosenheim rückten die Traunsteiner erstmals mit dem neu gegründeten Trommlerzug aus. Mit dabei waren sie bei den Feiern des Fördervereins »Alt-Traunstein« anlässlich der erfolgten Renovierung der Kriegerdenkmäler im Stadtpark und des 10. Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Traunstein und Gap in Südfrankreich. Zum ersten Mal nahm die Kompanie an einer Fronleichnamsprozession der Stadtpfarrei St. Oswald teil. Später gingen sie jedes Jahr bei den Prozessionen von Heilig Kreuz und Haslach mit. Die lange erwartete Fahnenweihe fand am 4. Juli 1987 auf dem Traunsteiner Stadtplatz statt. Die neue Fahne wurde von Stadtpfarrer Franz Mooslechner geweiht. Oberbürgermeister Rudolf Wamsler übergab Hauptmann Georg Schießl als Geschenk der Stadt eine Fahnenspitze, die nach historischem Vorbild gefertigt worden war. Während des Festaktes waren rund 800 Schützen des Bataillons Inn-Chiemgau, aus Tirol und Südtirol sowie Abordnungen heimischer Vereine angetreten. Mit der Wiedergründung und der Fahnenweihe war der Grundstein für das 25 Jahre erfolgreiche Wirken der Traunsteiner Gebirgsschützenkompanie, das Einstehen für Brauchtum und Tradition sowie das Bekenntnis zum christlichen Glauben, gelegt.

Um die Ursprünge der bayerischen Gebirgsschützen zu begreifen, muss man weit in die Geschichte zurück blicken. Bis in das 14. Jahrhundert hinein war Tirol ein Teil von Bayern. Nachdem Graf Meinhard III. von Görz als letzter Erbe Tirols 1363 verstorben war, erreichte der Habsburger Herzog Rudolf IV., dass die Mutter Meinhards die Herzöge von Österreich als Erben einsetzte. Kaiser Karl IV. bestätigte den Übergang Tirols an die Habsburger, indem er 1364 Herzog Rudolf IV. offiziell mit Tirol belehnte. Auf diese Weise erfolgte die Trennung Tirols vom bayerischen Stammland. Daraus entstand ein Interessenkonflikt zwischen den bayerischen Wittelsbachern und den österreichischen Habsburgern, die in den folgenden Jahrhunderten danach strebten, das bedeutende, aber sich wesentlich kleinere Bayern einzuverleiben. Durch diese Expansionspolitik war die in den Bergen verlaufende Grenze zu Tirol bis in das 19. Jahrhundert hinein Kampfgebiet. Das bayerische Herrscherhaus erkannte sehr schnell die Überlegenheit der ortsansässigen, im Waffengebrauch geübten Bergbewohner gegenüber den Söldnerheeren, weil sie den Rückhalt der Bevölkerung hatten und mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut waren. Wegen ihrer Treue zu den Wittelsbachern, ihrer Bereitschaft die unmittelbare Heimat und ihre Familien zu verteidigen sowie ihres Einsatzwillens konnten sich Bayerns Herrscher auf sie uneingeschränkt verlassen. So wurden 1492 in ganz Oberbayern Musterungen der wehrfähigen Männer durchgeführt, um eine Landesdefension aufzubauen. Die Schützen übernahmen neben dem Grenzschutz auch die Aufgabe, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Besonders während des 30-jährigen Krieges waren notwendige Wege außerhalb der Siedlungen oft nur unter Begleitung der Schützen möglich. An ihre Begleitung zum Schutz der Geistlichen auf ihren oftmals einsamen Versehrwegen erinnert heute noch das Ehrengeleit der Gebirgsschützen für das Allerheiligste bei der Fronleichnamsprozession. Diese so genannten Landgeschreie und Landaufgebote sind als Vorläufer des Gebirgsschützen anzusehen, Um 1600 entstanden dann die Landfahnen. Der Begriff »Birgschütz« tauchte erstmals im 17. Jahrhundert auf.

Obwohl bereits unter den Herzögen Wilhelm IV., Albrecht V. und Wilhelm V. über ein Landesdefensionswerk nachgedacht wurde, begann erst Kurfürst Maximilian I. um 1600 zielgerichtet, eine bayerische Landesdefension zu schaffen. Sie bewährte sich während des 30-jährigen Krieges bei der Verteidigung des Oberlandes von 1632 bis 1648 gegen die schwedischen Truppen. Dass die Landesdefension trotz aller Vorteile gerade in der Ebene den kriegsgeübten und gut gerüsteten Söldnerheeren unterlegen war, zeigte sich im Jahr 1705 bei der bitteren Niederlage in der so genannten »Sendlinger Mordweihnacht« gegen die österreichischen Besatzer. In der auch »Sendlinger Bauernschlacht« genannten kriegerischen Auseinandersetzung in Sendling bei München wurden die bayerischen Aufständischen bei dem Versuch, die Stadt München einzunehmen, von den kaiserlichen Truppen des Habsburgers Joseph I. besiegt und völlig aufgerieben. Die kaiserlichen Truppen töteten dabei sogar einen Teil der Aufständischen aus dem Oberland, die sich bereits ergeben und die Waffen niedergelegt hatten. Man spricht heute von etwa 1100 Getöteten. Auf Seiten der Kaiserlichen gab es nur etwa 40 Tote. Die Einstellung des durch die österreichischen Besatzer ausgeplünderten und gedemütigten Volkes äußerte sich in ihrem Schlachtruf »Lieber bairisch sterben als in des Kaisers Unfug verderben«.

