Jahrgang 2007 Nummer 44

Stephan Kastenbauer, der Reformator aus Bayern

Eine Persönlichkeit, die zur Führungselite der Reformation zählte

Der »Grabenbruch«, den die Reformation Martin Luthers in Kirche und Welt bedeutete, war auch in Altbayern deutlich zu merken.

Eine der Persönlichkeiten, die zur Führungselite der Reformation, zählten, war Stephan Kastenbauer, auch Kastenpaur oder Boius (Baier) genannt. Zumeist aber nannte er sich – den gebildeten Gepflogenheiten der Zeit gemäß – Agricola (i. e. Bauer).

Geboren wurde Kastenbauer 1491 zu Abensberg. Erinnern wir uns, der erste große Geschichtsschreiber Bayerns, Johannes T(h)urmair, genannt Aventinus, stammt gleichfalls aus Abensberg, was auch sein latinisierter Name verrät. Allerdings trennen sie gute 14 Jahre, denn Turmair wurde 1477 geboren.

Über die Jugend- und Studienjahre Kastenbauers wissen wir kaum Bescheid. Wahrscheinlich in Regensburg trat er in den Orden der Augustinereremiten (OESA) ein. Damit war er ein Mitbruder Luthers geworden.

Er studierte ab 1513 in Wien mit der Unterstützung des Salzburger Fürstbishchofs und Kardinals Matthäus Lang. 1517 ließ Kastenbauer in Basel ein fünfbändiges Werk über die Heilstaten Jesu drucken, sicher ein Resultat seiner »Lehrzeit«. Darauf folgten Wander- und vielleicht auch neue Studienjahre in Italien (1517-1519). Jedenfalls nahm er 1519 als bayerischer Delegierter an der Ordensversammlung (»Generalkapitel« in der Ordensterminologie) in Venedig teil. Dort wurde er – so etwas war am Ende des Mittelalters möglich – am 18. Juni 1519 zum Doktor der Theologie promoviert.

Nach Regensburg zurückgekehrt dozierte er als Lektor im Hausstudium der Ordensniederlassung. Aber er predigte auch schon öffentlich im Sinne der Reformation, denn man muss sich die Klöster der Augustiner damals als »Relaisstationen« vorstellen, die die Nachrichten aus Wittenberg verbreiteten.

So mochte denn die Versetzung ins Tirolerische Rattenberg, das der Salzburger Diözese angehörte, auch eine Strafaktion gewesen sein.

Aber auch hier – in der lebhaften Handelsstadt unweit des »sozialen Brennpunkts« Schwaz – predigte Kastenbauer die neue Lehre. »Die dabei ausgelöste Unruhe dürfte der Grund dafür gewesensein, dass man P. Agricola, den das Provinzkapitel 1522 zum Prior von Rattenberg gewählt hatte, in den Gewahrsam des Salzburger Erzbischofs bringen wollte.« (Sallaberger)

Das ging am schnellsten und billigsten auf dem Schiffsweg innabwärts. Man verbrachte also Kastenbauer in die salzburgische Exklave Mühldorf am Inn und internierte ihn dort, wohl im Herbst 1522. Er blieb zwei Jahre in der wahrscheinlich lockeren Gefangenschaft!

Zahlreichen und wahrscheinlich recht massiven Überredungs- und Abschwörungsversuchen zum Trotz blieb er ungebrochen! Immerhin versuchte Kastenbauer Einfluß auf die Bestellung der Glaubensrichter zu nehmen. Er schlug den Salzburger Suffraganbischof (und Chiemseebischof) Berthold Pürstinger, und den Abt des Bendediktinerstiftes St. Peter Johann von Staupitz vor. Staupitz war der langjährige Ordensobere von Martin Luther in Wittenberg. Er kannte Kastenbauer persönlich. Der Vorschlag bewies diplomatische Klugheit, denn beide waren zwar hohe kirchliche Würdenträger, aber trotz ihrer unbezweifelbaren Katholizität dialogfähig und theologisch hochgebildet. Zudem war Kastenbauers Wahl auch psychologisch schlau, denn Pürstinger wie Staupitz besaßen bekanntlich ausgeprägte Vermittlerqualitäten.

Aber sie brauchten weder vermittelnd noch juristisch tätig zu werden, da Kastenbauer im Sommer 1524 aufgrund der Fürbitten der Erzherzogin Anna, der Gemahlin Erzherzog Ferdinands, freigelassen wurde« (Sallaberger). Von einer Flucht, wie in der älteren Literatur behauptet wird, kann also keine Rede sein.

Man sieht immerhin, die bayrischen Reformatoren hatten Beziehungen ganz weit nach oben – wenigstens politisch.

Die weitere Biographie Kastenbauers ist rasch erzählt, obschon sie recht kurvenreich ist. Er geht nach Augsburg und wirkt dort bei der konfessionellen Umwandlung der alten Reichsstadt mit. Im Abendmahlsstreit mit Zwingli hält er sich streng auf der Seite Luthers. 1531 wird Kastenbauer Pfarrer in Hof, 1542 in Sulzbach und schließlich 1546 in Eisleben. Dort stirbt er 1547, in Amt und Würden, ein Jahr nach Luthers Tod.

Dr. Christoph Bauer



44/2007