Im August 1805 verbündeten sich Bayern und Frankreich gegen Österreich. Der mächtige Nachbar machte sich daraufhin an der Ostgrenze Bayerns zum Einmarsch bereit. Da das bayerische Heer zahlen- und ausbildungsmäßig nicht in der Lage ist, auch noch die südliche Alpengrenze gegen die ebenfalls zum Angriff bereit stehenden Tiroler Schützenkompanien zu sichern, kam es im Oktober 1805 durch kurfürstlichen Erlass zur Errichtung eines »Corps bairischer Gebirgsschützen«. Im November 1805 wurden die Grenzdistrikte von Schwarzbach, Reichenhall, Inzell, Traunstein und Reit im Winkl unter das Kommando von Salinenrat Kasper von Rainer gestellt. Die Abteilung besetzte zusammen mit den Abteilungen Miesbach und Werdenfels die wichtigen Punkte in den Bergen und hielt dadurch die Tiroler von Einfällen ab.

Durch den Frieden von Preßburg mit dem napoleonischen Frankreich muss das geschlagene Österreich im Jahr 1805 Tirol, die Fürstbistümer Brixen und Trient sowie Vorarlberg an Bayern abtreten. Die neue bayerische Herrschaft kümmerte sich herzlich wenig um gewachsene Strukturen. Ebenso war für das Tiroler Nationalbewusstsein kein Platz. Sogar der historische Name Tirol wurde von der Landkarte getilgt. Der Tiroler Adler musste den weiß-blauen Rauten weichen. Dies und die Missachtung uralter Rechte führten zum Aufstand gegen die ungeliebte bayerische Herrschaft. Zeitgleich mit dem Angriff einer rund 200 000 Mann starken österreichischen Armee in Richtung Niederbayern erhoben sich 1809 in Tirol etwa 15 000 Schützen unter der Führung von Andreas Hofer und Martin Teimer gegen in ganz Tirol verstreute 3400 bayerische Soldaten. Die siegreichen Tiroler überschritten an verschiedenen Stellen die bayerische Grenze. Da die nur 28 000 Mann starke bayerische Armee in Niederbayern gegen die vielfach überlegenen Österreicher kämpfen musste, wurde in dieser verzweifelten Lage im Mai 1809 ein Gebirgsschützenkorps mit drei Abteilungen aufgestellt. Unter dem Oberbefehl von Max Graf Arco verteidigten es die Landesgrenze zwischen Reichenhall und Garmisch. Die erste Abteilung mit 500 Schützen umfasste die Landgerichte Reichenhall, Traunstein und Trostberg. Den Abteilungen gelang es, die eingefallenen Tiroler zurück zu schlagen und die Grenze im weiteren Verlauf des Krieges erfolgreich zu sichern. Von diesem heldenhaften und letzten großen Einsatz im Jahr 1809 ist auch die bereits erwähnte Bedingung für eine Wiedergründung herzuleiten, dass vor 1810 Gebirgs-schützen in einem Ort gewesen sein müssen.

Mit der neuen Landwehrordnung von 1826 erlosch die Institution der Gebirgsschützen. Durch die Revolution von 1848 wurde erneut eine Gebirgsschützen-Ordnung erlassen, mit der die Gebirgsschützen mit allen Pflichten zur militärischen Ausbildung der Landwehr unterstellt wurden. Im Krieg von 1866 gegen Preußen wurden die Gebirgsschützen nochmals kurz aktiviert, ehe sie König Ludwig II. 1869 als staatliche Organisation endgültig auflöste. Nachdem die Tradition der Gebirgsschützen im Oberland nie ganz erloschen war, erfolgte 1949 beim »Tag der Historischen Gebirgs-, Antlaß-, Pranger- und Weihnachtsschützen« in Rottach-Egern das erste Treffen der historischen Gebirgsschützenkompanien nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwei Jahre später wurde in Reichersbeuern der Bund der Bayerischen Gebirgsschützenkompanien gegründet. Ab 1952 wurden auch im Inntal und im Chiemgau Kompanien wiedergegründet. Heute bestehen in Oberbayern 47 Kompanien mit rund 12 000 Mitgliedern. Gegliedert sind sie in die Gaue bzw. Bataillone Isargau, Inn-Chiemgau, Loisachgau, Mangfall-Leitzachgau und Werdenfels.

Nachdem ihr ursprünglicher Zweck, die Landesverteidigung, weggefallen ist, sehen die Gebirgsschützen heute ihre Aufgabe darin, die alpenländische Sitte und das wehrhafte Brauchtum der Ahnen zu erhalten. Ihre Ideale sind dabei die Treue zum angestammten christlichen Glauben, zur bayerischen Heimat und zum deutschen Vaterland sowie zur Kameradschaft und zum Schützenbrauch. Diese beweisen sie durch die Ehrenbegleitung des Allerheiligsten bei Fronleichnamsprozessionen oder die Teilnahme an lokal üblichen Prozessionen, durch die Veranstaltung von Schützenwallfahrten, Schützenfesten und Aufmärschen sowie durch das Schießen im friedlichen Wettstreit. Das Hauptfest des Bundes der Bayerischen Gebirgsschützenkompanien ist der alljährliche Patronatstag am ersten Sonntag im Mai. Er findet zu Ehren der Patronin und Schutzfrau der Gebirgsschützen, der »Patrona Bavariae«, der Mutter Gottes statt.


Günter Buthke und Claus Hieke



14/2011